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Valerie Hemingway: Running with the Bulls

Jeder trägt so seine kleinen Vorurteile mit sich herum. So auch ich, als ich erstmals von diesem Buch hörte. Die Welt ist so voll von Schnurren und Geschnatter über den Schriftsteller und es gibt genug Leute, die schwarz im Transrapid „Ernest Hemingway“ fahren.

Doch als ich Running with the Bulls – My Years with the Hemingways aus der Hand lege, bin ich angetan. Valerie Hemingway überzeugt als eine vorzügliche Schreiberin und ihr Buch hat wirklich etwas zu erzählen.

Valerie Danby-Smith, so der Mädchenname, ist eine interessante Person. Die Irin, Jahrgang 1940, kommt aus Dublin und lernt Hemingway 1959 in Madrid, während des San Isidro Festivals, kennen. In Spanien arbeitet sie als Kindermädchen und Journalistin und will nun den Nobelpreisträger für die Irish Times interviewen.

Ernest Hemingway bittet ins Hotel Suecia, Suite 809, wo er mit Ehefrau Mary logiert. Man findet Gefallen aneinander, Ernest lädt Valerie zum Stierkampf-Rennen nach Pamplona ein. Später stellt er sie als seine Sekretärin ein, für gute 250 Dollar im Monat.

Valerie bleibt an Hemingways Seite. Man fährt nach Málaga, in die Provence, nach Paris. Und im Januar 1960 zieht Valerie in die Gästewohnung der Finca Vigía auf Kuba ein. Die junge Frau erhält Einblicke in Hemingways Spätwerk und auch in seine letzten beiden Lebensjahre wie keine andere Person, Familie vielleicht ausgenommen.

Den Nachnamen Hemingway erhält Valerie Danby-Smith später, als sie 1967 Gregory heiratet, den jüngsten der drei Hemingway-Söhne. Sie bekommt drei Kinder mit ihm und kann die Wandlung von Gigi hautnah miterleben.

Es ist wiederum Valerie, die zusammen mit Witwe Mary nach Kuba fährt und auf Finca Vigía Hemingways literarischen Nachlass sichtet. In den nächsten vier Jahren wird Valerie jeden Brief und jedes Manuskript lesen, in einem vom Verleger Scribner’s eigens zur Verfügung gestellten Büro im New Yorker Verlagsgebäude an der Fifth Avenue.

Fotos sortieren, Notizen entziffern, Manuskripte ordnen, Artikel aufbereiten – wahrscheinlich gibt es keine andere Person, die sich so verdient gemacht um den literarischen Nachlass des Ernest Hemingway.

Im Jahr 2004 ist das Buch erschienen und Valerie Hemingway lebt in Bozeman in Montana als Journalistin und wenn man sie freundlich bittet, dann signiert sie auch ein Exemplar ihres Buches.

Alles in allem gibt es heute nur noch wenige Menschen, die soviel über Ernest Hemingway zu berichten wissen wie Valerie. Vielleicht war der alternde Schriftsteller ja auch ein wenig verliebt in die junge aparte Frau, vielleicht war da auch mehr. Darüber schweigt Valerie rücksichtsvoll.

Jedoch allein der Titel des Buches, in dem auch hier und da zwischen den Zeilen gelesen werden muss, wirkt wie ein heiteres Augenzwinkern. Running with the Bulls. Mit den Stieren rennen. Vordergründig sind natürlich die Stiere des San Fermin-Festes in Pamplona gemeint. Aber hoffen wir mal, dass der Stier, vor dem man da weglaufen soll, letzten Endes kein Mensch war.

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