Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Kategorie: Deutschland Seite 3 von 5

Ernest Hemingway in Peru – Vortrag in der Buchhandlung ‚Lesezeit‘ in Kaiserswerth

In der Buchhandlung Lesezeit in Düsseldorf-Kaiserswerth halte ich am 11. Mai 2022 einen Vortrag rund um mein Buch Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru.

Am 11. Mai 2022 erwartet Sie in der Buchhandlung Lesezeit in Düsseldorf-Kaiserswerth ein spannender Vortrag. Ich werde über die Entstehung und den Inhalt meines Buches Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru berichten.

Am 15. April 1956 brechen Ernest Hemingway und seine Ehefrau Mary von ihrem Wohnsitz in der Nähe von Havanna auf zu einer mehrwöchigen Reise nach Cabo Blanco. In dem winzigen peruanischen Fischerdorf sollen die Außenaufnahmen zur Hollywood-Verfilmung von Der alte Mann und das Meer stattfinden.

Gut 60 Jahre nach dem Besuch des Nobelpreisträgers bin ich der Expedition nachgereist. Neben zahlreichen Dokumenten, Fotos und Spuren habe ich Zeitzeugen gefunden, die sich so lebhaft an Ernesto erinnern, als sei er gestern um die Ecke gebogen.

In einem einstündigen Vortrag möchte ich die abenteuerliche Reise von Ernest Hemingway in das südamerikanische Land nachzeichnen. Und neugierig machen auf die (erneute?) Lektüre der Werke von Ernest Hemingway. Und auch neugierig machen auf das wenig bekannte, aber hochinteressante Land Peru.

Ort der Veranstaltung: Buchhandlung Lesezeit, Kaiserswerther Markt 31, 40489 Düsseldorf. Beginn: 19,30 Uhr.

Ich würde mich freuen, wenn wir uns zu diesem Anlass (Anmeldung über diesen Link) in der Lesezeit treffen würden. Und einen Daiquirí gibt es oben drauf.

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Ernest Hemingway – am Nullpunkt in Paris

Ernest Hemingway lebte sieben Jahre in Paris. Die Stadt hat den Autor aus Chicago nicht vergessen.

Seit Dezember 1921 lebt Ernest Hemingway in der Stadt an der Seine, es sind mühevolle Lehrjahre. Paris ist in jenen Jahren eine Metropole im Aufbruch. Autoren, Maler und Komponisten auf der Suche nach neuen Ideen zieht es in die Quartiers der Intellektuellen, zudem inspiriert die Lebenslust der Franzosen einen mit den puritanischen Werten des Mittleren Westens aufgewachsenen Amerikaner. Doch materiell reiht sich der Mann aus einem Vorort von Chicago ein in das Heer mittelloser Schriftsteller aus aller Welt, meist verkrachte Existenzen, die nicht wissen, woher sie das Geld für die nächste Miete nehmen sollen.

Zwar hat der ehrgeizige Mittzwanziger bereits in zwei Pariser Kleinstverlagen veröffentlicht, doch diese Schriften sind wenig mehr als Privatdrucke seiner Expat-Freunde Robert McAlmon und Bill Bird. Von seinem Erstling Three Stories and Ten Poems befinden sich 1923 gerade einmal 300 Exemplare in Umlauf. Ernest Hemingway träumt von einem zahlungskräftigen Verlag, doch der bleibt weit und breit nicht auszumachen.

Der junge Familienvater, Sohn John wird 1923 geboren, erhält von Verlagshäusern aus den USA eine Absage nach der anderen. Damit hat er nicht gerechnet, den Kerl mit dem riesigen Ego übermannen in Paris die Depressionsschübe. Seine Frau versucht, ihn wieder aufzurichten. Hadley glaubt an mich und das ist mehr als genug, um den Schmerz der Absagen zu überbrücken. Das Schreiben der Stories ist schon schwer genug gewesen, aber noch schwerer war, dass sie abgelehnt wurden. Voller Zweifel beginnt er, sich als Autor in Frage zu stellen.

In seinem Heimatland hat Hemingway kein Periodikum gefunden, das seine Kurzgeschichte über Spanien drucken will. Jede angesehene Zeitschrift und auch die verrufenen Magazine haben die Stierkampf-Story abgelehnt. Es sei eine großartige Geschichte, aber sie können sie nicht veröffentlichen, erklärt der Newcomer resigniert in einem Brief an seinen Kollegen Ernest Walsh. Die Story sei zu hart für die Leser.

 Nach all den Tiefschlägen erreicht ihn eine Zusage, überraschenderweise aus Deutschland. Der Herausgeber einer Berliner Zeitschrift mit dem Titel Der Querschnitt will ihn veröffentlichen. Wedderkop schreibt, meine Stierkampf-Story sei wunderbar, verkündet er stolz seinem Freund Harold Loeb. All mein Zeug werde demnächst erscheinen, sagt er. Am 9. Oktober 1924 treffen sich Hermann von Wedderkop und der junge Amerikaner in Paris, im Apartment von Ezra Pound, der schon öfter für das Berliner Magazin geschrieben hat. Ernest Hemingway zeigt sich angetan von dem 24 Jahre älteren Deutschen. Der Kerl ist zu gut, um sich lange halten zu können.

Die Kulturzeitschrift mit dem seltsamen Namen Der Querschnitt erscheint seit 1921 in Berlin. Gegründet hat sie der Kunsthändler Alfred Flechtheim, zunächst als Mitteilungsblatt seiner Galerie. Mitte der 1920er Jahre reiht der Großverleger Hermann Ullstein das Magazin in seinen etablierten Propyläen Verlag ein, die Erscheinungsweise wird auf Monatsrhythmus erhöht, die Auflage steigt auf 20.000 Exemplare.

Jeden Monat überrascht Der Querschnitt als eine Wundertüte mit einem wilden Mix aus Jazz und Modernismus, aus Boxsport und Metropolenklatsch, aus Dadaismus und pikanten Aktfotos. Als Chefredakteur und Herausgeber verantwortet Hermann von Wedderkop ab 1924 die redaktionelle Linie, der Schriftsteller und Übersetzer besitzt einen klaren Blick für die künstlerische Avantgarde. Wedderkop fördert innovative Autoren mit wirklichkeitsnahen Themen und realistischem Stil.

Der Querschnitt druckt zunächst einige schlüpfrige Gedichte Hemingways. Wedderkop veröffentlicht meine ganzen obszönen Arbeiten schneller als ich sie schreiben kann. Der US-Amerikaner zeigt sich begeistert von dem Berliner Zeitgeist-Magazin. Sie behaupten, sie würden alles kaufen, egal, was ich schreibe. Ich fürchte, Von Wedderkop ist verrückt, aber er ist ein wunderbarer Kerl. Und solange Von Wedderkop nicht gefeuert wird, bin ich im Geschäft, schwärmt Ernest Hemingway in einem Brief aus den Winterferien in Schruns am 9. Januar 1925.

Ernest Hemingways Hang zur Großsprecherei prägt sich schon damals aus: In Deutschland bin ich als der junge amerikanische Heine bekannt. Seine wachsende Selbstsicherheit verdankt der Mann aus Chicago

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John Groth und Ernest Hemingway in der Schnee-Eifel

Studio Europe. John Groths Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg in Europa erscheinen 1945 in den USA.

Im Herbst 1944 stehen die amerikanischen Bodentruppen vor dem Hürtgenwald südöstlich von Aachen, wo der Vormarsch der GIs zum Stehen kommt. Die Alliierten müssen nun die Siegfried-Linie aufbrechen, jenen Wall von Holland bis zur Schweiz mit seinen Bunkern, Stollen und Panzersperren. Erst dann wird es den US-Soldaten möglich sein, bis zum Rhein vorzustoßen und damit dem Nazi-Regime militärisch den Todesstoß zu verpassen. 

Ab September berichtet Ernest Hemingway, er kommt aus dem befreiten Paris, über das Kampfgeschehen in Deutschland. Der Schriftsteller befindet sich zunächst nicht an der Frontlinie im Hürtgenwald, sondern weiter südlich, mitten in der Schnee-Eifel. Die heranrückende US-Armee ist der deutschen Wehrmacht materiell und personell überlegen, doch die dichten Wälder und die zahlreichen Hügel lassen den Einsatz von Panzern nicht zu, es geht deshalb nur schwerfällig voran.

Während Ernest Hemingway in seinen Berichten zu allerlei Überzeichnungen neigt, insbesondere die eigene Person betreffend, berichtet ein anderer Journalist geradeheraus. Nach dem Ende des Krieges wird John Groth im Jahr 1945 seine Erlebnisse in dem Buch Studio: Europe  veröffentlichen. Inklusive seiner Treffen mit Ernest Hemingway. Über Paris und Belgien kommt auch der 36-Jährige Maler John Groth an die Frontlinie in der Schnee-Eifel.

In dem winzigen Eifelort Schweiler, drei Kilometer Luftlinie von der belgischen Grenze entfernt, trifft er Ernest Hemingway zum ersten Mal. Der verlassene Bauernhof der Familie Markgraff am Rande des Dorfes dient Colonel Buck Lanham und den beiden Kriegsreportern als Quartier. Das Haus aus dem Jahr 1732 hat kein fließend Wasser, kein Badezimmer, keinen Strom, keine Heizung. Überstürzt haben es deutsche Soldaten verlassen. 

Have a drink, es sind die ersten Worte des Schriftstellers zu John Groth. Zu jenem Zeitpunkt ist der Autor von Wem die Stunde schlägt und Schnee auf dem Kilimandscharo schon ein berühmter Mann. Schloss Hemingstein wird das heruntergekommene Bauernhaus in Schweiler von Ernest Hemingway großspurig und zugleich spöttisch getauft. Der Erfolgsautor weist den Besitzer Markgraff – einen 73-jährigen Bauern aus Schweiler – an, er möge für Essen sorgen.

Im Schein von Petroleumlampen beugen sich die Amerikaner abends über die Landkarten des unwegsamen Gebietes. Es ist Anfang September 1944 und die Gefahr bleibt groß, dass die deutsche Wehrmacht den Weiler wieder einnimmt. Die Frontlinie verschiebt sich von Tag zu Tag. Hat man morgens ein Dorf erobert, so kann es am Abend wieder an den Gegner zurückfallen.

Als John Groth auf Schloss Hemingstein sich zur Nachtruhe in sein Schlafzimmer im zweiten Stock zurückziehen will, gibt Hemingway ihm zwei Handgranaten mit und meint: Leg sie auf deinen Nachttisch, damit Du schnell an sie kommst. Der verdutzte Groth erwidert, er habe noch nie eine Handgranate in der Hand gehalten. Und der berühmte Schriftsteller zeigt dem Kollegen wie man den Splint zieht, bis zwei zählt, und dann die Granate wirft. Er möge angekleidet im Bett liegen, fügt Hemingway an, aus Vorsicht.

Der Weg an die Kriegsfront ist für John Groth nicht gerade vorgezeichnet. Der Feingeist studiert am Art Institute of Chicago und an der Art Students League in New York, dort unter anderem bei dem exilierten Berliner Maler und Grafiker George Grosz. Schon frisch im Beruf macht sich John Groth als Illustrator einen guten Namen, in den 1930er Jahren wird er der erste Art Director des Magazins Esquire.

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John Groth hält in Skizzen den Krieg fest, und er malt Ernest Hemingway. Aus John Groth, Studio: Europe, 1945.

Seine Skizzen aus dem Krieg in Europa fallen auf, es ist noch nicht das Zeitalter des Fernsehens. John Groth malt an manchen Tagen über hundert Skizzen. Dabei benutzt der Vielzeichner eine spezielle Technik, die er Speedline nennt. Er skizziert seine aktionsgeladenen Motive mit groben, nicht perfekten und unscharfen Linien, die weißen Flächen werden später koloriert.

John Groth, Jahrgang 1908, stammt aus Chicago, ebenso wie Ernest Hemingway. Obwohl eigentlich Grafiker und Maler, schreibt Groth darüber hinaus auch Artikel aus dem Krieg in Europa, für die Chicago Sun in seiner Heimatstadt. Yanks are in Paris! lautet seine Schlagzeile, nachdem die US Army die französische Hauptstadt eingenommen hat. Ernest Hemingway veröffentlicht seine Berichte in der Chicago Tribune, doch die beiden publizistischen Rivalen finden einen guten Draht zueinander.

Am nächsten Tag rücken die US-Truppen inklusive der Kriegsberichterstatter von Schweiler aus langsam vor. Im benachbarten Bleialf stossen die Amerikaner auf deutsche Zivilisten. Auf Eifel-Bewohner, die zurückgeblieben sind, alte Leute und kleine Kinder. Und Groth wundert sich,

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Ernest Hemingway kauft einen Paul Klee

Ernest Hemingway und der kubanische Journalist Fernando Campoamor im Oktober 1954 auf der ‚Finca Vigia‘. An der Seite das Bild von Paul Klee ‚Monument in Arbeit‘ von 1929. Die Ähnlichkeit des Gemäldekopfs mit dem des Nobelpreisträgers ist verblüffend. Credit Line: Ernest Hemingway Photograph Collection. John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

Mitte November 1929, drei Wochen nach dem verheerenden Black Thursday an der Wall Street, befindet sich Ernest Hemingway in Berlin. Mit dem Rowohlt Verlag verhandelt er am 15. November die deutschen Rechte zu A Farewell to Arms, das in der Übersetzung In einem andern Land heißen wird. Die Vorschusszahlung, die er von seinem deutschen Verleger bekommt, wird am gleichen Tag ausgegeben. 

Beim Berliner Galeristen Alfred Flechtheim erwirbt der US-Amerikaner ein Gemälde von Paul Klee. Monument in Arbeit heißt das Werk, es ist ein abstraktes Portrait. Paul Klee hat das Aquarell 1929 gemalt, Ernest Hemingway ist beim ersten Anblick von der geheimnisvollen Kraft des Bildes angetan. Mit ein wenig Phantasie kann man es – im Nachgang – als erstaunlich genaue Illustration des späteren Literatur-Nobelpreisträgers betrachten.

Der junge Schriftsteller mag die moderne Kunst, er kennt viele Maler aus seinen sieben Jahren in Paris. Er kauft zahlreiche Kunstwerke und nimmt sie mit in die USA, später auf sein tropisches Anwesen im Süden Havannas. An den Wänden und auf den Anrichten der Finca Vigía finden sich großartige Bilder avantgardistischer Maler, wertvolle Originale von Paul Klee, Georges Braque, Juan Gris, von Waldo Peirce und Joan Miró.

Der Schriftsteller mag sie alle, allerdings kristallisieren sich bei den Europäern drei Favoriten heraus: Juan Gris, Joan Miró und Paul Klee. El guitarrista und Le torero von Juan Gris, Paul Klees Monument in Arbeit und Der Bauernhof von Joan Miró, das Farmhaus in San Francisco de Paula gleicht in den 1950er Jahren einem kleinen Museum.

Auf der anderen Seite des Raumes, über dem Bücherregal, befand sich Paul Klees ‚Monument in Arbeit‘. Mit diesen Worten erinnert sich Ernest Hemingway in seinem autobiografisch gefärbten Roman Inseln im Strom an die Reise mit seiner zweiten Ehefrau Pauline und an die Herkunft seines Gemäldes. Er wußte heute nicht mehr darüber wie damals, als er es zum ersten Mal in der Galerie Flechtheim gesehen hatte, in dem Gebäude am Fluss, in jenem wundervollen kalten Herbst in Berlin, als sie so glücklich gewesen waren. Aber es war ein gutes Bild, und er betrachtete es gerne. 

Paul Klees Kunstwerk findet über die Jahrzehnte seinen Platz auf der Finca Vigía, Ernest Hemingway hütet seine zahlreichen Bilder wie einen Schatz. Selbst über seinen Tod hinaus verbleiben die Gemälde im Familienbesitz, darauf hat er Wert belegt. Er vermacht alle Kunst seiner Ehefrau Mary Welsh und seinen drei Söhnen. In seinem Testament hat er die moderne Kunst penibel aufgeteilt.

In seinem Letzten Willen hat der Nobelpreisträger verfügt, dass sein ältester Sohn John das Bild Le torero von Juan Gris erhält. El guitarrista, ebenfalls von Juan Gris, geht an den Sohn Patrick. Miss Mary, die vierte Mrs. Hemingway, bekommt Der Bauernhof von Joan Miró. Dem jüngsten Sohn, Gregory, einem Sensiblen, wird Monument in Arbeit von Paul Klee zugeteilt.

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Monument in Arbeit gehört zur Collection Ernest Hemingway, New-York. So das französische Werkverzeichnis von René Crevel.

Paul Klee wird im Dezember 1879 in Munchenbuchsee, in der Schweiz geboren, die Deutschen und die Schweizer werden ihn als Maler für sich reklamieren. Er ist mehr als ein Expressionist, mit den Jahren nähert er sich

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Ernest Hemingway und Joachim Ringelnatz

In Hamburg lebten zwei Ameisen,
die wollten nach Australien reisen.
Bei Altona auf der Chaussee,
da taten ihnen die Beine weh,
und da verzichteten sie weise
denn auf den letzten Teil der Reise.

In seiner Erzählung The Green Hills of Africa – zu Deutsch Die grünen Hügel Afrikas – beschreibt Ernest Hemingway im Jahr 1935 eine skurrile Episode. Der Amerikaner, auf Antilopen-Jagd in Afrika, trifft in der einsamen Steppe auf einen Safari-Kameraden aus Tirol. Der Schriftsteller stellt sich dem Österreicher vor.

„Hemingway ist meine Name.“
„Kandisky“, sagte er und verbeugte sich. „Den Namen Hemingway habe ich schon einmal gehört. Wo? Wo habe ich ihn schon gehört? Ach, ja. The Dichter. Kennen Sie Hemingway, den Dichter?“
„Wo haben Sie etwas von ihm gelesen?“
„Im Querschnitt.“
„Das bin ich“, sagte ich, hocherfreut. 

Und in der weiten Steppe Ostafrikas unterhält der schrullige Österreicher sich ausführlich mit dem US-Amerikaner Ernest Hemingway über die moderne Literatur Deutschlands. Der Österreich fragt neugierig nach.

„Sagen Sie, was halten Sie von Ringelnatz?“
„Er ist brillant.“
„So. Sie mögen also Ringelnatz. Gut. Was denken Sie über Heinrich Mann?“
„Der taugt nichts.“
„Glauben Sie wirklich?“
„Ich weiß nur, dass ich ihn nicht lesen kann.“

Ernest Hemingway hält Joachim Ringelnatz für brillant. He is splendid, heißt es im Original. Famos, glanzvoll, großartig. Der US-Autor hält große Stücke auf den Deutschen aus Wurzen. Und der Sachse kommt in The Green Hills of Africa ein weiteres Mal vor. Dass er in der afrikanischen Buschlandschaft auf an admirer of Joachim Ringelnatz trifft, es wundert ihn, so schreibt Hemingway an anderer Stelle.

Der Amerikaner hat in seiner Pariser Zeit einen Zugang zu Deutschland und Einblick in die deutsche Literatur erhalten. Ein wenig ist er der deutschen Sprache mächtig, durch die mehrmonatigen Winterurlaube im Vorarlberg beherrscht er ein paar Brocken. Der Mann aus Chicago befasst sich mit Joachim Ringelnatz, mit Rainer Maria Rilke, mit Erich Maria Remarque und mit Stefan Zweig. Deutsche Autoren lassen ihn nicht kalt, er erkennt ihre Qualität, Hemingway bildet sich sein Urteil. Er teilt ein in jene, die er mag und jene, von denen er nichts hält.

Auch Ringelnatz besitzt einen Bezug zu Paris. Im Jahr 1925 reist er für

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Wedderkop ist verrückt, schreibt Ernest Hemingway

Ernest Hemingway vor seiner Wohnung in der Rue Notre-Dame-des-Champs, Nummer 13; Paris, ca. 1924. Credit Line: Ernest Hemingway Collection. John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

Dieses Land zu hassen, dafür gäbe es in Ernest Hemingway Biografie genug Anlässe. In Fossalta di Piave, zu Ende des Ersten Weltkriegs, wird der junge US-Amerikaner von einer Mörsergranate fast ums Leben gebracht. Ein halbes Jahr muss er im Lazarett in Mailand zusammengeflickt werden. Im Spanischen Bürgerkrieg erlebt er das brutale Bombardement der Legion Condor gegen die Republik. Und im Zweiten Weltkrieg kauert er nur weniger Kilometer hinter der Frontlinie im Hürtgenwald, einer der blutigsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs.

Kaiser Wilhelm, Hitler, die Nazis – Deutschland zu hassen, müsste ihm leicht fallen. Doch der US-Amerikaner hasst Deutschland und die Deutschen nicht. Vor allem aus einem Grund, ein Mann ist da vor. Sein Name: Hermann von Wedderkop. Heute fast vergessen. Wedderkop ist wunderbar, schreibt Ernest Hemingway. Sie zahlen mir 550 Francs, jubelt er im Januar 1925, der junge Amerikaner hat es in jenen Jahren nicht dicke.

Der unbekannte Ernest Hemingway bietet seine Geschichten wie sauer Bier an. Im seinem Heimatland findet sich kein Periodikum, das die Stories des Newcomer drucken will. Jede angesehene Zeitschrift und auch die verrufenen Magazine haben die Stierkampf-Story abgelehnt. Es sei eine großartige Geschichte, aber wir können sie nicht veröffentlichen, zeigt er sich resigniert in einem Brief an seinen Kollegen Ernest Walsh. Die Story sei für die Leser zu hart.

Ganz anders das Urteil des Hermann von Wedderkop. Wedderkop schreibt, meine Stierkampf-Story sei wunderbar, verkündet er im Januar 1924 stolz seinem Freund Harold Loeb. All mein Zeug wird demnächst erscheinen, sagt er. Am 9. Oktober 1924 treffen sich Wedderkop und der junge Amerikaner in Paris, im Apartment von Ezra Pound, der schon öfter für das Berliner Magazin geschrieben hat. Hemingway und Wedderkop finden einen guten Draht zueinander.

Der Chefredakteur stellt die redaktionelle Linie des Querschnitt vor. Ernest Hemingway fasst Wedderkop Credo zusammen: Zum Teufel mit all der Vornehmtuerei und den Kirmesbuden der Eitelkeit. Gebt dem Leser die volle Dröhnung. Er veröffentlicht großartige Boxfotos und Fotos von all den schicken Frauenzimmern in Europa. Der Kerl ist zu gut, um sich lange halten zu können.

Von Wedderkop ist Chefredakteur der Monatszeitschrift Der Querschnitt, die Gedichte und eine zweiteilige Stierkampf-Story im Sommer 1925 von im abdruckt. Sie behaupten, sie würden alles kaufen, egal, was ich schreibe. Ich fürchte, Von Wedderkop ist verrückt, aber er ist ein wunderbarer Kerl. Und solange Von Wedderkop nicht gefeuert wird, bin ich im Geschäft, schwärmt Ernest Hemingway in einem Brief aus Schruns am 9. Januar 1925 an William Smith.

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Ernest Hemingway ist begeistert von der Januar-Ausgabe des Querschnitt im Jahr 1925.

Der Amerikaner in Paris ist ganz vernarrt in Der Querschnitt aus Berlin. Seine Mentorin Gertrude Stein fragt Ernest Hemingway am 20. Januar 1925 aus dem österreichischen Schruns, wo er mit seiner Frau Hadley und dem einjährigen Sohn John die Winterferien verbringt: Habt Ihr die Januar-Ausgabe vom Querschnitt gesehen? Mit der berühmten Rede von Juan Gris und vielen Abdrucken von Gris. Ich habe die Ausgabe heute erhalten. Sie sieht sehr seriös aus, aber immer noch lebhaft. Wunderschön umgesetzt. Was habt Ihr von Wedderkop gehört? 

Der aufstrebende Schriftsteller begeistert sich immer mehr an dem Monatsmagazin. An Jane Heap schreibt er am 5. April 1925: Wedderkop veröffentlicht meine ganzen obszönen Arbeiten schneller als ich sie schreiben kann. In Deutschland bin ich als der junge amerikanische Heine bekannt. Kaum ein Verleger, den Hemingway so ins Herz geschlossen wie den Deutschen. Der Amerikaner macht sich lustig über ihn, es ist ein gutes Zeichen. Wedderschnitt, persifliert Ernest seinen Verleger, den Wedderschnitt vom Querkopf.

Hermann von Wedderkop wird im November 1875 in Mecklenburg

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Ernest Hemingway und die Nürnberger Prozesse

Ernest Hemingway 1944 im Zweiten Weltkrieg als Korrespondent mit der US-Army. Er bauscht gerne auf: Gibt sich wie ein General, ist jedoch nur Presseberichterstatter. Credit Line: Ernest Hemingway Collection at the John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

Wir besitzen es schwarz auf weiß. „Schriftsteller und Journalisten aus aller Welt wurden während der Nürnberger Prozesse auf Schloss Stein untergebracht. Ernest Hemingway und John Steinbeck lebten auf dem Sitz der Faber-Castells monatelang mit Kollegen aus aller Welt zusammen.“ So steht es im SPIEGEL. Und auch DIE ZEIT lässt Ernest Hemingway nach Nürnberg anreisen: „Ernest Hemingway, John Steinbeck und John Dos Passos reisten an. Sie wohnten etwas außerhalb auf Schloss Stein, dem Sitz der Faber-Castells.“

Egal, wo man hinschaut, Ernest Hemingway war Kriegsberichterstatter als den verantwortlichen Nazi-Verbrechern in Nürnberg der Prozeß gemacht wurde. Und munter werden ziemlich bunte Geschichten erzählt. Die Süddeutsche Zeitung schreibt gar, Hemingway habe sich über die mangelnde Qualität der fränkische Weine ausgelassen. Dabei sei der berühmte Amerikaner, nur mit einem Frottiertuch um die Hüften, im Hotelzimmer, das mit Kollegen geteilt wurde, herumgelaufen.

Wikipedia, Radio, Bücher – für alle war Ernest Hemingway in Nürnberg. Dort, wo zwischen dem 20. November 1945 und dem 1. Oktober 1946, als die Urteile verkündete wurden, die Nazis-Oberen vor dem Gericht der freien Welt zur Verantwortung gezogen wurden. Angeklagt wurden insgesamt 24 Personen als Hauptkriegsverbrecher, unter anderen Hermann Göring, der Chef der Luftwaffe, Rudolf Hess, Hitlers Stellvertreter, die Generäle Jodl und Keitel.

Und Ernest Hemingway sitzt auf der Pressebank und berichtet. Das Ganze hat nur einen kleinen Schönheitsfehler. Es stimmt nicht. Während den Nazis in Nürnberg der Prozess gemacht wurde, befindet sich Ernest Hemingway auf

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Ein Fussballspieler für Ernest Hemingway

Der Fussballspieler von Renée Sintenis. Ein Fussballer ohne Trikot und Ball, eher die ästhetische Dynamik eines Körpers in Bewegung. Foto: Galerie Flechtheim.

Im November 1927 reisen Ernest Hemingway und seine zweite Ehefrau Pauline Pfeiffer nach Berlin. In den neun Tagen ihres Aufenthalts besuchen sie das Sechstage-Fahrradrennen im Sportpalast und treffen sich mit dem Kollegen Sinclair Lewis. Berlin ist in den Roaring Twenties eine laute und lärmende Metropole, wo politische und soziale Konflikte sich entladen, wo Moden und Meinung entstehen. Verrücktheiten sind zu sehen, ebenso wie junge Künstler Neues ausprobieren.

Ernest Hemingway interessiert sich besonders für moderne Malerei und kommt mit dem Berliner Kunsthändler Alfred Flechtheim in Kontakt. Bei ihm kauft der Amerikaner eine Skulptur der Bildhauerin Renée Sintenis für 500 Mark, das Kunstwerk trägt den Titel Der Fußballspieler. Über die nächsten zwei Jahre wird Ernest Hemingway bei Flechtheim, der auch Verleger der Zeitschrift Der Querschnitt ist und die avantgardistische Malerei fördert, weitere Skulpturen kaufen.

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Der Pariser Kunstkatalog von Gallimard aus dem Jahr 1930 über Sculpteurs allemands verzeichnet Ernest Hemingway als Sammler von Der Fussballspieler.

Der Fussballspieler, eine Boxer-Skulptur, sie stellt den Mittelgewichtsboxer Erich Brandl im Jahr 1925 dar. Berühmt wird die Bronze des legendären Langstreckenläufers Paavo Nurmi aus Finnland. All die kleinformatigen Sportler-Plastiken der Renée Sintenis zeigen einen Körperkult in Bewegung. Die Auflagen der Kunstwerke bewegen sich meist um die 10 Exemplare.

Es ist zu vermuten, dass Ernest Hemingway je ein Exemplar dieser drei Kleinskulpturen besessen hat. Zwar kann man nicht mehr genau nachvollziehen, welche Sintenis-Plastiken der junge Autor gekauft hat, die Provenienz sämtlicher Werke ist nach fast hundert Jahren nicht mehr exakt in alle Verästelungen zurückzuverfolgen. Fakt bleibt, Hemingway kauft und sammelt Renée Sintenis, Belege dafür gibt es genug. Ernest Hemingway, New York, steht in den Werkverzeichnissen. 

Renée Sintenis, eigentlich Renate Alice Sintenis, spezialisiert sich auf Akte und Köpfe, auf kleinformatige Tierplastiken, sowie auf zahlreiche Selbstbildnisse und Aktfiguren von Sportlern. In den 1920er Jahren feiert die Bildhauerin, im Jahr 1888 in Schlesien geboren, beachtliche Erfolge. Alfred Flechtheim wird ihr Galerist und präsentiert zwischen 1920 und 1933 zahlreiche Ausstellungen mit Plastiken und Zeichnungen von ihr. Im Jahr 1931 wird Renée Sintenis als erste Bildhauerin Mitglied der Berliner Akademie der Künste.

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Die Staatlichen Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Bilddatei-Nr. ngnge_0210, verzeichnet mit der Jahresangabe 1930 Ernest Hemingway als Besitzer der Sintenis-Skulptur von Paavo Nurmi.

Die Künstlerin ist schlank, selbstbewusst, mondän, mit schwarzem Bubikopf. Sie wirkt androgyn, ein IT-Girl der damaligen Zeit, häufig wird sie von berühmten Fotografen portraitiert. In den wilden Zwanzigern verkörpert sie die modische Femme fatale der lokalen Boheme, auch wenn sie persönlich eher schüchtern im Auftreten ist.

Bekannte Autoren wie Gottfried Benn und Rainer Maria Rilke, gehören zu ihrem Freundeskreis, ebenso wie die Schauspielerin Asta Nielsen.
Herr Flechtheim angelte am See
Sich kleine Tierchen von Renée
spottet treffend ihr enger Vertrauter,

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Caporetto – Das Hemingway-Komplott

Horst Kleinert: Caporetto – Das Hemingway-Komplott. Foto: W. Stock

Ich mag Romane, die tatsächliche Ereignisse schwungvoll mit einer wohldosierten Portion Fiktion verweben. Leonardo Padura ist dies meisterlich mit Adiós Hemingway gelungen. Mit viel handwerklichem Können und etwas Glück und Spucke entsteht bei dieser Darstellungsform eine neue Wirklichkeit. Ähnliches gelingt Horst Kleinert mit dem Thriller Caporetto – Das Hemingway-Komplott

In der aufgewühlten Stimmung der untergehenden Weimarer Republik besucht der junge Autor Ernest Hemingway Anfang September 1931 die deutsche Hauptstadt Berlin. Der Zeitungs-Reporter Frank Hartung bekommt per Zufall mit, dass ein politischer Geheimbund ein Attentat auf den bekannten US-Schriftsteller plant. Und flugs findet sich der Journalist mitten drin in einer Räuberpistole aus politischen Grabenkämpfen, menschlichen Intrigen und aufkommendem Nazi-Terror.

In der Tat ist Ernest Hemingway am 1. September 1931 in Berlin gewesen, um der Uraufführung von Kat, der Theaterfassung seines Bestsellers In einem andern Land im Deutschen Theater beizuwohnen. Carl Zuckmayer und Heinz Hilpert haben den Roman für die Bühne adaptiert, Käthe Dorsch spielt die Hauptrolle. Zuckmayer schreibt in seinen Memoiren knapp über Hemingway: „Er war schon bei der Ankunft betrunken.“

Der amerikanische Autor wohnt im Hotel Eden in der Budapesterstraße. Nach der Premiere, den zweiten Akt verbringt der Amerikaner an der Theaterbar, wird Hemingway in ein Taxi verfrachtet, er säuft an der Hotelbar weiter. „Dann fuhr er, im gleichen Zustand, in dem er gekommen war, wieder nach Paris zurück“, schreibt Carl Zuckmayer naserümpfend in seinen Memoiren.

Vor diesem Hintergrund entwickelt Horst Kleinert seine packende Geschichte. Der Plot ist spannend, man muss in einem durchlesen, trotz wilder Handlung bleibt alles im Rahmen des Glaubwürdigen. Das historische Kolorit wird immer wieder durch verbürgte Ereignisse untermauert. Persönlich sympathisch: Einige Protagonisten bedeuten für mich ein Wiedersehen. Ernest Hemingway natürlich. Aber auch der

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Ernest Hemingway in Köln

Die Reiterstatue von Kaiser Wilhelm I an der südlichen rechtsrheinischen Rampe zur Hohenzollernbrücke in Köln.
Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons).

Ernest Hemingway ist gut unterwegs in Europa. In einem Brief an William D. Horne vom 17. Juli 1923 blickt er zurück: Und wir flogen (von Paris, W.S.) nach Straßburg, und wir wanderten durch den gesamten Schwarzwald und fischten Forellen, wir fingen viele, und wohnten in kleinen Gasthäusern, und wir machten miteinander Liebe, und wir fuhren dann den Rhein entlang von Frankfurt nach Köln und besuchten Chink.

Nach ihrem Schwarzwaldurlaub unternehmen Ernest und Hadley Ende August 1922 von Mainz aus eine lange Schiffsfahrt durch das Rheintal. Und im Frühjahr kann man am Rhein sehr gut Enten jagen. Als wir im vorigen Frühjahr auf dem Rhein von Mainz hinunter nach Köln reisten, begegneten wir Enten in rauen Mengen, schreibt Ernest Hemingway in seinem Artikel Game-Shooting in Europe für den Toronto Star am 3. November 1923. Hemingways Reise fand zwar nicht im Frühjahr statt, sondern tatsächlich im Spätsommer, wir wollen jedoch nicht kleinlich sein, kreative Freiheit.

Die Hemingways passieren den Abschnitt, den die Bewohner als Romantischen Rhein bezeichnen, Rüdesheim, die Burg Katz, den Loreley-Felsen, schließlich erreicht das Ehepaar Koblenz. Von dort geht es weiter, vorbei an den kleinen malerischen Dörfern des Mittelrheins wie Linz und Unkel, bis die beiden Amerikaner schließlich in Köln eintreffen.

Wegen seiner zentralen Lage ist Köln ein Drehkreuz zwischen West und Ost, zwischen Nord und Süd. Über das Rheinland sind die Soldaten an die Westfront marschiert, hierher kommt die geschlagene Armee nach der Niederlage 1918 wieder zurück. Köln wird zur Lazarettstadt, Zerstörung, Not und Hunger beherrschen die Stadt. Der Journalist, der für eine kanadische Tageszeitung schreibt, wäre am liebsten im Grandhotel Excelsior Ernst direkt am Bahnhof untergekommen, dort allerdings haben die britischen Besatzungstruppen ihr Quartier aufgeschlagen. 

Oberflächlich betrachtet erscheint die Rheinmetropole in einem guten Licht. Köln selbst macht einen wohlhabenden Eindruck, schreibt er in einem Artikel für den Toronto Daily Star vom 9. Mai 1923. Die Schaufenster glänzen. Die Straßen sind sauber. Doch wirtschaftlich und moralisch liegt das Rheinland am Boden. Land und Region befinden sich in Unruhe, auf die Hohenzollern entlädt sich die Wut der Bevölkerung. Wilhelm I und II haben unsägliches Elend über Deutschland gebracht. Das Vermögen der Deutschen ist in den Kriegsanleihen des Kaisers verpulvert, das Land liegt in Trümmern, man hat sie in eine Schlacht geschickt, die noch sinnloser war als die meisten Kriege.

Der 23-jährige Hemingway kann als Vertreter der Siegermacht die angenehmen Seiten des Währungsverfalls ausleben. An die Familie in Chicago schreibt er am 25. August 1922 einen enthusiastischen Brief: Mit 62 Mark kann man sechs Bier im Krug kaufen. Zehn Tageszeitungen. Fünf Pfund Speiseäpfel, oder eine Eintrittskarte fürs Theater. Ich versuche, Euch das nächste Mal etwas von dem schmucken Geld zu schicken. Die Deutschen haben einige Geldscheine, die sehr schön sind. Ich habe ein paar für Euch zurückgehalten, musste sie dann aber doch ausgeben. Ernie.

Die Rampen der Dombrücke werden von Monumenten preußischer Könige und deutscher Kaiser flankiert. Die rechtsrheinische Reiterstatue von Kaiser Wilhelm I. und das linksrheinische Reiterstandbild von Wilhelm II. symbolisieren das Zeitalter der verhassten Hohenzollern-Herrscher in der Rheinprovinz. Ernest Hemingway informiert darüber im Toronto Star Weekly am 30. September 1922 aus der Domstadt. Riots are Frequent Throughout Germany lautet die Überschrift seines Artikels.

Ein paar Tage vor Hemingways Ankunft haben die Kölner ihren ehemaligen Kaiser vom Sockel stürzen wollen. Die riesige Reiterstatue von Kaiser Wilhelm, die auf der Kölner Seite der schönen Hohenzollernbrücke über den Rhein steht, weist alle Spuren eines kürzlichen Vorfalls auf, als Deutsche zeigten, was noch in ihnen steckte. Die beiden Mauervorsprünge an Wilhelms mächtigen Eisenstiefeln waren abgebrochen und die Klinge seines Schwertes ist verschwunden. All das wurde zerschlagen, als einige Kölner versuchten, die gewaltige Statue umzustürzen. Es war ein Handgemenge, das als Revolution angelegt war und als kleiner Tumult endete.

Ein Polizist, der versucht die Verwüstung des Denkmals zu stoppen, wird von der Menge ohne lange zu fackeln in

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