DietrichTaschenErnest Hemingway bewundert Marlene Dietrich. Ihre Unverblümtheit, ihren Mut, das Unkonventionelle, ihre freche Berliner Schnauze, die Angriffslust. Sie ist der Typ Frau, den er mag.

Hemingways Frauen ähneln dem Abbild seiner männlichen Bedürfnisse. Einmal, Ernest Hemingway weilt mit seiner Frau zu Besuch bei ihr, da läuft Marlene durch ihr Apartment, pudelnackig, so wie Gott sie erschuf, als sei es das natürlichste auf der Welt. Später bügelt sie die Wäsche und da hat sie immer noch nichts an. Hemingway gefällt es sehr, seiner Frau weniger.

Marlene hat einen großen Männerverschleiß: Gary Cooper, James Stewart, Erich Maria Remarque, Jean Gabin, Orson Welles, George Raft, Ray Milland, Fritz Lang, Michael Wilding, wahrscheinlich ist die Liste länger. Nur Männer? Marlene deutet an, dass sie zwischen Männlein und Weiblein als Partner nun keinen großen Unterschied macht. Auch das gefällt Hemingway.

Von der androgynen Aura der Dietrich fühlt Ernest sich magisch angezogen. Dieses Verschwimmen von Maskulinität und Feminität bei Marlene, das mag er. Ob er sie darum beneidet? Ob Hemingway die eigene Neigung mit seinem Macho-Gedöns zukleistert? Oder ob er sich selbst vielleicht mehr liebt als andere?

Nun schätzt es Ernest Hemingway nicht gerade, wenn eine Frau ihm Kontra gibt. Doch bei Marlene ist er da an der Richtigen. Oft leidet er unter den Launen der Diva. Jemand wie Dich gibt es nur einmal auf der Welt, und es wird auch nie eine andere geben. Und wenn Du verärgert bist über mich, werde ich in dieser Welt sehr einsam sein.

Einsam will er nicht sein. Vielleicht weiß er nicht, wovon er fortläuft, er ahnt es, aber sicher weiß er, was er sucht. Er glaubt an die ideale Liebe, er jagt ihr nach, vier Ehefrauen, unzählige Geliebte, er macht das alles nicht aus Spaß. Für einen wahren Schriftsteller ist jedes Buch ein neuer Anfang, ein neuer Versuch, das Unerreichbare anzugehen.

Hemingway sucht Hingabe und Leidenschaft, er ist – trotz harter Schale – ein zweihundertprozentiger Romantiker. Wie um alles in der Welt kann ein Mann lieben, der dem Ideal der wahren Liebe nachhängt? Die Lüge tötet die Liebe. Aber die Aufrichtigkeit tötet sie erst recht. Seine Ehefrauen sehen zu, oder auch nicht, er selbst ist hin und her gerissen. Wirklich zwei Frauen gleichzeitig zu lieben, sie aufrichtig zu lieben, ist das Zerstörerischste und Furchtbarste, was einem Mann passieren kann.

Er sucht sie, die wahre Liebe, nicht die unechte, nicht das oberflächliche Eiapopeia. Er sucht die ewige Liebe in einer Welt des Vergänglichen. Die Liebe als der Kontrapunkt zum Tod. Marlene hat ihm nach Kuba geschrieben. „Ich werde Dich ewig lieben und länger.” Ewig und länger. Die Frau ist großartig, Marlene hat es kapiert. Ewig und länger. Das ist seine Idee des Unerreichbaren.

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