Eigentlich ein umgänglicher Bursche. Ernest Hemingway in Cabo Blanco, April 1956. Foto: Mario Saavedra-Pinón (colorized).

Millionen mögen ihn, weltumspannend reicht die Verehrung für diesen Nobelpreisträger, viele bewundern die Kraft und Abgeklärtheit seiner Erzählungen und Romane. Auch seine dem Lebensgenuß zugewandte Persönlichkeit wird bestaunt, bisweilen mit einem leichten Heben der Augenbraue. Jedenfalls vermag dieser Autor so gut und bahnbrechend zu schreiben, dass noch heute seine Bücher im Stapel verkauft werden. Obwohl er doch schon seit über 60 Jahren auf einem kleinen Dorffriedhof ruht, in Ketchum, am Rande der Rocky Mountains.

Doch es gibt nicht nur Fans. Wenige Schriftsteller müssen solch eine tiefe Antipathie über sich ergehen lassen wie Ernest Hemingway. Es ist nicht ausschließlich Ablehnung und Kritik, die ihm entgegenschlägt. Blanker Hass ist darunter auszumachen. Gerade fortschrittliche Intellektuelle und neumodische Medienleute arbeiten sich in den Feuilletons, in den Podcasts und in Gesprächsrunden an diesem kernigen Mannsbild gerne ab. Vielen gilt er als so eine Art Donald Trump der Literatur. Im Groben kommt das Feuer gegen Ernest Hemingway aus zwei Richtungen. Von ganz links und ganz rechts.

Linke Zeitgenossen verachten ihn, denn er ist das glatte Gegenteil von woke. Er lebt politisch unkorrekt, plaudert frei heraus, ohne Rücksicht auf Gepflogenheiten und gutes Benehmen. Er ist ein Großkotz, wie er im Buche steht. Dazu gilt er nicht nur als wohlhabend, vielmehr ist er stinkreich, was für einen Schriftsteller eh schon Makel genug ist. Seine Häuser sind herrschaftliche Residenzen oder riesige ländliche Anwesen. Das Ehepaar Hemingway unterhält dafür eine Armada von Bediensteten, vom Koch über den Gärtner bis zur Wäscherin. Auto fährt er, aber nicht von eigener Hand, Juan heißt sein Chauffeur.

Was allerorten gesagt oder getuschelt wird, es interessiert ihn nicht die Bohne. Gegen all das Lästern setzt der Mann aus einem Vorort von Chicago ein gesundes Selbstbewusstsein und eine schnoddrige Ungeniertheit. Über ein Jahrzehnt hat er eine feste Geliebte, die zuvor als Prostituierte gearbeitet hat, recht ungewöhnlich für einen Nobelpreisträger der Literatur. Dieser Mann hat Prinzipien, jedoch es sind seine eigenen. Er zeigt Haltung, es ist aber seine Haltung.

Die Linken sagen deshalb, er sei ein Rechter. Allerdings läuft er niemandem hinterher. Und so scheint Mister Papa in keine Schublade zu passen. Links, rechts, oben, unten. Sinnlos zu beschreiben, wo dieser Künstler einer bodenständigen Avantgarde einzuordnen ist. Selbstbewusst würde Ernest Hemingway wahrscheinlich antworten: vorne. Das mag sogar stimmen, andere Klassifizierungen greifen einfach zu kurz. Aus diesem Grund langweilen all die Vorwürfe. Denn sie werden dem bärtigen Jahrhundert-Schriftsteller nicht gerecht. Es bleibt bei faden Schablonen, die eine Diskussion nicht weiterbringen. 

Die Rechten wiederum meinen, er sei ein Linker. Ein linker Bourgeois, so zetern sie aus der rechten Ecke. Er habe für die linke Republik gekämpft im Spanischen Bürgerkrieg. Im Zweiten Weltkrieg sei er zumeist besoffen seiner Arbeit als Kriegsberichterstatter nachgegangen. Er habe deutsche Soldaten auf dem Gewissen (was schon lange widerlegt ist). Er habe seine Frauen betrogen (was stimmt, er soll da allerdings nicht der Einzige sein auf diesem Globus). Fidel Castro habe er hofiert (was eine von den Castristen gepflegte Mär ist).

Ohne Zweifel, sein Charakter besitzt auch dunkle Seiten. Die wunderbare Literatur kann nicht alles entschuldigen. Er bechert zu viel, behandelt seine Frauen schlecht, mit Familie tut er sich schwer. Er lästert, poltert und donnert einfach drauf los. Und er flunkert und bauscht auf, dass sich die Balken biegen. Aber, wer mag da den ersten Stein werfen? Reicht dies für all den Hass? Fehltritte und Irrtümer gibt es gleichermaßen bei anderen in Hülle und Fülle.  

Solch ein Hass, der Ernest Hemingway entgegenschlägt, scheint mir zu einem großen Teil auch ein Selbsthass. Viele wollen so frei sein wie er, so unabhängig, so selbstsicher und erfolgreich. Doch man ist es nicht. Für jene die möchten, aber nicht können, bleibt um der Selbstachtung willen nur der hässliche Hass. Im Grunde kommt die Aversion gegen diesen Mann daher wie die Klage des kleinen Lichts, dass der Leuchtturm so hell strahlt.

Es fehlt bei vielen an Selbstwert, da kommt ein Blitzableiter gerade recht. In Wirklichkeit ist das Ressentiment gegen Ernest Hemingway ein Hass auf sich selbst, weil bei so manchem das Talent nicht reicht und man so wenig macht aus seinem Leben. Sei’s drum. Eigentlich schade! Denn Vorbilder gäbe es genug.

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