Ernest Hemingways Kaleidoskop aus Afrika. Ein eher misslungenes Werk des späteren Nobelpreisträgers.

Ende Oktober 1935 veröffentlicht Ernest Hemingway sein Buch Green Hills of Africa. Darin verarbeitet der bekannte und erfolgreiche Schriftsteller, er lebt mittlerweile in Key West, seine Safari-Erlebnisse aus dem Frühjahr 1934 in Tansania. Die grünen Hügel Afrikas ist ein Werk, das die Faszination des schwarzen Kontinents in den USA und weltweit in den Blickpunkt rücken wird.

Im gleichen Zeitraum hat in Deutschland die Regisseurin Leni Riefenstahl ihre Dokumentation Triumph des Willens abgedreht und geschnitten, im März 1935 wird der Film in Berlin uraufgeführt. Der Streifen ist eine nationalsozialistische Propaganda-Agitation über den Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg. Ein ziemlich übles Machwerk, manipulativ und suggestiv, das handwerklich allerdings neue Maßstäbe setzt.

Helene Riefenstahl, genannt Leni, schwingt sich mit ihren prahlerischen Filmen auf zu einer umstrittenen Person des Kulturbetriebes. Im August 1902 in Berlin geboren, wird sie in den 1930er Jahren zur führenden Regisseurin in Deutschland. Wegen ihrer innovativen Kameraperspektiven und der kreativen Schnitttechnik wird sie von vielen Fachleuten als beste ihres Fachs gesehen. Doch der Ruhm ist teuer erkauft. Eine blinde Verehrung von Adolf Hitler und des Nationalsozialismus wird ihr vorgehalten.

Auch der zweiteilige Dokumentarfilm Olympia aus dem Jahr 1938 – eine Huldigung an die Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin – wird von Kennern als ästhetisches Meisterwerk gelobt. Zugleich hinterlässt die Überhöhung des Körperkults jedoch einen schalen Nachgeschmack, doch Leni Riefenstahl stört die Nähe zur braunen Ideologie wenig. Während des Zweiten Weltkriegs filmt sie mit einem Sonderfilmtrupp den deutschen Überfall auf Polen.

In der Nachkriegszeit – sie wird von den entnazifizierenden Spruchkammern gnädig als Mitläuferin eingestuft – fällt es ihr schwer, den Anschluss zu finden. Zu sehr scheint ihr Œuvre mit dem NS-Regime verbandelt. Der irische Filmhistoriker Liam O’Leary bringt den Widerspruch von Werk und Person wunderbar auf den Punkt: „Leni Riefenstahl war ein künstlerisches Genie und ein politischer Trottel.“

Nach dem verlorenen Krieg geht ihr Blick nun in die Ferne. Ab 1956 reist die resolute Regisseurin mit der Kamera monatelang durch Schwarzafrika, sie besucht Kenia, Tansania, Uganda und den Sudan. Ihre Technik der Über-Ästhetisierung überträgt sie dabei auf schwarze Menschen, als wolle sie der Welt und wohl auch sich selbst beweisen, keine Rassistin zu sein.

Die Regisseurin verlegt sich nun auf das Fotografieren. Sie publiziert zwei Bücher über die Nuba, eine afrikanische Volksgruppe, die im Süden des Sudan lebt. Die Berlinerin bleibt sich treu. Auch auf ihren Fotos aus der Savanne finden sich formvollendetes Ebenmaß und stilvolle Grazie. Sie gibt sich arglos, ihr Ziel sei bloß, „dem Ungewöhnlichen und dem Schönen nachzujagen.“

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Eine Ästhetik der Schönheit. Die Nuba im Südsudan.

Angeregt zu ihrer afrikanischen Leidenschaft wird Leni Riefenstahl durch den Amerikaner Ernest Hemingway. In einer schlaflosen Nacht, so erzählt sie, nimmt sie Die grünen Hügel Afrikas zur Hand und wird sogleich ergriffen von der Faszination eines Fleckens, „wo man freier atmen und glücklicher sein konnte.“ Von Hemingways Buch, es ist 1954 in Deutschland verlegt worden, wird sie derart inspiriert, dass ihre Sehnsucht fortan dem schwarzen Kontinent gilt.

Ähnlich wie der Schriftsteller wird Riefenstahl sofort überwältigt von der Kraft der tropischen Natur. „Als ich in Afrika war, dieser Schimmer, dieses Licht, die Wärme, die Hitze und die Farbenpracht, all das, was ich in Afrika vorfand, war so verschieden von den Eindrücken in Europa, all das faszinierte mich tief. Es erinnerte mich an die impressionistischen Maler, an Manet, Monet und Cézanne.“

Freilich gibt es einen Unterschied zwischen dem afrikanischen Werk von Hemingway und dem von Leni Riefenstahl. Die eher diffusen Schilderungen von wilden Tieren, der Jagd und dem Töten und Saufen gehören nicht zu den hellsten Momenten des Schriftstellers. Natürlich ist auch ihm klar, dass bei Struktur und Prosa einiges misslungen ist. Nach kühler Aufnahme bei Presse und Publikum fällt Hemingway in eine Gedrücktheit. Ich könnte mir mein hundsmiserables Gehirn wegpusten, lässt er resignativ verlauten.

Leni Riefenstahls Fotografien hingegen beeindrucken die Betrachter und überzeugen durch grandiose Perspektiven und ästhetische Tiefe. Ihre Fotoserien werden weltweit in führenden Zeitschriften abgedruckt, in LIFE, Paris Match und stern. Dazu in großen Bildbänden dokumentiert. Im Jahr 2002 veröffentlicht sie mit dem Dokumentarfilm Impressionen unter Wasser ihr letztes Werk. Leni Riefenstahl stirbt mit 101 Jahren in Pöcking am Starnberger See. Den Makel hat sie nie ganz abschütteln können.

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