Zwei unterschiedlichere Schriftsteller vermag man sich kaum vorzustellen: Jorge Luis Borges, der feine Argentinier aus Buenos Aires. Ein weltgewandter Intellektueller, ein Poet und Philosoph. Magischer Realismus. Ein Mann der Imagination und der Phantasie. Zurückhaltend, gebildet und vornehm.

Als Gegensatz dazu Ernest Hemingway: Ein Anti-Intellektueller ohne universitäre Bildung, ein Realist und Kriegsteilnehmer, der Schreiber knapper Sätze und spröder Wörter. Im Leben ein Säufer und Weiberheld, ziemlich frech und ungehobelt.

Zwischen diesen zwei Schriftstellern –  beide vom Jahrgang 1899 übrigens – liegen Ozeane. Sie mochten sich nicht groß leiden. Obwohl der US-Amerikaner Ernest Hemingway die lateinamerikanische Literatur im allgemeinen bewunderte. Doch Hemingways Liebe zu den lateinamerikanischen Autoren beruht nicht immer auf Wechselseitigkeit.

Er sei ein Autor minderer Qualität, hat der große Jorge Luis Borges einmal gelästert, bloß ein Journalist mit einer gewissen Fingerfertigkeit, jedoch einer mit wenig Verstand. Hemingway habe sich schließlich umgebracht, weil er gemerkt habe, dass er literarisch kein großes Licht sei, meint der Argentinier giftig. Diese Klarsicht rette ihn in seinen Augen, so Borges, ein wenig zumindest.

In der Tat kann man sich zwei gegensätzlichere Charaktere kaum vorstellen. Ernest Hemingway, der das Schreiben über das Erleben und das Tun definiert, und Jorge Luis Borges, der sich als Meister der Imagination gefällt. Von so einem Warmduscher jedenfalls lässt sich ein Ernest Hemingway natürlich nicht beleidigen.

Und so hat Hemingways Konter nicht lange auf sich warten lassen. Am 13. März 1950 schickt Ernest Hemingway aus Havanna seinem Kritiker Jorge Luis Borges eine deftige Postkarte. Dear Jorge, mein kubanischer Freund Lino Novás Calvo gab mir ‚The Aleph‘. Klar, das ist ein verdammt gutes Buch. Die Leute um mich sagen, Du wärst der beste spanische Schreiber. Aber Du darfst mal meinen Arsch küssen. Du siehst das Schreiben zu salbungsvoll. Das richtige Leben hast Du viel zu spät entdeckt. Am besten kommst Du hier zu mir runter und wir machen das in einem Kampf unter Männern aus, mit einem alten Knaben wie mir, von 50 Jahren und mit einem Gewicht von 95 Kilo, der denkt, Du bist ein Stück Scheiße, Jorge, und ich würd‘ Dir hier den Arsch aufreißen. Da bleibt Dir die Spucke weg, mein Herr. Mit besten Grüßen, Papa.

Trotz allen verbalen Geplänkels mit Jorge Luis Borges bleibt Ernest Hemingway ein Autor, der die Lateinamerikaner verehrt und vielleicht bewundert der Amerikaner aus Chicago ja insgeheim seinen argentinischen Kollegen. Wie auch immer, man sollte das Scharmützel unter Literatur-Titanen nicht allzu hoch hängen. Wahrscheinlich ist es doch so, dass die wilden Geschichten des Ernest Hemingway ebenso zum Leben des Menschen gehören wie auch die gedankenreiche Phantasie eines Jorge Luis Borges.

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