
Sie ist die wohl beste Kriegsreporterin des 20. Jahrhunderts. Kein Krisenherd, den Martha Gellhorn nicht bereist und in Augenschein genommen hätte. Ernest Hemingways dritte Ex-Ehefrau arbeitet für das US-Magazin Atlantic Monthly und berichtet über den Krieg in Vietnam und die israelisch-arabischen Auseinandersetzungen in den 1960er Jahren. Später schreibt sie aus den Bürgerkriegen in Mittelamerika und von der US-Invasion in Panama im Jahr 1989.
Zwischen all den Kriegen und nach der Ehe mit Ernest adoptiert die kinderlose Martha im Jahr 1949 aus einem italienischen Waisenhaus ein Baby, sie nennt den Jungen Sandy. Doch in der Mutterrolle liegt nicht die Erfüllung dieser ruhelosen Journalistin, nach kurzer Zeit lädt sie den Adoptivsohn bei Verwandten in New Jersey ab. Martha geht zurück zu ihren Kriegen. Sie bleibt eine unerschrockene Kriegskorrespondentin und erfolgreiche Buchautorin, deren Texte beim Publikum wie in der Fachwelt höchste Anerkennung finden.
Travels with Myself and Another wird Martha Gellhorn ihr Buch über die gemeinsamen Reisen mit dem Ehemann nennen. Another, der Andere, das ist er, Ernest Hemingway, den sie zickig auch als UB – ihren Unwilligen Begleiter – kennzeichnet. Trotz aller Stichelei schildert Martha in zahlreichen Passagen ihren Ex-Mann als eine lebensbejahende und warmherzige Persönlichkeit. UB konnte Partygeschwätz nicht ertragen, ebenso wenig oberflächliche Diskussionen um Politik oder die Künste. Aber er wurde niemals müde, wahren Geschichten aus dem Leben zuzuhören, je unwahrscheinlicher, desto besser.
Trotz aller ehelichen Turbulenzen hat die selbstsichere Martha ihren Frieden geschlossen mit dem Schriftsteller. Zu solch einer liebevollen Betrachtung bleibt Ernest nicht fähig. Bei ihm verbleiben Zorn und Verbitterung. Er wird seiner ehemaligen Partnerin gekränkt hinterherrufen, sie sei frigide und zudem eine lausige Schreiberin, frei von jedem literarischen Talent. Er weiß, es ist nicht nett, und natürlich weiß er auch, es ist nicht wahr.
Martha Gellhorn und Ernest Hemingway sind sich wohl zu ähnlich gewesen. Vom Lebensweg, von der Passion und vor allem vom Sendungsbewusstsein. Die Bereitschaft für Zugeständnisse bleibt bei solchen Hyper-Individualisten auf der Strecke, die Ehe ist für beide nichts. Denn Martha ist bereits verheiratet, mit ihrem Beruf. Und Ernest ist ebenfalls verheiratet, und zwar mit sich selbst. Es fehlt auf beiden Seiten der Wille, den partnerschaftlichen Erfolg zu suchen.
An der Unabhängigkeitsliebe von Martha Gellhorn beißt sich selbst ein Macho wie Ernesto die Zähne aus. Ich war eine Schriftstellerin, bevor ich ihn traf, und ich war eine Schriftstellerin, nachdem ich ihn verlassen hatte. Warum sollte ich deshalb eine bloße Fußnote in seinem Leben sein? Von den vier Ehefrauen des Ernest Hemingway ist Martha die einzige, die ihn verlassen hat. Sonst ist es immer umgekehrt gewesen.
Soviel Souveränität ist der bärtige Nobelpreisträger nicht gewohnt. Und er ist auch nicht bereit, dieses Maß an Unabhängigkeit auszuhalten. Doch an Martha rigoroser Autonomie kommt er nicht vorbei. Die selbstbewusste Journalistin macht kurzen Prozess. Das Kapitel Ernest Hemingway im Buch ihres Lebens schlägt sie schnell und rigoros zu. Keinen Kontakt, keine Briefe, keine Telefonate, nichts.
Die attraktive Amerikanerin weint ihrem rabaukenhaften Ex-Ehemann nicht eine Träne nach. Mit den Männern ist sie allerdings noch nicht durch. Im Jahr 1954 heiratet sie den ehemaligen leitenden Redakteur des TIME Magazin, Thomas Stanley Matthews, von dem sie sich 1963 dann scheiden lässt. Ihr Drang nach Unabhängigkeit bleibt groß.
Fast sechs Jahrzehnte ist Martha Gellhorn als Korrespondentin in der Welt umher gereist. Ihre Reportagen zeichnen sich durch Genauigkeit, Ernsthaftigkeit und Mitgefühl aus. Stilistisch sind sie so brillant, dass sie der publizistischen Güteklasse ihres ehemaligen Mannes nur wenig nachstehen. Eine Sammlung ihrer Kriegsberichte veröffentlicht Martha in dem grandiosen Buch The Face of War.
Bis zuletzt, die Kettenraucherin ist schon gesundheitlich angeschlagen, berichtet die beherzte Reporterin von den Brennpunkten der Welt. Schon halbblind scheut sie keine Mühe, den halben Globus zu umrunden. Ihre letzte Reise führt sie im Jahr 1995 nach Brasilien, wo sie die Armut und die Hoffnungslosigkeit in den Favelas erschüttert. Sie merkt, die Welt hat sich nicht zum Besseren entwickelt.
Mehr und mehr zieht sie sich zurück und verlässt nur noch selten ihre Londoner Wohnung am Cadogan Square 72. Niedergeschlagen und unheilbar an Eierstock-Krebs erkrankt, nimmt sich die 89-jährige Martha Gellhorn am 15. Februar 1998 selbst aus dem Leben. In dem von Büchern versinkenden Apartment am Sloane Square beendet sie mit einer Kapsel Cyanid ihr Leiden. Eine Selbsttötung in Verzweiflung. Wie bei ihrem Ex-Ehemann.
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