Ernest Hemingway
Ernest Hemingway auf Entenjagd in Idaho. Mit dem besten Freund des Mannes. Black Dog. Im Oktober 1941. Photo Credits: Ernest Hemingway Collection of the John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

Ernest Hemingway ist ein Autor ohne Frauen. Mehr noch, der Nobelpreisträger von 1954 gilt den meisten als einschlägiger Männer-Versteher. Ernesto, der Ober-Macho in der Literatur. Es ist nicht zu leugnen: Seine Erzählungen und Romane kommen nahezu ohne Frauen aus. Was ist bloß los mit dem Mann?

An dieser Stelle sollte man jedoch Werk und Mensch fein trennen. Im richtigen Leben ist er von der Damenwelt umzingelt. Vier Ehen, dazu zahllose Affären. An manchen Tagen kommt er mit drei Frauen zusammen. Vormittags auf Finca Vigía mit Ehefrau Mary, nachmittags bei der Dauergeliebten Leopoldina in der Altstadt von Havanna und abends möglicherweise dann noch die schnelle Nummer.

Als physischer Mann ist dieser Kerl electrico. In seinen Romanen und Erzählungen, als Schriftsteller in Bezug auf Frauen: tote Hose. So bleibt es bei einer reinen Männerwelt zwischen zwei Buchdeckeln. Vor den Bullen in Pamplona laufen die verwegenen Burschen der Stadt. In seinem Meisterwerk Der alte Mann und das Meer kommt erst gar keine Frau vor. Auch in seiner brillanten Kurzgeschichte Der Unbesiegte nicht. Oder in The Killers. Alles Stücke ohne Frauen. Null, nada, nichts. Nicht einmal in einer Nebenrolle.

Es gibt Geschichten von Hemingway, da schleichen sich Hunde und Katzen in den Plot, Bullen und Stiere ohnehin. Jedoch keine Frauen. In seiner ganz famosen Kurzgeschichte aus dem Spanischen Bürgerkrieg Alter Mann an der Brücke sorgt sich ein greiser Mann auf der Flucht vor den Faschisten um seine Tiere, die er zurücklassen muss. Men Without Women – zu Deutsch Männer ohne Frauen – heißt eine Sammlung von frühen Short Stories aus dem Jahr 1927. Welch ein Buchtitel! Es geht um blutigen Stierkampf, gedungene Mörder und feiste Boxer – wahrlich kein Dunstkreis für das schöne Geschlecht.

Seinen Kritikern und vor allem seinen Kritikerinnen macht es dieser Schriftsteller allerdings leicht. Besondern Feministinnen weisen mit gutem Recht darauf hin, hier entlarve sich in persona wie auch in seinen Erzählungen ein reaktionärer Chauvinist. Ein Sexist, wie er im Buche steht. Ein Pascha, ein Obermacker. Alles richtig und zutreffend. Zumal dieser Naturbursche aus dem Mittleren Westen der USA ja alles tut, um die Vorurteile zu bestätigen.

Andererseits gibt es Geschichten – von Fiesta bis Inseln im Strom – da tauchen schon Frauen auf. Aber mit solchem Stereotyp, dass es beim Lesen mitunter weh tut. In derlei Texten findet man die blutjunge Geliebte in Venedig, die herzerfrischenden Huren aus dem El Floridita, eine nymphomanische Lady bei den Sanfermines – irgendwie plagt diesen Mann ein gehöriges Problem in Bezug auf sein Frauenbild.

Es hat wohl mit seiner Kindheit zu tun, mit der dominanten Mutter und einem Waschlappen namens Vater. Den Vater Clarence verehrt er, die Mutter Grace hasst er. An dieser Prägung mag es liegen, dass viele meinen, dieser Autor sei aus der Zeit gefallen. Sein Blick auf Männer und Frauen bleibt von Anfang an eindimensional. Für die Gender-Forschung unserer Tage ist dieser Mann ein Glücksfall.

Aber Hemingways Themenkreise sind wirklichkeitsnah. Qualvoll obendrein. Der Mann aus Oak Park beschreibt die brüchige Welt der Verlorenen Generation. Schlachten, Kämpfe, tote Stiere. Wie kann es anders sein, bei einem Kerl, der als 18-Jähriger im Ersten Weltkrieg lebensgefährlich verwundet wird. Der zwei Flugzeug-Unglücke überstanden hat. Allzeit den Tod vor Augen dekliniert Ernesto seine Helden an der kaputten Realität rauf und runter. Als Idealbild eines männlichen Kämpfers. Der seine Probleme alleine lösen muss. Und scheitert. Ein Krieger ohne Sieg. Dies alles ist keine Entschuldigung, bestenfalls eine Erklärung. 

Welche Chance vergibt Hemingway in seinem Männerbild! Das Zulassen einer weichen Seite in uns, eines gefühlvollen Kerns, dies ist nicht seine Sache. Dieser Mann vermag nicht über seinen Schatten zu springen, die Prägung ist zu stark, die Verletzungen sind zu groß. Aber Obacht. Wir liegen nicht auf der Couch des Psychotherapeuten, sondern reden über Literatur. Wir dürfen die Metapher nicht für die Wirklichkeit nehmen und die Allegorie nicht für die Wahrheit.

In dem Augenblick, wo man den Aufputz in Hemingways Werk abgeklopft hat, wird die Frage ob Mann oder Frau mit einem Mal nebensächlich. Frauen mühen sich ebenso auf dem Meer namens Leben ab, Frauen werden gleichfalls von schwarzen Bullen attackiert, wenn auch nicht am Sonntagnachmittag auf der Plaza de Toros. So ist es halt immer mit dem pars pro toto in der Literatur. Mann oder Frau? Am Ende kann es schlicht nur heißen: Mann und Frau. Oder ganz einfach: der Mensch.

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