
Selten bekommt ein Nobelpreisträger für Literatur ein derartiges Kompliment von einem bedeutenden Mode-Designer. „Ernest Hemingway steht für zeitlose Männlichkeit – elegant, weltgewandt und zutiefst authentisch. Ich habe ganze Kollektionen mit seinem Geist im Hinterkopf entworfen.“ Erstaunliches aus dem Mund von Ralph Lauren. Lauren, Jahrgang 1939, ist einer der bekanntesten Modemacher auf diesem Planeten. Er stammt aus New York, mit seinem eigenen Mode-Unternehmen hat er weltweit Trends und Modeströmungen entworfen und verstärkt.
Und in der Tat bemerkt man den Einfluss von Ernest Hemingway auf manche seiner Mode-Kollektionen für Männer. Safari-Jacken, Fischerstricke bis hin zu verwittertem Leder und robustem Canvas. Ralph Laurens Welt spiegelt auch den Mythos Hemingways wider. Die Kleidung fängt eine Legende ein.
Ein markiges Mannsbild als Vorbild: in Afrika auf Safari, durch Havanna wirbelnd und am Tresen vom El Floridita, bei den Seeleuten im Fischerdorf Cojímar. Ernesto reist zielstrebig und fein zurechtgemacht durch Spanien und Italien. Länder, deren Metropolen Wert auf ein manierliches Äußeres legen.
Ralph Lauren hat nicht nur die äußere Erscheinung abgebildet, er hat die Persönlichkeit eingefangen. In vielen seiner Designs spürt man den Widerklang eines Hemingway-Charakters: weltgewandt, individualistisch und mühelos cool. Man sieht manche Männermode und muss an den bärtigen Schriftsteller denken.
In der Tat gibt es eine Schnittmenge zwischen dem bärtigen Autor und dem Mode-Zar aus New York. Es ist diese unangestrengte Linie, die saloppe und nonchalante Hingabe an Mission und Umgebung. Es ist die geerdete visuelle Handschrift eines bodenständigen Individuums. Die Kleidung muss zu Träger, Anlass und Milieu passen.
Doch taugt Ernest Hemingway überhaupt als Mode-Ikone? Hm. Der Schriftsteller mag es einfach und unangepasst. Am liebsten läuft er auf seinem tropischen Landgut in Shorts, mit offenem Hemd und barfuß herum, oder in einfachen Schlappen. Wenn er mal eine lange Hose und eine Krawatte anzieht, dann weiß man, er hat einen offiziellen Termin in der Stadt.
Eigentlich hat der prominente Autor es nicht so mit dem Äußeren. Die Optik ist ihm so ziemlich egal. Auf Kleidung achtet er wenig. Die Hose oft zu knapp geraten, die Krawatte meist zu kurz gebunden, die Schuhe ungeputzt. Das Äußere ist ihm einerlei, er möchte sein Leben leben.
Als Refugium hat er sich Kuba ausgesucht. Er liebt die Sonne und die Behaglichkeit. Andalusien, das Veneto, Key West – Landstriche, die das Herz erwärmen. In der Wärme erwacht in dem Schriftsteller eine verborgene innere Energie, ebenso wie das Verlangen, den eigenen Körper zu erspüren. Welche Kleidung er dabei trägt, es ist nebensächlich.
Wenn Ernest Hemingway von seinen Reisen aus dem kalten Europa in sein Idyll kommt, dann windet er in San Francisco de Paula sich zuerst aus dem dicken Jackett. Feuert die blöde Krawatte in die Ecke, entledigt sich der langen Hose, kickt die steifen Schuhe gegen die Wand, schleudert die Socken in die Wäschetonne und bleibt fortan barfuß. Wie zur Erlösung kramt er die weißen Shorts hervor, streift ein kurzärmeliges Polo über und stampft über die Finca Vigía.
In den Tropen fühlt man den eigenen Körper und es erwacht eine wilde Lust am Leben. Das schwüle Klima löst einen deutlichen erotisierenden Reflex aus, gepaart mit einer spürbaren Allgewalt des Körperlichen. Welche Buxe man anhat, welches Hemd den Oberkörper ziert – vollkommen unwichtig und total zweitrangig. Wichtig bleibt nur eines. Dass man sich spürt in der Natur.
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