Das Portal zu Leben und Werk von Ernest Hemingway

Schlagwort: Café de Flore

Ernest Hemingway im ‚Café de Flore‘ von Paris

Café de Flore Paris
Das Café de Flore steht für die Lebenslust in Paris. Irgendwie fühlt es sich an wie das Wunsch-Entree zum Himmelreich. Foto: W. Stock.

In Frankreich wird der junge Ernest Hemingway in einen Kontrastkosmos geschleudert. Das bigotte Vorstadt-Leben von Chicago hinter sich lassend, verwandelt sich der 22-jährige Amerikaner schon nach wenigen Tagen in Saint-Germain-des-Prés zum prächtigen Bonvivant. Der Korrespondent des Toronto Star genießt die aufregende Zeit als Reporter und die angenehmen Seiten als Flaneur. Alles geschieht mühelos, ohne eigenes Zutun, in Paris wird man wie von Zauberhand hineingeworfen in ein Paradies der Lebenslust.

Die Metropole an der Seine ist in den 1920er Jahren für einen Burschen, der in der calvinistischen Enge des amerikanischen Mittelwestens aufgewachsen ist, ein diesseitiger Vorgeschmack auf alle Sinnenfreuden. Während in der Heimat Wirtschaftskrisen, Mafia und Prohibition seit geraumer Zeit die gute Laune verderben, hocken die aus dem Land vertriebenen Intellektuellen in den Pariser Straßencafés und nippen an einem roten Cabernet Sauvignon.

Das Café de Flore befindet sich im quirligen 6. Arrondissement, im südlichen Rive Gauche, genau gegenüber von der Brasserie Lipp. Das Flore, 1887 gegründet, ist eines der ältesten Kaffeehäuser der Stadt. Seinen Namen verdankt es einer Skulptur der Blumen-Göttin Flora, die auf der anderen Straßenseite stand. Im Flore hielt Jean-Paul Sartre im Oktober 1964 eine Pressekonferenz ab, in der er die Verleihung des Literatur-Nobelpreises an ihn ausschlug.

Jeder Künstler, der etwas auf sich hält, ist hier gewesen. Simone de Beauvoir, Jean Cocteau, Boris Vian und Romain Gary. Auch Ernest Hemingway klebt in einer Vitrine am Treppenaufgang zum oberen Stockwerk. Neben einem Foto der Schauspielerin Simone Signoret. Die Liste der Stars und Sternchen ist lang. Für Karl Lagerfeld, der um die Ecke gewohnt hat, ist es ein zweites Wohnzimmer gewesen.

Das Café de Flore kommt daher wie ein Künstler-Café in reinster Form, mit bequemen Jugendstil-Sesseln, braun gepolsterten Sitzbänken und feinen Fin de Siècle-Deckenleuchten. Die Kellner tragen weiße Schürzen und schwarze Westen, dazu eine dunkle Fliege. Alles liegt in einem angenehmen Bereich. Das Ambiente, die Speisen, die Preise, die Bedienung. Alles schön und gut, es haut einen nicht unbedingt vom Hocker.

Der Café au lait, nun ja, guter Durchschnitt. Das Gebäck und der Kuchen liegen auf dem Niveau einer tüchtigen Dorfbäckerei. Alles nicht unbedingt im Mittelmaß, zugleich aber keine Sternstunde. Speise und Trank kann also die Reputation dieser Lokalität nicht ausmachen. Es muss mehr dahinter stecken. Und so ist es. Das Café de Flore wird umweht von einem Geheimnis.

Denn dieser Schauplatz ist weit mehr als eine Örtlichkeit fürs Trinken und Essen. Es ist ebenso eine Wirkungsstätte zum in sich kehren, zum Kraft tanken, ein Ort, um sich der Freunde zu versichern. Wir betreten am Boulevard Saint-Germain Nummer 172 ein Basislager des suchenden Menschen, einen Sehnsuchtsort, um unsere Mitte und den Frieden zu finden, und die Rolle im kleinen Leben.

Café de Flore
Paris
Selbst der Gang auf die Toilette wird im Café de Flore mit Kunsthandwerk aus dem Jugendstil gefördert. Foto: W. Stock.

Irgendwie kommt einem dieses Kaffeehaus vor wie ein heiliger Ort. Wie eine Stätte, die Zuflucht gewährt, die Zuversicht und Inspiration ausstrahlt. Im Grunde ist das Café de Flore ein sakraler Tempel wie die Kirchen und Kapellen in seiner Heimat. Schutzort und notwendiger Stützpunkt in stürmischen Zeiten. Unantastbare Plätze. Viele dieser Lokalitäten in Saint-Germain-des-Prés sehen deshalb heute noch so aus wie damals.

Dieses Kaffeehaus steht – pars pro toto – für die Stadt, die es beherbergt. Das Café de Flore dient als Synonym für Paris. Doch wie so oft bei Ernest Hemingway, man  muss einen zusätzlichen Schritt wagen, denn er sagt es nicht frei heraus. Eine Bar wie diese steht für Lebensfreude und Erleuchtung. Im Grunde genommen postieren die Gaststätten sich als

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Die Bars und Restaurants als Vorhalle zum Paradies

Café de Flore, Paris
Das Café de Flore. Das Basislager der Künstlerwelt in Paris. Foto: W. Stock, 2022.

Als Ernest Hemingway im Winter 1921 in Paris ankommt, da tritt er ein in eine für ihn fremde Welt. Aus Oak Park stammend, einem bigotten Vorort von Chicago, mit den Sonntagskonzerten, dem Kirchgang und dem biederen Alltagstrott, wird er aus dem Mittleren Westen der USA mit einem Mal hineingeschmissen in einen aufregenden Kosmos.

Eine solche Kultur rund um die Bars und Kaffeehäuser mag es in Paris und Wien geben, nicht jedoch im calvinistisch geprägten Chicago. Und schon gar nicht in den rechtschaffenen Vorstädten mit ihren hausbackenen Gepflogenheiten. Ganz anders Paris. Das Leben spielt sich ab in den Bars rund um den Boulevard Montparnasse, wo sich die Künstler tummeln, wo Revolutionäre Schach spielen und die Bohemiens aller Ausprägungen gesehen und gehört werden wollen.

Schnell beginnt Ernest Hemingway zu begreifen, welche Mission die Bars und Restaurants in diesem Wahnsinn erfüllen. Die Closerie des Lilas, das Café de Flore, das Le Dôme oder das Le Select. Diese Schauplätze umweht ein Geheimnis. Denn es sind nicht nur Örtlichkeiten zum Trinken und Essen. Es sind ebenso Wirkungsstätte zum in sich kehren und zum Kraft tanken. Ein Basislager des suchenden Menschen, um seine Mitte zu finden und seine Rolle im kleinen Leben.

Irgendwie scheinen es heilige Orte, die Zuflucht gewähren und Zuversicht ausstrahlen. Im Grunde sind es sakrale Stätten wie die Kirchen und Kapellen in seiner Heimat. Schutzorte und notwendige Stützpunkte in stürmischen Zeiten. Unantastbare Plätze. Viele dieser Lokalitäten sehen deshalb heute so aus wie damals.

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Wie eine Gedenktafel im Kirchenhaus. Das Café de Flore vergisst die Seinen nicht. In Dankbarkeit. Foto: W. Stock, 2022.

Eine Bar steht – pars pro toto – für die entsprechende Stadt. Die Close für Paris und das Café Iruña für Pamplona. Doch wie so oft bei Hemingway, man muss mental einen zusätzlichen Schritt wagen. Die Bars stehen auch für Lebensfreude und Erleuchtung. Im Grunde genommen postieren sie sich als Platzhalter für das Paradies.

Man beachte, wie Ernesto die Akteure seiner Erzählungen skizziert. Barbesitzer verteilen das Manna und den Wein, erhalten mitunter eine gottähnliche Aura. Barkeeper missionieren wie Petrus, bei ihnen wird gebeichtet und gebetet. Selbst die Kellner. Sie werden von Hemingway nicht wie Dienstleister dargestellt, sondern eher wie Götterboten.

So scheinen die Bars und Restaurants wie eine Pforte zum Himmelreich. Als irdisches Gotteshaus, das nicht verbietet, sondern die Daseinsfreude feiert. Als Orte, um dem Ideal ein wenig näher zu kommen. Und auch, um sich dem

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Ernest Hemingways kulinarisches Dreieck: Die ‚Brasserie Lipp‘, das ‚Café de Flore‘ und ‚Les Deux Magots‘

Brasserie Lipp
Viel hat sich seit Hemingways Zeiten nicht verändert, auch das Essen in der Brasserie Lipp bleibt eine Offenbarung. Foto: W. Stock, Oktober 2022.

Wie von Geisterhand verwandeln sich die Literaten und Intellektuellen aus aller Welt in der Stadt an der Seine zu anderen Menschen. Sie alle lassen sich von der Lebenslust und der Frivolität anstecken, die Paris so auszeichnet. Besonders die Amerikaner gefallen sich als Flaneure des Müßiggangs, alle Schriftsteller von Rang schauen in den 1920er Jahre an rive gauche vorbei.

Sie werden zu jungen Frauen und Männern, die anregend in den übervollen Buchläden stöbern, die ohne Ziel durch den Jardin du Luxembourg bummeln oder die als verkannte Dichter stundenlang in den Cafés sitzen und den Erfolg herbei trinken wollen. Alle eint das gleiche Bedürfnis: Sie wollen jene Inspiration an sich herankommen lassen, die sie in ihrer kalten Heimat so vermissen.

Drei von Hemingways Lieblingslokalitäten liegen keine 50 Meter auseinander. Am Boulevard Saint-Germain bilden sie ein magisches Dreieck der Kulinarik: die Brasserie Lipp, das Café de Flore und das Les Deux Magots.

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Die Brasserie Lipp, Hemingways Liebling für ein Mittagessen. Foto: W. Stock, Oktober 2022.

In der Brasserie Lipp hat Ernest Hemingway mit Vorliebe zu Mittag gegessen. Eine Brasserie entspricht in etwa einem deutschen Brauhaus mit deftiger Küche und viel Bier. Diese Tradition merkt man der Speisekarte des Lipp noch heute an, auch wenn über die Jahrzehnte jene herzhafte französische Landküche mit Pariser Raffinesse verfeinert wurde. Das Lieblingsgericht des Nobelpreisträgers wird im Lipp noch heute angeboten: Pommes à l’huile. Am liebsten mit einem guten Stück Fleisch oder einer fetten Wurst.

Zu Lipp’s war es nicht weit. (..) Es waren nur wenige Leute in der Brasserie, und als ich mich auf die Bank setzte, gegen die Wand, mit dem Spiegel im Rücken und dem Tisch vor mir, und der Kellner fragte, ob ich Bier haben wolle, bestellte ich Kartoffelsalat und ein distingué, den großen Glaskrug, der einen Liter fasst. Das Bier war sehr kalt und trank sich wunderbar. Die Pommes à l’huile waren fest und gut mariniert und das Olivenöl köstlich.

Ernest Hemingways Kurzgeschichte Hunger war eine gute Disziplin spielt überwiegend in der Brasserie Lipp. Das Lipp, 1880 eröffnet, hat seit jeher zahlreiche Literaten und Poeten angezogen. Paul Verlaine und Guillaume Apollinaire sind am Boulevard Saint-Germain 151 ein und ausgegangen. Noch heute sind die Speisen im Lipp, kunstvoll serviert auf eigenen Tellern, ein Geschenk des Himmels.

Wie in so vielen Cafés und Restaurants hat sich auch in der Brasserie Lipp wenig verändert in den letzten hundert Jahren, warum sollte es auch? Es macht gerade den Reiz von Paris aus, jene Lokalitäten aus Hemingways Feder echt und unverfälscht bis auf den heutigen Tag an ihrem angestammten Platz anzutreffen. Es scheint fast so, als wären sie für die Ewigkeit gedacht. 

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Im Café de Flore ist richtig, wer eine gute Süßspeise und einen starken Kaffee möchte. Foto: W. Stock, Oktober 2022.

Das Café de Flore befindet sich am Boulevard Saint-Germain 172, genau gegenüber von der Brasserie Lipp. Das Flore, 1887 gegründet, ist eines der ältesten Pariser Kaffeehäuser. Es ist ein Künstler-Café in reinster Form, mit braunem Jugendstil-Mobiliar und Fin de Siècle-Deckenleuchtern. Die Kellner tragen weiße Schürzen und schwarze Westen, dazu eine dunkle Fliege.

Jeder Künstler, der etwas auf sich hält, ist hier gewesen. Simone de Beauvoir, Jean-Paul Sartre, Jean Cocteau, Boris Vian und Romain Gary. Ernest Hemingway klebt in einer Vitrine am Aufgang zum oberen Stockwerk. Neben einem Foto der Schauspielerin Simone Signoret. Die Liste der berühmten Gäste ist unendlich lang. Der Mann aus Chicago ist da gewesen, natürlich, aber sein Favorit ist das wuselige Café de Flore nicht gewesen.

Im Les Deux Magots, direkt neben dem Café de Flore, treffen sich besonders die fortschrittlichen Schriftsteller und Künstler des 20. Jahrhunderts. Die zwei Händler bedeutet das 1873 eröffnete Lokal übersetzt, im Inneren erinnern daran die chinesische Holz-Skulpturen zweier Händler aus Übersee. Die köstlichen Güter und Gewürze aus Asien und Afrika sorgten für das Wohlergehen der ehemaligen Kolonialmacht.

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Neben dem Flore findet sich das feine Les Deux Magots. Foto: W. Stock, Oktober 2022.

Das Les Deux Magots ist eine elegante Mischung aus Kantine, Büro und Treffpunkt gewesen für die innovativen Intellektuellen der Stadt. Surrealisten und Dadaisten geben sich die Klinke in die Hand, später sieht man die Existentialisten häufig. Avant la lettre, seiner Zeit voraus, im Les Deux Magots werden neue Stilformen und Ansätze entworfen, diskutiert und wieder verworfen.

Und Ernest aus Chicago mitten drin. Dieses Entwickeln und Entstehen andersartiger Kunstformen in Paris prägen seine Schreibweise, eine neue Satzmelodie und ein neuer Sprachrhythmus werden durch Hemingway in die Literatur eingeführt. Der erste große Roman des US-Amerikaners – The Sun Also Rises von 1926 – wird teils an einem der Tische in der oberen Etage des Les Deux Magots zu Papier gebracht.

Welch ein magisches Dreieck! Lipp, Flore, Deux Magots. Man kann auf der Welt lange suchen, um eine

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