Das Portal zu Leben und Werk von Ernest Hemingway

Schlagwort: Orson Welles

Pete Carvill: A Duel of Bulls – Hemingway and Welles in Love and War

Pete Carvill: A Duel of Bulls – Hemingway and Welles in Love and War
Pete Carvill: A Duel of Bulls – Hemingway and Welles in Love and War. Foto: Archiv Dr. Stock.

Eines habe ich bei Amerikanern und Briten immer bewundert: Buchtitel entwerfen können sie wie die Götter. Das hier ist so einer: A Duel of Bulls. Kampf der Bullen, so müsste die deutsche Übersetzung wohl lauten. Die beiden Stiere sind zwei Männer. Es geht um die Rivalität zwischen Ernest Hemingway und Orson Welles. Zwei Jahrhundert-Künstler. Spanien-Liebhaber bis aufs Blut. Das ist die Klammer, davon erzählt diese Neuerscheinung.

In Spanien werden beide oft verwechselt. Statur und Habitus gleichen sich. Groß, kräftig, etwas beleibt, ein dichter Bart. Den irdischen Genüssen zugewandt. Dem Autor gelingt es, die Charakterzüge seiner Protagonisten herauszuarbeiten. Ernest Hemingway, der Spanien-Liebhaber, der die Feigheit verachtet. Orson Welles, immer auf der Suche nach Investoren für seine seltsamen Filmprojekte.

Dennoch sind beide unterschiedlich. Hemingway ist – entgegen seiner Fama – diszipliniert und zielgerichtet. Orson Welles lebt als ein Genie im Chaos. Er hat Kinofilme gedreht, die es nie in die Lichtspielhäuser geschafft haben. Kleine Filme aufgenommen, die große fünf Minuten enthalten. Und drei, vier Meisterwerke entworfen. Der beste Spielfilm aller Zeiten, so Kritiker, zahlt ein auf sein Konto: Citizen Kane.

Carvills Buch kommt daher als lockerer Mix aus facts und fiction. Kein Sachbuch, dazu ist es zu unterhaltsam. Kein Roman, denn dafür bewegt sich das Werk zu sehr an der Wirklichkeit. So begleiten wir Ernest Hemingway in Spanien. Die Themen liegen auf des Amerikaners Seele. Seine Liebschaft mit Martha Gellhorn, der Bruch der Freundschaft mit John Dos Passos, die Querelen zwischen Ernesto und Orson Welles rund um den Film The Spanish Earth. Und auch Orson Welles sieht Spanien als Heimat seines Herzens.

Das Buch schildert diese Passion der beiden. Fürs Schreiben über Spanien bei dem einen, fürs Filmdrehen bei dem anderen. Dazu die Frauen. Beide Männer sind fixiert auf amouröse Leidenschaft und kommen irgendwie doch nicht so richtig ans Ziel. Der Don Quijote, das nie zu Ende gelangte Filmprojekt von Orson Welles, steht symbolisch für dieses Scheitern. Großartiger Stoff, indes der beste Künstler muss sich daran verheben.

Die Unterschiede werden einem klar. „Ich bin ein Mann, der im falschen Jahrhundert lebt“, meint Orson Welles und liegt damit wohl richtig. Er ist ein Renaissance-Mensch, ein Falstaff, aber keiner, der in die Moderne springen mag. Hemingway hingegen geht auf in seiner Zeit, all die Umbrüche, Kriege und Abenteuer fließen ein in seine Erzählungen.

Überhaupt Spanien. Es ist der Dreh- und Angelpunkt in diesem Buch. Das Glück liegt nicht in Spanien, ist in Carvills Buch zu lesen, das Glück ist Spanien. Der fremde Kosmos südlich der Pyrenäen hat beide Amerikaner fasziniert, mehr noch, sie sind der iberischen Kultur mit Haut und Haaren verfallen. Orson Welles drückt es deutlich aus: „Ich bin ein altmodischer Mann in einem altmodischen Land.“ Touché. Dieser Fürst des Hedonismus kann mit der Moderne wenig anfangen.

Mit den letzten Tagen von Hemingway und Welles endet das Buch. Ernesto stirbt in Ketchum, von

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‚The Spanish Earth‘ – Ernest Hemingway schreibt gegen Franco und Faschismus

The Spanish Earth
Ernest Hemingway
The Spanish Earth. Es geht um Freiheit und Gerechtigkeit. Gegen den Faschismus. Das Drehbuch stammt von Ernest Hemingway.

Kurz nach seiner Ankunft in Spanien im März 1937 arbeitet Ernest Hemingway mit dem holländischen Regisseur Joris Ivens an einem Filmprojekt über den Bürgerkrieg. Auf das Resultat sind alle stolz. The Spanish Earth wird am 11. Juli 1937 uraufgeführt. Das Drehbuch schreibt Ernest gemeinsam mit dem Kollegen und guten Freund John Dos Passos. Der Dokumentarfilm von 54 Minuten Länge wird auf der Tonspur von Orson Welles gesprochen, in einer späteren Fassung dann von Hemingway selbst.

Zuvor haben im Dezember 1936 linke Intellektuelle wie Lillian Hellman, Dorothy Parker und Archibald MacLeish die Filmfirma Contemporary Historians, Inc. gegründet, um das Filmprojekt anzustoßen. Der Film soll die Welt wachrütteln und über den Kampf des guten Spanien gegen die brutalen Umstürzler berichten. Ideell und materiell will man die republikanischen Streitkräfte und auch die Amerikaner des Abraham Lincoln Battalion unterstützen, die gegen die Putschisten um den General Franco kämpfen. 

Am Skript zu The Spanish Earth lässt sich erkennen, wie Ernest Hemingway seine Texte entwirft. Er nähert sich seinem Thema über einzelne Menschen und individuelle Schicksale. Kurz: Der Mann aus Chicago erzählt eine Geschichte. Hemingway und Ivens lassen die Handlung in dem Dorf Fuentedueña beginnen. Die Bewohner versuchen, aus dem trockenen Boden Wasser zur Bewässerung der Felder zu gewinnen. Um die Ernte einzubringen, die in das umkämpfte Madrid geliefert werden soll.

Die Szene wechselt in die Hauptstadt, die vom Krieg gezeichnet mehr und mehr in Trümmern versinkt. Das Blut auf den Straßen steht als Gegensatz zum Wasser, das sich über die Felder ergießt. Die Handschrift des damals schon gefeierten Schriftstellers ist erkennbar. Why do they stay?, fragt Ernest aus dem Off in einer Sequenz, die verzweifelte Menschen im zerbombten Madrid zeigt. Warum bleiben sie?  Because this is their city, gibt er auch gleich die Antwort im typischen Hemingway-Duktus. Weil dies ihre Stadt ist.

Es ist die gleiche Art und Weise, wie der schnauzbärtige Reporter seine Depeschen aus dem Bürgerkrieg anlegt. Am Ende des Films haben die Loyalisten die Angriffe der Putschisten auf eine Brücke abgewehrt und die Verbindungsstraße nach Madrid gegen den Feind verteidigt. Flusswasser ergießt sich per Pumpstation über die Felder von Fuentedueña, die Versorgung der Hauptstadt ist gesichert. Der Sieg in diesem grausamen Krieg scheint für die Regierungstruppen zum Greifen nahe. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus.

Zusammen mit John Dos Passos hat Ernest das Drehbuch zu The Spanish Earth erstellt. Doch haben sich die künstlerischen Meinungsverschiedenheiten von Tag zu Tag vergrößert. Dos möchte Spanien und seine Menschen ins Zentrum des Films rücken, Hemingway will die Dramaturgie stärker auf die Kampfhandlungen lenken. Ernest setzt sich schließlich durch, John Dos Passos verlässt im Mai 1937 voller Verbitterung das Projekt und dann auch sein geliebtes Spanien. Zwischen beiden Autoren kommt es zum Bruch, nicht nur wegen des Films.

Später wird John Dos Passos als Verfasser aus The Spanish Earth herausgestrichen, sein Name taucht im Vorspann gar nicht mehr auf, ganz so, als habe es ihn nie gegeben. Auch kommt die knapp einstündige Dokumentation, durchaus mit künstlerischer Ambition, handwerklich hölzern und klischeebeladen daher. Der Einfluss des sowjetischen Propagandafilms ist an zahlreichen Stellen zu erkennen. The Spanish Earth mag von Ernest mit besten Absichten gedacht sein, doch im Hintergrund lenkt die Komintern, der verlängerte internationale Arm Moskaus, das ganze Filmprojekt in Richtung kommunistische Agitation. 

Im Frühsommer 1937 reist der Schriftsteller von seinem Wohnort Key West nach New York zum Schriftstellerkongress der League of American Writers. In der Carnegie Hall werden am 4. Juni vor 3.500 Besuchern erste Ausschnitte von The Spanish Earth gezeigt, noch ohne Tonspur. Und Ernest Hemingway ersteigt das Podium und hält einen siebenminütigen flammenden Appell gegen den Faschismus. Feigheit, Verrat und schlichter Egoismus seien das Schlimmste im Krieg, sagt er. Ein Seitenhieb auf den ehemaligen Freund John Dos Passos.

Einen Monat später, am 8. Juli 1937, wird The Spanish Earth während eines Dinners im Weißen Haus dem Präsidenten Roosevelt und seiner Frau Eleanor vorgeführt. Ernests neue Flamme Martha Gellhorn hat den Termin eingefädelt. In einem Brief an die mit ihrer Familie befreundete First Lady umschreibt sie Hemingway auf sympathische Weise: „Er ist ein seltener und bewundernswerter Vogel, er hat inneres Feuer und erzählt wunderbare Geschichten.“

Ernest und der Regisseur des Films sind bei dem Zusammentreffen in Washington dabei. Joris Ivens sitzt direkt neben dem Präsidenten, um

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Sterben an einem kleinen Ort in Spanien

Ronda Spanien
Das Recreo San Cayetano, das ehemalige Landgut der Familie Ordóñez, liegt wenige Kilometer im Osten vor der andalusischen Stadt Ronda. Foto by W. Stock 2019

Ernest Hemingway und Orson Welles haben sich gut gekannt, sind fast so etwas wie Freunde gewesen, wenn auch keine engen Kumpel. Dazu sind sie sich zu ähnlich gewesen. Revolutionäre und Klassiker zugleich. Der eine in der Literatur, der andere beim Film. Orson Welles, dieser geniale Regisseur, ist zudem als ein wunderbarer Schauspieler aufgefallen. Er ist kein Hollywood-Schwätzer, sondern ein Enfant terrible, kein Mainstream-Leichtgewicht, vielmehr der brillante Kopf für die ausgefallenen Projekte.

Ähnlich sind auch ihre Vorlieben. Spanien an erster Stelle. España es el último buen país, diktiert Ernest Hemingway einem Reporter der Tageszeitung Dario de Navarra in den 1950er, in seinen letzten Lebensjahren, ins Notizbuch. Spanien sei das letzte gute Land weit und breit. Vielleicht meint der Schriftsteller damit auch, Spanien sei ein gutes Land, um zu sterben.

Orson Welles, dieser standhafte Haudegen, hat es rigoros durchgezogen. Zum Teil jedenfalls. Der Schauspieler Joseph Cotten schrieb nach dem Tod des Kollegen 1985 über den genialen Regisseur: „Orson will kein Begräbnis. Er möchte leise beerdigt werden an einem kleinen Ort in Spanien.“ Leise beerdigt werden an einem kleinen Ort in Spanien. So kann man sich den Abgang vorstellen, wenn man Romantiker ist und ein Landstrich im Herzen verankert ist, die Idee hat etwas Tröstliches.

Dieser Teufelskerl Orson Welles, der in so vielem Ernest Hemingway ähnelt, hat es jedenfalls vorgemacht. Nach seinem Tod in Los Angeles und einer abenteuerlichen Irrfahrt seiner Urne findet sich eine letzte Ruhestätte in der Nähe von Ronda. In Andalusien, unweit von diesem magischen weißen Dorf im gebirgigen Hinterland der Costa del Sol. Im El Recreo de San Cayetano, auf dem Landgut des Freundes Antonio Ordóñez, ist seine Asche und die seiner Witwe Paola Mori in einem Gartenbrunnen beigesetzt. Seine jüngste Tochter hat den letzten Wunsch des Vaters erfüllt und im Jahr 1987 die Asche verstreut. 

El Recreo de San Cayetano. Die Finca der Stierkämpfer-Familie Ordóñez ist die letzte Ruhestätte von Orson Welles. Dieser Lustgarten des San Cayetano, ein Ort der Muße und Erholung, befindet sich fünf Kilometer außerhalb von Ronda an der A-367, Richtung Cuevas del Becerro. Cayetano ist nicht nur der Name des heiligen Kajetan, sondern zudem der Vorname des Familienoberhauptes der Ordóñez, eines ruhmreichen Stierkämpfers in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts. Sowohl Cayetano Ordóñez als auch sein Sohn Antonio Ordóñez werden zu engen Freunden des Orson Welles.

Das Farmhaus befindet sich auf einem 10 Hektar großen Gelände, mit Olivenhainen, Obstbäumen, Garten und Swimmingpool. Das geräumige Herrenhaus mit den fünf Schlafzimmern, dem Wohnzimmer mit Kamin, der Bibliothek ist angelegt für

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Ernest und Orson

Der Beginn dieser Freundschaft gestaltet sich ein wenig holprig.  Im März 1937 sind Ernest Hemingway und Orson Welles in Spanien und arbeiten mit dem holländischen Regisseur Joris Ivens an dem Filmprojekt The Spanish Earth. Sowohl Ernest Hemingway als auch Orson Welles haben in den Jahren vor diesem Propagandafilm über den Spanischen Bürgerkrieg schon beachtliche Erfolge vorzuweisen.

Ernest Hemingway, Jahrgang 1899, hat mit A Farewell to Arms und The Sun also Rises bereits Weltgeltung errungen. Orson Welles, Jahrgang 1915, ist erfolgreich als Schauspieler am Theater und besonders als Sprecher im Radio unterwegs. Ein Trumpf des 16 Jahre jüngeren Orson Welles ist dessen sonorer Bariton und deshalb soll der Mann aus Wisconsin die Sprecherrolle in The Spanish Earth übernehmen.

Doch die beiden Alphatiere geraten schon beim Schreiben des Drehbuches aneinander. Orson Welles mäkelt an dem Drehbuch herum, Ernest Hemingway zeigt sich daraufhin schnell eingeschnappt. Draußen tobt ein blutiger Bürgerkrieg und drinnen streiten zwei dicke Amerikaner um Wörter und Kommata.

Hemingway beleidigt Welles mit der Unterstellung, dieser sei wohl schwul und daher nicht männlich genug, um einen Film über den Krieg zu erzählen. Orson Welles wiederum lehnt sich zurück und ironisiert, „Herr Hemingway, wie stark Sie sind und wie groß Sie sind!“

Wütend nimmt der Schriftsteller ein Möbelstück in die Hand, und zwei stämmige amerikanische Mannskerle bedrohen sich für einen Moment als ginge es um Leben und Tod. Darum geht es da draußen und rasch merken die beiden Spanien-Liebhaber wie lächerlich ihr Macho-Gehabe ist und wälzen sich am Boden und lachen und teilen sich schließlich eine Flasche Whiskey. 

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Sein linker Haken wurde überschätzt

Auf Netflix kann man sich den letzten – unvollendeten – Film des genialen Regisseurs Orson Welles anschauen. The Other Side of the Wind handelt von dem alten Regisseur Jake Hannaford, der nach Hollywood zurückkommt, um an seinem Comeback zu arbeiten. Der wunderbare John Huston spielt den Jake Hannaford in diesem unruhigen Collage-Film aus den 1970er Jahren, der seiner Zeit sicherlich Jahrzehnte voraus war.

Sowohl Orson Welles als auch John Huston sind gute Freunde von Ernest Hemingway gewesen. Die Biografien der drei kreuzen sich, die Vorlieben ähneln sich. Spanien, Stierkampf, Mexiko, Kuba. In The Other Side of the Wind finden sich einige Hinweise auf Ernest Hemingway, wohl auch in Verneigung vor dem gemeinsamen Freund.

So feiert die Filmfigur Jake Hannaford eine Party zu seinem 70. Geburtstag, sie findet just am 2. Juli statt (das ist Hemingways Todestag). Auf dieser Party wird Hannaford von einem Gast gefragt, was er denn von Ernest Hemingway halte. Anstatt mit einem langatmigen literarischen Monolog zu antworten, entgegnet John Huston ironisch trocken:

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