Das Portal zu Leben und Werk von Ernest Hemingway

Schlagwort: Abenteuer

Ernest Hemingway verliert sich an das Leben

Ernest Hemingway in Peru
Auch er lacht viel zu selten. Hier ein glücklicher Ernest Hemingway. In Cabo Blanco, im April 1956. Foto: Mario Saavedra-Pinón.

Er liebt gutes Essen, hohe Prozente, er mag gerne in die Fremde reisen und hält beide Augen auf den Frauen. Dieser Autor – das hebt ihn von vielen Kollegen ab – ist ein Lebe-Mensch in allen Schattierungen. Er schreibt über Siege, doch vor allem über das Misslingen und die Niederlagen. Dabei überreicht er dem geneigten Publikum die Zerrissenheit der eigenen Biografie, ohne jede Beschönigung. Laster, Fehler, Irrwege – alles wird im Schaufenster ausgebreitet.

Oberflächlich betrachtet könnte man Ernest Hemingway für einen narzisstischen Rüpel halten. Sein Tempo und seine Deutlichkeit wirken beängstigend. Alles obertourig, vom frühen Morgen bis in die späte Nacht, für halbe Sachen ist dieser Mann nicht zu haben. Er schreibt, er säuft und er treibt es auch sonst ziemlich bunt. Ach herrje, dieser Lebenswandel! Allerdings ist es nicht auszuschließen, dass er von vielen so hart kritisiert wird, damit diese sich nicht selber kritisieren müssen. 

Für eine lockere Lebensart empfindet dieser Naturbursche eine tiefe Sympathie. Sein Wunsch ist immerfort und überall, sich selber zu fühlen. Er braucht dieses Lebensgespür als Gegenpart zum Tod. Denn das Mysterium um das menschliche Dasein bleibt. Wir werden ohne unser Zutun ins Leben geworfen, ebenso wie wir ohne unser Zutun aus dem Leben herausgeholt werden. Fix sind beide Endpunkte. Geburt und Tod.

Was hindert uns daran, die knappe Zeit dazwischen voll auszukosten? Möglicherweise liegt darin die Botschaft dieses Schriftstellers auf der Metaebene. Er macht es uns vor. In der Tat, Ernesto lebt für sich. Aber auch ein wenig für uns. Vielleicht sollten wir so leichtsinnig werden wie er, dazu so sinnlich und draufgängerisch, man könnte wieder die wilde Lust am Leben spüren. Zügellos und ohne billige Zerstreuung. So macht er es vor.

Voll aufgedreht wirkt dieser Mann auf manche überspannt, wie ein aufgeblasener Wichtigtuer. Vieles davon ist der Lust am Dasein geschuldet. Denn wenn man als Mensch den Trubel zulässt, dann erlaubt man sich eine neue Sinnenfreude. Die Gier am Leben, in den Tropen ohnehin, löst einen deutlichen erotisierenden Reflex aus und eine spürbare Allgewalt der Körperlichkeit. All das kann man zwischen den Zeilen seiner Erzählungen bemerken. 

Auch aus diesem Grund hat ihn die Lebenslust 30 lange Jahre gezogen nach Key West und Kuba. Denn die Sonne und die Hitze sind für ihn der Gegenentwurf zum langen, kalten Tod. Dazu kitzelt die Glut manch verschüttete Begierde hervor. Der Mensch ergibt sich in jene so selbstverständliche Natürlichkeit, sobald man den Lebensregulator aufdreht und das Schicksal in die eigenen Hände nimmt. Dieser Kerl aus dem kühlen Chicago könnte sich – trotz seines abträglichen Lebenswandels – als ein Vorbild anbieten.  

Der Nobelpreisträger von 1954 hat erkannt, dass die Leidenschaft eines erstklassigen Schriftstellers sich nicht im Schreibstübchen erschöpft. Die Bücher sind nicht das Ziel des Schreibens, sondern Ergebnis. Die Sinnhaftigkeit eines wirklich guten Autors liegt woanders. In einer  lustvollen Haltung zur Welt. An der Vorführung dieser Lebenslust tragen Autoren – von Goethe bis García Márquez – als unsere Mentoren eine gehörige Verantwortung. Und auch Ernest Hemingway lebt auf

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Die Welt mit eigenen Augen sehen

Ernest Hemingway, 1956; Photo by Modeste von Unruh

Ernest Hemingway, im Jahr 1956, in Cabo Blanco, Peru; Photo by Modeste von Unruh

Unzählige Abenteuer. Dazu ein Abenteurer. Ein Mann von Welt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich vermute, dass es auf der ganzen weiten Welt kein Autor zu finden ist, dem mehr Denkmäler, Dankplaketten, Ausstellungen, Gemälde, Büsten, Skulpturen, Inschriften und dergleichen gewidmet wurden, wie diesem Ernest Hemingway aus Oak Park, Chicago.

Und dies nicht nur an einem Ort, seinem Geburtsort meinetwegen, nein, sondern verstreut über alle Kontinente. In Pamplona und Ronda, tief in den Alpen, in der Karibik, in einem Fischernest in Nordperu, in den Rocky Mountains oder auch in Afrika wird man entsprechend fündig. Dieser Mann hat sein Wirken weit gestreut.

Ernest Hemingways Revier war nicht der Elfenbeinturm, sondern die große und bunte Welt. Er hielt sich mit Vorliebe dort auf, wo es etwas zu erleben gab: an vorderster Frontlinie im Ersten Weltkrieg, im Spanischen Bürgerkrieg, im Paris, als die deutschen Besatzer verjagt wurden, bei der Schlacht im Hürtgenwald, in den Steppen Westafrikas, bei Fidel Castros kubanischer Revolution.

Ernest Hemingway ging raus, dort hin, wo sich das Leben zutrug. Als Autor war er das schiere Gegenteil eines desk editors, eines Schreibtischschreibers, im Gegenteil, für die literarischen Bettnässer in den feinen Feuilletons hatte er nur Verachtung übrig. So ging nicht seine Sicht der Dinge. Du kannst eine Sache nicht richtig begreifen, wenn du sie nicht mit eigenen Augen gesehen hast, meinte er – und er musste die Welt mit eigenen Augen sehen.

Es gibt wohl keinen anderen Schriftsteller weltweit, der

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