
Die kapriziöse Pauline tritt selbstbewusst auf als Frau von Welt. Allzeit in schicker Garderobe, dezent geschminkt, unaufdringlicher Schmuck. Sie gefällt sich darin, die Extravaganz ihrer Persönlichkeit zu betonen. So wie sie mag man sich ein Mannequin im Paris der 1930er Jahre vorstellen: Grazil, ein wenig blasiert, ausgefallen im Kleidungsstil, eine gertenschlanke Figur, sie wiegt gerade einmal 52 Kilogramm, zarte Gesichtszüge, ein schwarzer Pagenkopf.
Der Anfang von Ernests Ehe mit Pauline gestaltet sich noch ganz nett und entspannt. Nach den materiell spärlichen Jahren in Paris genießt der Autor den üppigen Wohlstand der Pfeiffer-Dynastie. Die frisch Vermählten werden von der Familie ausgehalten wie verwöhnte Millionärskinder. Onkel Gus schenkt ihnen ein Herrschaftshaus in Key West, er bezahlt die Safari nach Nordafrika, das Ehepaar bekommt es vorne und hinten hineingesteckt.
In Paris läuft es zwischen den beiden noch gut. Doch in Key West kann der Autor sich nicht an das Bonzendasein gewöhnen. Dies ist nicht Ernest Hemingway, der kernige Bursche vom Michigan See. Er wirkt unglücklich, irgendwie fehl am Platz. Er sieht sich als Schriftsteller, nicht als Dandy. Die Affären häufen sich, er tut sie als eine Art Notwehr ab. Zum Schluss schickt Ernest seiner reichen Gattin die Scheidungspapiere. In Form einer Kurzgeschichte. Schnee auf dem Kilimandscharo.
Diese Short Story, im August 1936 erstmals veröffentlicht, ist ein Tiefschlag für Pauline. Der umtriebige Abenteurer hat die Schnauze voll von der erzkatholischen Gattin und dem wohlfeilen Brimborium. Durch die Blume seiner Prosa lässt er verlauten, er habe seine Seele verkauft. Ernest will einen Schlussstrich ziehen unter diesen Irrtum. Sein Blick richtet sich bereits auf eine neue Flamme – ihr Name ist Martha.
Mit der umtriebigen Journalistin Martha Gellhorn wird ihm bewusst, wie sehr ihn diese Ehe in eine Sackgasse manövriert hat. Er ist angezogen worden von der Laszivität des Models, nachdem ihn die Ehe mit Hadley und das Leben mit dem Sohn John in Paris eingeengt hat. Doch plötzlich hat er – nach den ersten Tornados der Leidenschaft – eine weitere Ehe an der Backe, mit zwei weiteren Söhnen. Auch diese Ehe – sie dauert offiziell von 1927 bis 1940 – fährt Ernest voll gegen die Wand.
Pauline Pfeiffer verbringt den Rest ihres Lebens in dem herrschaftlichen Haus in der Whitehead Street 907 und heiratet kein weiteres Mal. Ernest Hemingways zweite Ex-Ehefrau eröffnet in Key West das Bahama House, ein Geschäft für Raumausstattung, und macht in amerikanischen Zeitungen und Zeitschriften Werbung für Johnson’s Wax, das Fußböden und Möbel gepflegt erscheinen lässt.
Die tapfere Pauline bleibt sesshaft und verreist höchst selten, ab und an nach Kalifornien, wo ihre Schwester Virginia mit Lebensgefährtin in Los Angeles lebt. Im Grunde ihres Herzens ist sie ein gutbürgerlicher Charakter, der extravagante Charme in Paris hat alle getäuscht. Die anstrengende Partnerschaft mit dem Schriftsteller hat Pauline hinter sich und anstrengende Jahre mit den beiden Söhnen, insbesondere mit Gregory, vor sich.
Am 29. September 1951 wird der 19-jährige Sohn Gregory, der jüngste Hemingway-Spross, vollgepumpt mit Drogen, von der Polizei auf der Damentoilette eines Kinos festgenommen, in Frauenkleidern. Ernest macht seiner ehemaligen Frau am Telefon laute Vorwürfe, sie versage in der Erziehung des feinsinnigen Gregory, des schwarzen Schafs in der Familie, wie er meint. Pauline, bei ihrer Schwester Jinny in deren Haus in den Hollywood Hills, und mit dem Sohn in einer Arrestzelle, bekommt heftige Bauchkrämpfe.
Gegen Mitternacht wird sie als Notfall ins St. Vincent’s Hospital eingeliefert. Die zweite Mrs. Hemingway, ohnehin von kränklicher Natur, verblutet innerlich im Schockzustand am 1. Oktober 1951 auf dem Operationstisch an einer seltenen Tumorkrankheit der Nebenniere. Der Tumor stößt in jener Nacht eine solche Menge an Adrenalin aus, der zusammen mit dem hohen Blutdruck, zum fatalen Platzen von Blutgefäßen führt. Pauline Pfeiffer wird nur 56 Jahren alt.
Ernest Hemingway ergießt sich in Selbstgerechtigkeit. Und mir bleibt die Trauer über Paulines Tod mit all dem Hafenschlamm, der ihn verursacht hat, schreibt ein überheblicher Autor an seinen Verleger Charles Scribner, ich habe sie für viele Jahre sehr geliebt und – verdammt – auch mit ihren Fehlern. Und Pauline Pfeiffer, ihr Urteil fällt milder aus, hat Ernest Hemingway bis an ihr Ende geliebt.
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