
Ernest Hemingway bewundert Hadley als aufopfernde Ehefrau und fürsorgliche Mutter. Er braucht dieses althergebrachte Muster für seinen Alltag, als Fundament der eigenen Glückseligkeit. Doch gleichzeitig verliert er schnell die Lust am konventionellen Idyll. The better you treat a man and the more you show him you love him the quicker he gets tired of you, entfährt ihm in To Have and Have Not ein absonderlicher Gedanke. Je besser die Frau einen Mann behandle und ihm seine Liebe zeige, desto schneller werde der Mann seiner Frau überdrüssig.
Ab Herbst 1957 beginnt der Schriftsteller auf Kuba seine Arbeit an den Pariser Skizzen, wie er die biographischen Notizen zunächst nennt. Doch er findet nicht den Mut, das Manuskript seinem Verleger zu überlassen. Zu tief fällt die Kluft zwischen den juvenilen Paris-Jahren und den Gebrechen des Alters. Das Buch wird zu seinen Lebzeiten nie veröffentlicht. Diese Hymne an das Herz ist eigentlich kein Roman, sondern eine Sammlung von sehr persönlichen Impressionen.
Der greise Ernest erzählt von Paris, er fängt den Liebreiz der Cafés und Bistros ein, er lässt uns teilhaben an seinen Geldsorgen, er macht sich lustig über die versnobten Literaturzirkel an der Seine. Diese Rückschauen auf die guten Tage machen den Reiz dieses Buches aus, man stöbert in den Bruchstücken wie in den Werkhallen einer alten Manufaktur. Die schönsten Sätze zu Paris aus Menschenhand sind hier versammelt, das Werk ist vor allem eine flammende Liebeserklärung an diese Stadt. Doch nicht nur.
Nach der Übersiedlung in die USA im Jahr 1959 grübelt der Nobelpreisträger in Ketchum weiter über den Fragmenten aus Paris. In seinen letzten Lebenswochen schreibt Ernest sich dann den ganzen Kummer von der Seele. Der schwerkranke Autor versetzt sich zurück in die heile Welt als junger Ehemann mit Hadley und träumt von den glänzenden Tagen in Paris, ein letztes Mal huldigt der todgeweihte Ernest seiner großen Liebe.
Sein bester Freund A. E. Hotchner redigiert nach Ernests Ableben die Bruchstücke. Im Jahr 1964 erscheinen die Erinnerungen, gegen den erbitterten Widerstand seiner letzten Frau Mary. Trotz allen Frohmuts kann man Paris – Ein Fest fürs Leben zugleich als eine Art Lebensbeichte des sterbenskranken Ernest Hemingway wahrnehmen. In allererster Linie sind die Episoden aus Paris eine Liebeserklärung an seine erste Ehefrau. An Hash, an jene Frau, für die er offensichtlich das tiefste Gefühl empfunden hat und wohl jene, die ihn am meisten geliebt hat.
Doch die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Und auch seine kaltschnäuzige Schurkerei kann er nicht wieder gutmachen. Er weiß, dass er das Desaster ganz alleine verbockt hat. Ich war es, der die Schuld daran auf sich nehmen und besitzen und verstehen musste. Hadley, die Einzige, die keinerlei Schuld daran trug, kam am Ende gut aus der Sache heraus und heiratete einen viel besseren Mann, als ich je gewesen war oder jemals zu sein hoffen konnte…
In den letzten Lebensmonaten hat Ernest oft an seine erste Ehefrau gedacht und er hätte sie gerne bei sich gewusst. Einige Male hat er mit Hadley telefoniert, und er glaubt, die Zuneigung zu spüren, auf beiden Seiten. Seine gegenwärtige Ehefrau, die fürsorgende Mary, muss diese innige Liebeserklärung an Hadley wie ein Schlag ins Gesicht aufgenommen haben.
Die erste Mrs. Hemingway hat später jene Zuneigung gefunden, die er nicht hat geben können. Nach der Scheidung von Ernest heiratet sie 1933 den Journalisten Paul Mowrer, den Korrespondenten der Chicago Daily News in Paris, einen Pulitzer-Preisträger. Die Ehe zwischen Hadley und Mowrer, einem klugen und besonnenen Zeitgenossen, wird gut. Der neue Mann an ihrer Seite kümmert sich vorbildlich um Bumby, den sie mit in die Ehe bringt.
Mit Paul Mowrer nimmt Hadley den Wohnsitz wieder in den USA, sie wohnen in Chicago. Als Alimentierung überlässt der Schriftsteller seiner ersten Ex-Frau und dem Sohn die üppigen Tantiemen aus The Sun Also Rises, inklusive der Filmrechte. Zu Ernest pflegt sie bis zuletzt eine innere Verbundenheit, in Wirklichkeit hat Hadley nicht aufgehört, ihn gernzuhaben.
Trotz seiner Gemeinheiten, sie weist den Groll mit Liebe in die Schranken. „Ich kann in mir drin nicht das Gefühl entwickeln, Ernest zu hassen“, sagt Hadley am Ende ihres Lebens, „und ich bin ihm dankbar für all das gemeinsam Erlebte in Paris.“ Und Ernest rutscht, bei einem seiner Telefongespräche mit Hadley in den letzten Monaten vor seinem Tod, der Satz heraus: I should never have left you.
Ja, er hätte Hadley nicht verlassen sollen. Aber er hat diese wunderbare Frau getäuscht und betrogen, damals in Paris. Dieser Fehler, vielleicht der größte seines Lebens, er hat sich als schlimmer für ihn herausgestellt als für sie. Elizabeth Hadley Richardson stirbt im Januar 1979 in Lakeland, in Florida, im Alter von 89 Jahren. Ernest Hemingways große Liebe ist in New Hampshire auf dem Chocorua Cemetery in Tamworth begraben.
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