
Ein gut geschriebenes Ende sollte eine Erzählung abrunden. So ein Roman kann auf verschiedene Art und Weise ausklingen. Es hängt ab vom Thema, vom Genre, von der beabsichtigten Wirkung und ebenso von der Persönlichkeit des Autors. Letztendlich läuft es auf die Frage zu: Wie will ich meine Leser und meine Leserinnen in den Alltag entlassen?
Am schönsten ist das Happy End. Die Konflikte sind gelöst, die Protagonisten finden ihr Glück. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Das genaue Gegenteil umschreibt das tragische Ende. Die Akteure scheitern oder sterben. Er wurde von Handwerkern getragen. Da ist etwas schiefgelaufen. Kein Wunder, hier hat sich ein Mensch aus Liebeskummer das Leben genommen und in den Sarg befördert. Mit diesem genialen Finalsatz beschreibt Johann Wolfgang von Goethe die Beerdigung seines jungen Werther.
Ernest Hemingway ist weder ein Anhänger des guten wie des schlechten Endes. Der Nobelpreisträger von 1954 bevorzugt das offene Ende. Irgendwie gemein! Der Ausklang verbleibt unklar, der Leser muss selber schauen, wie er klarkommt. Was er mit einem uneindeutigen Schlusspunkt anfängt, bleibt einzig und allein dem armen Büchernarr überlassen. Fast jede Geschichte aus der Feder Hemingways wird nicht abgeschlossen – und das ist in Ordnung so.
Typisch: Seine Short Story unter dem Titel The Undefeated (zu Deutsch Der Unbesiegte) lässt den Leser am Ende ratlos zurück. Der abgehalfterte Torero Manuel Garcia darf gegen ein Gnadenbrot einen letzten Kampf bestreiten. Im Verlauf der Corrida wird der ehemals berühmte Matador von dem Stier mehrfach verwundet, kann dem Bullen aber den Todesstoß versetzen. Schwer verletzt wird der Stierkämpfer aus der Arena getragen und in ein Krankenhaus gebracht. Dann bricht die Erzählung ab. Ob Manuel Garcia überlebt? Unklar. Ernest Hemingway lässt den Ausgang offen.
Vom Meer kehrt der alte Mann zurück in sein Heimatdorf, er hat seinen Fang an die Haie verloren. Die Mühe vieler Wochen war umsonst. Der alte Fischer ist geschlagen, doch nicht gebrochen. Er wird am nächsten Tag mit seinem Holzboot wieder hinaus aufs Meer fahren. Wahrscheinlich. Auch dies schleierhaft. Schlimm? Nein. So funktioniert das Leben. Niemand weiß, was der folgende Tag bringen wird.
Ist dies kein schöner Gedanke? So lässt Ernest seinen grandiosen Roman Fiesta enden. Die Erzählung beschreibt das zynische Lebensgefühl nach dem Ersten Weltkrieg. Der letzte Satz lautet: Isn’t it pretty to think so?. Diese Frage von Jake Barnes, dem Protagonisten, geht an Lady Brett Ashley, die nicht unterscheiden kann zwischen Liebe und Gier. Es hätte eine reizvolle Liebesbeziehung in Spanien werden können, doch es hat nicht sollen sein. Die Liebe – wie das Leben – gestaltet sich schwierig.
Der Einwand sei erlaubt: Ist solch eine simple Frage nicht zu unambitioniert für einen Nobelpreisträger? Von wegen! Die angezogene Handbremse hat Methode, sie ist typisch für Hemingway. Alles bleibt kompliziert. Ein schlichtes Ende – ob gut oder schlecht – wird den Herausforderungen des Lebens nicht gerecht. Zumal ein freudiger Abschluss einer Täuschung erliegt, denn jedes Happy End kann auf der Lebensbahn lediglich eine Momentaufnahme darstellen. Über das große Ganze entscheiden andere, es liegt nicht in den Händen des Menschen.
Ernest bringt seine Erzählung mit voller Absicht meist nicht zum Ende. Er lässt den Leser baumeln, im Schmerz leiden, manchmal sogar genervt zurück. Aber so ist die Realität. Die wichtigen Lebensbereiche – es geht Hemingway ums Kämpfen für das kleine Glück und um den Erhalt der Würde – diese Fragen bleiben ohne Antwort. Man darf den Leser nicht ins Eiapopeia entlassen. Denn ein gutes Ende ist immer