Das Portal zu Leben und Werk von Ernest Hemingway

Autor: Wolfgang Stock Seite 4 von 68

‚The Spanish Earth‘ – Ernest Hemingway schreibt gegen Franco und Faschismus

The Spanish Earth
Ernest Hemingway
The Spanish Earth. Es geht um Freiheit und Gerechtigkeit. Gegen den Faschismus. Das Drehbuch stammt von Ernest Hemingway.

Kurz nach seiner Ankunft in Spanien im März 1937 arbeitet Ernest Hemingway mit dem holländischen Regisseur Joris Ivens an einem Filmprojekt über den Bürgerkrieg. Auf das Resultat sind alle stolz. The Spanish Earth wird am 11. Juli 1937 uraufgeführt. Das Drehbuch schreibt Ernest gemeinsam mit dem Kollegen und guten Freund John Dos Passos. Der Dokumentarfilm von 54 Minuten Länge wird auf der Tonspur von Orson Welles gesprochen, in einer späteren Fassung dann von Hemingway selbst.

Zuvor haben im Dezember 1936 linke Intellektuelle wie Lillian Hellman, Dorothy Parker und Archibald MacLeish die Filmfirma Contemporary Historians, Inc. gegründet, um das Filmprojekt anzustoßen. Der Film soll die Welt wachrütteln und über den Kampf des guten Spanien gegen die brutalen Umstürzler berichten. Ideell und materiell will man die republikanischen Streitkräfte und auch die Amerikaner des Abraham Lincoln Battalion unterstützen, die gegen die Putschisten um den General Franco kämpfen. 

Am Skript zu The Spanish Earth lässt sich erkennen, wie Ernest Hemingway seine Texte entwirft. Er nähert sich seinem Thema über einzelne Menschen und individuelle Schicksale. Kurz: Der Mann aus Chicago erzählt eine Geschichte. Hemingway und Ivens lassen die Handlung in dem Dorf Fuentedueña beginnen. Die Bewohner versuchen, aus dem trockenen Boden Wasser zur Bewässerung der Felder zu gewinnen. Um die Ernte einzubringen, die in das umkämpfte Madrid geliefert werden soll.

Die Szene wechselt in die Hauptstadt, die vom Krieg gezeichnet mehr und mehr in Trümmern versinkt. Das Blut auf den Straßen steht als Gegensatz zum Wasser, das sich über die Felder ergießt. Die Handschrift des damals schon gefeierten Schriftstellers ist erkennbar. Why do they stay?, fragt Ernest aus dem Off in einer Sequenz, die verzweifelte Menschen im zerbombten Madrid zeigt. Warum bleiben sie?  Because this is their city, gibt er auch gleich die Antwort im typischen Hemingway-Duktus. Weil dies ihre Stadt ist.

Es ist die gleiche Art und Weise, wie der schnauzbärtige Reporter seine Depeschen aus dem Bürgerkrieg anlegt. Am Ende des Films haben die Loyalisten die Angriffe der Putschisten auf eine Brücke abgewehrt und die Verbindungsstraße nach Madrid gegen den Feind verteidigt. Flusswasser ergießt sich per Pumpstation über die Felder von Fuentedueña, die Versorgung der Hauptstadt ist gesichert. Der Sieg in diesem grausamen Krieg scheint für die Regierungstruppen zum Greifen nahe. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus.

Zusammen mit John Dos Passos hat Ernest das Drehbuch zu The Spanish Earth erstellt. Doch haben sich die künstlerischen Meinungsverschiedenheiten von Tag zu Tag vergrößert. Dos möchte Spanien und seine Menschen ins Zentrum des Films rücken, Hemingway will die Dramaturgie stärker auf die Kampfhandlungen lenken. Ernest setzt sich schließlich durch, John Dos Passos verlässt im Mai 1937 voller Verbitterung das Projekt und dann auch sein geliebtes Spanien. Zwischen beiden Autoren kommt es zum Bruch, nicht nur wegen des Films.

Später wird John Dos Passos als Verfasser aus The Spanish Earth herausgestrichen, sein Name taucht im Vorspann gar nicht mehr auf, ganz so, als habe es ihn nie gegeben. Auch kommt die knapp einstündige Dokumentation, durchaus mit künstlerischer Ambition, handwerklich hölzern und klischeebeladen daher. Der Einfluss des sowjetischen Propagandafilms ist an zahlreichen Stellen zu erkennen. The Spanish Earth mag von Ernest mit besten Absichten gedacht sein, doch im Hintergrund lenkt die Komintern, der verlängerte internationale Arm Moskaus, das ganze Filmprojekt in Richtung kommunistische Agitation. 

Im Frühsommer 1937 reist der Schriftsteller von seinem Wohnort Key West nach New York zum Schriftstellerkongress der League of American Writers. In der Carnegie Hall werden am 4. Juni vor 3.500 Besuchern erste Ausschnitte von The Spanish Earth gezeigt, noch ohne Tonspur. Und Ernest Hemingway ersteigt das Podium und hält einen siebenminütigen flammenden Appell gegen den Faschismus. Feigheit, Verrat und schlichter Egoismus seien das Schlimmste im Krieg, sagt er. Ein Seitenhieb auf den ehemaligen Freund John Dos Passos.

Einen Monat später, am 8. Juli 1937, wird The Spanish Earth während eines Dinners im Weißen Haus dem Präsidenten Roosevelt und seiner Frau Eleanor vorgeführt. Ernests neue Flamme Martha Gellhorn hat den Termin eingefädelt. In einem Brief an die mit ihrer Familie befreundete First Lady umschreibt sie Hemingway auf sympathische Weise: „Er ist ein seltener und bewundernswerter Vogel, er hat inneres Feuer und erzählt wunderbare Geschichten.“

Ernest und der Regisseur des Films sind bei dem Zusammentreffen in Washington dabei. Joris Ivens sitzt direkt neben dem Präsidenten, um

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Der schönste Hemingway-Satz: Faschismus

Ernest Hemingway faschismus

«Bist du Kommunist?»
«Nein. Ich bin Antifaschist.»
«Schon lange?»
«Seit ich den Faschismus verstanden habe.“

Ernest Hemingway:
Wem die Stunde schlägt, 1940

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Ernest Hemingway: Rede an das deutsche Volk

Die Weltbühne
Die Weltbühne, das halbmonatlich erscheinende Berliner Kulturmagazin, veröffentlicht nach dem Krieg Ernest Hemingways verschollene Rede an das deutsche Volk. Foto: Archiv Dr. Stock.

Im November 1938 lässt Ernest Hemingway über den Deutschen Freiheitssender – eine auf Deutsch sendende Radiostation auf Kurzwelle 29,8 – eine Rede verlesen. Der Sender, von Kommunisten der KPD gegründet und betrieben, sendet von Pozuelo del Rey bei Madrid jeden Tag eine Stunde Programm nach Nazi-Deutschland. Auch Exilanten wie Thomas Mann und Albert Einstein haben über den Sender Botschaften an das deutsche Volk ausgestrahlt.

Bei Hemingways Mitteilung handelt es sich um eine vier Minuten lange Rede aus Spanien an das deutsche Volk. Ich bin aber auch traurig (um offen zu sein), traurig mit deinem Schicksal, deutsches Volk, so kommt Ernest direkt im ersten Abschnitt zur Sache. Der Amerikaner bekennt seine Verbundenheit zu Deutschland. Er erzählt von seinem Urlaub im Schwarzwald, von den Besuchen in Berlin. Der US-Autor preist die Schönheit des Landes und den Humor seiner Bewohner. Und fragt unvermittelt: Und das soll alles zu Ende sein?

Als Kriegsreporter steht er unter dem Eindruck des Kampfes gegen den Putschisten General Franco. Die Völker wollen gleich und gleich nebeneinander leben. Sie wollen sich nicht in Kriegen für Tyrannen zerfleischen. Der damals schon berühmte Schriftsteller spannt sodann den Bogen zur Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten in Deutschland. Und eines Tages wird es [das deutsche Volk] den einzigen Krieg machen, der noch lohnt, den Krieg gegen die Nazi-Tyrannei.

Im Sommer ist der US-Kriegsreporter an der Ebro-Front gewesen und hat die Heinkel– und Junkers-Flugzeuge der Legion Condor über friedliche Dörfer dahinstürmen sehen. Bomben werden auf zivile Ziele abgeworfen. Doch Hemingway lässt seine Zuhörer wissen, dies sei nicht das wahre Deutschland. Ich grüße diese [wahren] Deutschen und verfluche die anderen, die in den Junkers sitzen, samt denen, die die feigen Bombenschmeißer da unten hingeschickt haben.

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Auf zwei Seiten druckt Die Weltbühne Ernest Hemingways Rede an das deutsche Volk. Foto: Archiv Dr. Stock.

Hemingways Rede an das deutsche Volk, so zutreffend und forsch ihr Inhalt ist, besitzt eine unüberhörbare Schwachstelle: Sie stammt nicht von Ernest Hemingway. Denn dieser überhöhte Polit-Pathos gehört nicht zu seinem Duktus. Genauso wenig wie ein Amerikaner eine so abgedroschene Phrase nutzen würde, um die Unterdrückung der Meinungsfreiheit in einer Diktatur zu umschreiben: Keiner soll mehr reden dürfen, wie ihm der Schnabel gewachsen ist? Eine solche Redewendung existiert in der angelsächsischen Sprache nicht, dieser burschikose Zungenschlag entstammt nicht dem Schnabel von Ernesto. Die Feder muss ein anderer geführt haben, aus Propaganda-Gründen ist sie als Opus des berühmten US-Autors verkauft worden.

Am Drehbuch zum Spanien-Film The Spanish Earth lässt sich hingegen erkennen, wie Ernest Hemingway in Wirklichkeit stilistisch vorgeht. Über einzelne Menschen und über individuelle Schicksale. Der Mann aus Chicago erzählt Geschichten und beschreibt, was er zu Augen bekommt. Gefühle und Empfindungen verbirgt er stets unter der Oberfläche. Die doktrinäre Pathetik, die linken Autoren so in Fleisch und Blut liegt, bleibt Ernest ein Leben lang fremd.

Doch wer ist der tatsächliche Autor dieser Rede? Ein Hinweis hält der Text bereit, wo im vorletzten Abschnitt das Bataillon Thälmann der Internationalen Brigaden erwähnt wird. Es wird ein Loblied gesungen auf die tapferen Brigadisten, die aufopferungsvoll kämpfen und nach gewonnener Schlacht die Einheimischen verpflegen. Sie machten gut, was die Junkers schlecht gemacht hatten.

Für Propaganda beim Thälmann-Bataillon ist der Schriftsteller Gustav Regler zuständig. Aus Überzeugung nimmt der Saarländer, wie viele andere republikanisch oder links eingestellte Intellektuelle, am Bürgerkrieg in Spanien teil. Er wird Politischer Kommissar innerhalb der XII Brigade, dort sind im Thälmann Bataillon die deutschen Freiwilligen organisiert.

Während des Krieges freunden sich der Amerikaner und der Saarländer an. Gustav Regler arbeitet Hemingway zu bei dessen Lieblingsprojekt The Spanish Earth, einem internationalen Kinofilm für die Sache der Republik. Ernest erwähnt darin den Deutschen namentlich mit Stolz und Enthusiasmus. 

Gustav Regler beteiligt sich – im Gegensatz zu Hemingway – aktiv an den Kampfhandlungen, er schreibt aus nächster Nähe über die Schlachten im spanischen Hinterland. Seine Tagebuchaufzeichnungen fließen ein in seinen Roman über den Bürgerkrieg, der 1940 in der englischen Fassung als The Great Crusade erscheint, mit einem Vorwort seines Freundes Ernest versehen. Der Saarländer besucht den Amerikaner später dann in den USA, in Key West. 

Vom Stil her passt die Rede an das deutsche Volk nicht zu Ernest Hemingway, ich tippe auf

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Ernest Hemingways Handwerk – ein spektakuläres Interview in ‚The Paris Review‘

Ernest Hemingway
Die legendäre Paris Review. In der Nummer 18, im April 1958, wird ein ausführliches Interview mit Ernest Hemingway veröffentlicht. So grandios, wie sonst nirgends.

Das beste Interview mit Ernest Hemingway findet man in der Paris Review. In diesem US-Magazin verrät ein Autor in heiterer Laune, was ihm für sein Schreiben wichtig und existenziell scheint. Der amerikanische Nobelpreisträger, der auf Kuba lebt, gibt selten Interviews. Das Räsonieren und gelehrt daher reden liegt ihm nicht. Schon gar nicht will er über seine Bücher diskutieren.

Für die Paris Review macht er eine Ausnahme. Das lange Gespräch mit ihm führt Chefredakteur George Plimpton, die Zeitschrift wird es in der Nummer 18, im Frühjahr 1958, veröffentlichen. In dem tief schürfenden Gedankenaustausch, der Anfang März auf Finca Vigía stattfindet, verrät der bärtige Schriftsteller seine Techniken und Angewohnheiten, die Stil und Prosa zu Gute kommen. 

Wenn ich an einem Buch oder an einer Geschichte arbeite, dann fange ich jeden Morgen nach Tagesanbruch an, so früh wie möglich. Niemand ist da, der einen stört, und es ist frisch und kühl, und man geht mit Tatkraft ans Werk. Zuerst lese ich, was ich gestern geschrieben habe. Denn ich höre immer dann auf, wenn ich mich noch im Schreibfluss befinde und weiß, wie es weitergehen soll. An das gestrige Pensum knüpfe ich dann an. Ich schreibe solange, wie die Energie reicht und ich den Fortgang der Handlung im Kopf behalte. Sodann schließe ich mein Tagespensum ab mit der Vorfreude auf morgen. Und am nächsten Tag lege ich dann wieder los. 

George Plimpton besucht Ernest Hemingways auf Kuba und beschreibt sein Anwesen in San Francisco de Paula, mit scharfem Blick auf die Arbeitsnische im Schlafzimmer. Die vollgestopften Bücherregale, den übervollen Schreibtisch mit Zeitungen, Manuskripten und den Stapeln Papiere. 

Le mot juste – die richtigen Worte finden

Plimpton fragt, wie viel er denn umschreiben müsse. Es kommt darauf an, antwortet Ernest Hemingway. Ich habe das Ende von ‚In einem andern Land‘ oft umgeschrieben. Die letzte Seite neununddreißigmal, bevor ich zufrieden gewesen bin. ‚Worin lag das Problem‘, fragt der Interviewer. Die richtigen Worte zu finden, antwortet Hemingway knapp. Le mot juste, so umschreibt die französische Literaturwissenschaft den Anspruch an das treffende Wort. An den millimetergenau passenden Begriff. Und auch Hemingway gibt sich nicht zufrieden, bis er das vollkommene Wort gefunden hat.

Mit offenen Fragen kitzelt George Plimpton einiges aus Ernesto heraus. Der Journalist aus New York ist ein Profi, zumal er als Chefredakteur von 1953 bis zu seinem Tod im September 2003 die Geschicke der Zeitschrift lenkt. Der Nobelpreisträger, in beschwingter Stimmung, redet frei heraus. Wer denn seine Vorbilder seien?

Mark Twain, Flaubert, Stendhal, Bach, Turgenjew, Tolstoi, Dostojewski, Tschechow, Andrew Marvell, John Donne, Maupassant, der gute Kipling, Thoreau, Captain Marryat, Shakespeare, Mozart, Quevedo, Dante, Virgil, Tintoretto, Hieronymus Bosch, Brueghel, Patinir, Goya, Giotto, Cézanne, Van Gogh, Gauguin, San Juan de la Cruz, Góngora – ich bräuchte einen Tag, damit mir jeder in den Sinn kommt.

Bei der Aufzählung überrascht, dass die Liste sich nicht nur auf Literaten beschränkt. Auch Maler und Komponisten befinden sich darunter. Dies bedarf einer Erläuterung.

Ich habe auch Maler genannt, weil ich von den Malern genauso viel über das Schreiben gelernt habe wie von Schriftstellern. Sie werden fragen, in welcher Hinsicht? Das würde einen weiteren Tag der Erklärung erfordern. Ich denke, was man auch von Komponisten und aus dem Studium der Harmonielehre und des Kontrapunkts lernen kann, ist klar und deutlich.

Die Paris Review wird 1953 in der französischen Hauptstadt von einer Gruppe enthusiastischer US-Literaten gegründet. Die Zeitschrift fördert und veröffentlicht etablierte als auch junge Autoren, vorwiegend aus dem angelsächsischen Sprachraum. Die Mission der heute vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift besteht darin, die Entwicklung kreativer Menschen, seien es Schriftsteller oder andere Künstler, zu fördern. In über sieben Jahrzehnten hat das Magazin viel zur öffentlichen Wertschätzung in Literatur und Grafik beigetragen. Als Mäzen des Literaturmagazins wirkte in den Anfangsjahre der steinreiche Aga Khan, der die Finanzierung sicherte. Der Multimillionär übernahm die Rolle des Verlegers für 23 Jahre.

Mit den Augen schreiben

Wie sein Handwerk funktioniere, fragt Plimpton. Ich glaube, es für einen Schriftsteller schwierig, darüber zu sprechen, wie er schreibt. Ich schreibe, um vom Auge gelesen zu werden. Über diesen Sachverhalt sollte keine weitere Erklärung nötig sein. Wenn sie mit den Augen schreiben, können sie sicher sein, dass die Prosa mehr enthält, als man beim ersten Lesen erkennen wird.

Rasch findet die Paris Review Anerkennung in der englischsprachigen Literaturszene. Der Erfolg hängt vor allem mit George Plimpton zusammen. Er macht die Zeitschrift zu seinem Lebenswerk. „I would give up my own writing before I would give up editing The Paris Review“. Der Chefredakteur ist ein Spitzenkönner in der Liga der Literaturkritik. Ob Hemingway andere Autoren als Konkurrenten sehe?

Noch nie. Früher habe ich versucht, besser zu schreiben als der eine oder andere bereits verstorbene Autor, von dessen Prosa ich beeindruckt gewesen bin. Seit geraumer Zeit versuche ich einfach, so gut zu schreiben, wie ich kann. Manchmal habe ich Glück und schreibe besser, als ich es kann.

Seit der ersten Ausgabe wird die Paris Review gerühmt für ihre Art of Fiction-Interviews, in denen zeitgenössische Schriftsteller über ihre Handwerkskunst sprechen. Diese Gespräche mit Autoren werden von den Lesern verschlungen. Von Ersterscheinen im Jahr 1953 bis zum Frühjahr 2025 wurden über alle Ausgaben des Magazins hinweg weit über 450 Autoren interviewt, viele von ihnen gelten heute als moderne Klassiker. „Kommen Ihnen die Buchtitel, während Sie an der Geschichte arbeiten?“, fragt George Plimpton den Nobelpreisträger von 1954.

Nein. Ich erstelle eine Liste mit Titeln, erst nachdem ich die Erzählung oder den Roman fertiggestellt habe. Bisweilen stehen auf der Liste bis zu hundert Vorschläge. Dann fange ich an, zu streichen. Manchmal streiche ich alle.

Das Interview macht Ernest Hemingway sichtlich Freude. Kluge Fragen, kluge Antworten. Hier ist sein Leben und seine Berufung drin. Der Schriftsteller mit dem ergrauten Bart wird in seinem kubanischen Refugium herausgefordert. Nicht zuletzt, auch über sich nachzudenken. Wir schreiben das Jahr 1958, der Korridor bis zu seinem Tod ist nicht arg lang. Er spürt es. Der Gedankenaustausch scheint wie der Rückblick auf ein großes Literatenleben. Möglicherweise redet hier ein Mensch von seinem literarischen Vermächtnis. Auf jeden Fall bietet das Gespräch die eine oder andere Anregung für die nachfolgenden Generationen.

Schreiben wie beim Blick auf einen Eisberg

Für Ernest Hemingway ist das Beobachten die Königsdisziplin eines Autors. Wenn ein Schriftsteller aufhört zu beobachten, ist er am Ende. Er darf jedoch weder einseitig beobachten, noch an das Ergebnis denken. (…) Ich versuche, nach dem Prinzip des Eisbergs zu schreiben. Auf jeden sichtbaren Teil kommen sieben Achtel unter Wasser. All ihr Wissen sollten Sie weglassen, es wird dadurch den Eisberg stärken. Ihre Kenntnis wird zum Anteil, der nicht sichtbar ist.

Plimpton berichtet davon, wie Hemingway seinen täglichen Fortschritt festhält, auf einer großen Tabelle, die er aus der Seite eines Kartons gebastelt hat und an der Wand unter der Trophäe eines Gazellenkopfes aufgehängt hat. Die Zahlen mit dem täglichen Wortausstoß variieren bei 450, 575, 462, 1.250 und 512. Eine höhere Produktivität entlastet das schlechte Gewissen, der kernige Naturbursche kann den nächsten Tag unbeschwert mit dem Angeln im Golfstrom verbringen. Doch Obacht: Bei allen Zahlen, Ausführlichkeit ist nicht Hemingways Ziel, im Gegenteil. Die gerade mal hundert Seiten von Der alte Mann und das Meer zeigen es beispielhaft auf.

‚Der alte Mann und das Meer‘ hätte ich auch über tausend Seiten lang schreiben können. Ich hätte jede Figur des Dorfes entwerfen und ihren Alltag beschreiben können. Wie die Fischer ihren Lebensunterhalt verdienen, wie ihre Kindheit verlaufen ist, die Erziehung, ob sie Kinder haben, und so weiter. Das können manche Autoren hervorragend. Ich jedoch habe ein anderes Konzept verfolgt. Zunächst habe ich versucht, alles auszusondern, was den Leser von der Kernhandlung ablenkt. Mit dem Ziel, dass ich Unmittelbarkeit schaffe. Alles soll der eigenen Phantasie des Lesers dienen und so erscheinen, als habe sich alles tatsächlich so zugetragen. Das ist eine verdammt schwere Übung gewesen, ich habe hart daran gearbeitet.

Solche Gespräche für die The Paris Review können mehrere Stunden dauern, häufig treffen sich die Interview-Partner auch zu Gesprächsrunden an verschiedenen Tagen. Für die Veröffentlichung des Interviews mit Ernest Hemingway räumt die Zeitschrift 21 Seiten frei.

Ein Scheiße-Sensor als Alarm-Sirene

„Was braucht ein Schriftsteller“, fragt George Plimpton harmlos. Die wichtigste Voraussetzung für einen guten Schriftsteller ist ein eingebauter, stoßfester Scheiße-Sensor. Dies ist die Alarm-Sirene eines Autors und alle großen Schriftsteller haben ihn.

Was ihn antreibt, will George Plimpton zu Ende des Gesprächs aus dem Jahrhundert-Autor heraus kitzeln.

Von allem was geschieht und mit all deiner Erfahrung und Kreativität erzeugst du eine neue Wirklichkeit. Du machst alles lebendig, und wenn du gut genug bist, dann machst du diese neue Wirklichkeit unsterblich. Deshalb schreibe ich, aus keinem anderen Grund. 

Unsterblichkeit als Ziel. Mit seinen Büchern. Wie könnte es anders sein? Doch was bedrückt ihn

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Ernest Hemingway und Leni Riefenstahl

Ernest Hemingways Kaleidoskop aus Afrika. Ein eher misslungenes Werk des späteren Nobelpreisträgers.

Ende Oktober 1935 veröffentlicht Ernest Hemingway sein Buch Green Hills of Africa. Darin verarbeitet der bekannte und erfolgreiche Schriftsteller, er lebt mittlerweile in Key West, seine Safari-Erlebnisse aus dem Frühjahr 1934 in Tansania. Die grünen Hügel Afrikas ist ein Werk, das die Faszination des schwarzen Kontinents in den USA und weltweit in den Blickpunkt rücken wird.

Im gleichen Zeitraum hat in Deutschland die Regisseurin Leni Riefenstahl ihre Dokumentation Triumph des Willens abgedreht und geschnitten, im März 1935 wird der Film in Berlin uraufgeführt. Der Streifen ist eine nationalsozialistische Propaganda-Agitation über den Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg. Ein ziemlich übles Machwerk, manipulativ und suggestiv, das handwerklich allerdings neue Maßstäbe setzt.

Helene Riefenstahl, genannt Leni, schwingt sich mit ihren prahlerischen Filmen auf zu einer umstrittenen Person des Kulturbetriebes. Im August 1902 in Berlin geboren, wird sie in den 1930er Jahren zur führenden Regisseurin in Deutschland. Wegen ihrer innovativen Kameraperspektiven und der kreativen Schnitttechnik wird sie von vielen Fachleuten als beste ihres Fachs gesehen. Doch der Ruhm ist teuer erkauft. Eine blinde Verehrung von Adolf Hitler und des Nationalsozialismus wird ihr vorgehalten.

Auch der zweiteilige Dokumentarfilm Olympia aus dem Jahr 1938 – eine Huldigung an die Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin – wird von Kennern als ästhetisches Meisterwerk gelobt. Zugleich hinterlässt die Überhöhung des Körperkults jedoch einen schalen Nachgeschmack, doch Leni Riefenstahl stört die Nähe zur braunen Ideologie wenig. Während des Zweiten Weltkriegs filmt sie mit einem Sonderfilmtrupp den deutschen Überfall auf Polen.

In der Nachkriegszeit – sie wird von den entnazifizierenden Spruchkammern gnädig als Mitläuferin eingestuft – fällt es ihr schwer, den Anschluss zu finden. Zu sehr scheint ihr Œuvre mit dem NS-Regime verbandelt. Der irische Filmhistoriker Liam O’Leary bringt den Widerspruch von Werk und Person wunderbar auf den Punkt: „Leni Riefenstahl war ein künstlerisches Genie und ein politischer Trottel.“

Nach dem verlorenen Krieg geht ihr Blick nun in die Ferne. Ab 1956 reist die resolute Regisseurin mit der Kamera monatelang durch Schwarzafrika, sie besucht Kenia, Tansania, Uganda und den Sudan. Ihre Technik der Über-Ästhetisierung überträgt sie dabei auf schwarze Menschen, als wolle sie der Welt und wohl auch sich selbst beweisen, keine Rassistin zu sein.

Die Regisseurin verlegt sich nun auf das Fotografieren. Sie publiziert zwei Bücher über die Nuba, eine afrikanische Volksgruppe, die im Süden des Sudan lebt. Die Berlinerin bleibt sich treu. Auch auf ihren Fotos aus der Savanne finden sich formvollendetes Ebenmaß und stilvolle Grazie. Sie gibt sich arglos, ihr Ziel sei bloß, „dem Ungewöhnlichen und dem Schönen nachzujagen.“

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Eine Ästhetik der Schönheit. Die Nuba im Südsudan.

Angeregt zu ihrer afrikanischen Leidenschaft wird Leni Riefenstahl durch den Amerikaner Ernest Hemingway. In einer schlaflosen Nacht, so erzählt sie, nimmt sie Die grünen Hügel Afrikas zur Hand und wird sogleich ergriffen von der Faszination eines Fleckens, „wo man freier atmen und glücklicher sein konnte.“ Von Hemingways Buch, es ist 1954 in Deutschland verlegt worden, wird sie derart inspiriert, dass ihre Sehnsucht fortan dem schwarzen Kontinent gilt.

Ähnlich wie der Schriftsteller wird Riefenstahl sofort überwältigt von der Kraft der tropischen Natur. „Als ich in Afrika war, dieser Schimmer, dieses Licht, die Wärme, die Hitze und die Farbenpracht, all das, was ich in Afrika vorfand, war so verschieden von den Eindrücken in Europa, all das faszinierte mich tief. Es erinnerte mich an die impressionistischen Maler, an Manet, Monet und Cézanne.“

Freilich gibt es einen Unterschied zwischen dem afrikanischen Werk von Hemingway und dem von Leni Riefenstahl. Die eher diffusen Schilderungen von wilden Tieren, der Jagd und dem Töten und Saufen gehören

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Der schönste Hemingway-Satz: Glücksbringer

„Als Glücksbringer hattest du eine Rosskastanie und eine Hasenpfote in deiner rechten Tasche. Das Fell der Hasenpfote war schon seit langem abgewetzt.
Ernest Hemingway:
Paris – Ein Fest fürs Leben
„Als Glücksbringer hattest du eine Rosskastanie und eine Hasenpfote in deiner rechten Tasche. Das Fell der Hasenpfote war schon seit langem abgewetzt, die Knochen und Sehnen blank gescheuert. Und du wusstest, wenn die Krallen am Futter deiner Tasche kratzten, war dein Glück noch da.“
Ernest Hemingway: Paris – Ein Fest fürs Leben

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Die Bars und Restaurants als Vorhalle zum Paradies

Café de Flore, Paris
Das Café de Flore. Das Basislager der Künstlerwelt in Paris. Foto: W. Stock, 2022.

Als Ernest Hemingway im Winter 1921 in Paris ankommt, da tritt er ein in eine für ihn fremde Welt. Aus Oak Park stammend, einem bigotten Vorort von Chicago, mit den Sonntagskonzerten, dem Kirchgang und dem biederen Alltagstrott, wird er aus dem Mittleren Westen der USA mit einem Mal hineingeschmissen in einen aufregenden Kosmos.

Eine solche Kultur rund um die Bars und Kaffeehäuser mag es in Paris und Wien geben, nicht jedoch im calvinistisch geprägten Chicago. Und schon gar nicht in den rechtschaffenen Vorstädten mit ihren hausbackenen Gepflogenheiten. Ganz anders Paris. Das Leben spielt sich ab in den Bars rund um den Boulevard Montparnasse, wo sich die Künstler tummeln, wo Revolutionäre Schach spielen und die Bohemiens aller Ausprägungen gesehen und gehört werden wollen.

Schnell beginnt Ernest Hemingway zu begreifen, welche Mission die Bars und Restaurants in diesem Wahnsinn erfüllen. Die Closerie des Lilas, das Café de Flore, das Le Dôme oder das Le Select. Diese Schauplätze umweht ein Geheimnis. Denn es sind nicht nur Örtlichkeiten zum Trinken und Essen. Es sind ebenso Wirkungsstätte zum in sich kehren und zum Kraft tanken. Ein Basislager des suchenden Menschen, um seine Mitte zu finden und seine Rolle im kleinen Leben.

Irgendwie scheinen es heilige Orte, die Zuflucht gewähren und Zuversicht ausstrahlen. Im Grunde sind es sakrale Stätten wie die Kirchen und Kapellen in seiner Heimat. Schutzorte und notwendige Stützpunkte in stürmischen Zeiten. Unantastbare Plätze. Viele dieser Lokalitäten sehen deshalb heute so aus wie damals.

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Wie eine Gedenktafel im Kirchenhaus. Das Café de Flore vergisst die Seinen nicht. In Dankbarkeit. Foto: W. Stock, 2022.

Eine Bar steht – pars pro toto – für die entsprechende Stadt. Die Close für Paris und das Café Iruña für Pamplona. Doch wie so oft bei Hemingway, man muss mental einen zusätzlichen Schritt wagen. Die Bars stehen auch für Lebensfreude und Erleuchtung. Im Grunde genommen postieren sie sich als Platzhalter für das Paradies.

Man beachte, wie Ernesto die Akteure seiner Erzählungen skizziert. Barbesitzer verteilen das Manna und den Wein, erhalten mitunter eine gottähnliche Aura. Barkeeper missionieren wie Petrus, bei ihnen wird gebeichtet und gebetet. Selbst die Kellner. Sie werden von Hemingway nicht wie Dienstleister dargestellt, sondern eher wie Götterboten.

So scheinen die Bars und Restaurants wie eine Pforte zum Himmelreich. Als irdisches Gotteshaus, das nicht verbietet, sondern die Daseinsfreude feiert. Als Orte, um dem Ideal ein wenig näher zu kommen. Und auch, um sich dem

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Ernest Hemingway besucht ein Spiel des FC Bayern München in der Allianz Arena

Ernest Hemingway vor der Allianz Arena in München. Ein AI-Foto, natürlich.

Eigentlich reicht mir in unserem Zusammenleben voll und ganz menschliche Intelligenz. Soweit vorhanden. Aber gut, dann kommt in der heutigen Zeit Künstliche Intelligenz hinzu. Diese Artificial Intelligence – kurz AI genannt – bietet in der Tat erstaunliche Möglichkeiten. Da können auf Fotografien und in Filmen Tote auferstehen, Menschen ins Mittelalter gebeamt werden und propere Kerle zu faltigen Greisen mutieren.

Dann machen wir doch die Probe aufs Exempel. Ich gebe der AI den Auftrag, ein Foto von Ernest Hemingway vor der Allianz Arena in München zu erstellen. Historisch natürlich großer Nonsens. Denn der US-amerikanische Nobelautor ist zu Lebzeiten niemals in der bayerischen Hauptstadt gewesen, und die Allianz Arena ist zudem erst im Mai 2005 eröffnet worden. Und Ernesto, man weiß es, liegt seit Juli 1961 friedlich auf dem Dorffriedhof von Ketchum am Rande der Rocky Mountains.

Das Ganze ist ohne Zweifel ein Innovationssprung. Bei der Artificial Intelligence wird per Software versucht, menschliche Intelligenz und deren Resultate nachzuahmen. Zu diesem Zweck werden Algorithmen erstellt, angewendet und in einer lernenden Computing-Landschaft neu entworfen. Wie ist das Ergebnis?

Nun, als reine Illustration durchaus reizvoll und brauchbar. Als Nachahmung der Realität jedoch arg hölzern. Der Beobachter erkennt auf den ersten Blick, hier ist nicht die Wirklichkeit am Werk, die Wirklichkeit wird bloß simuliert. Die Tatsachen werden vorgetäuscht. Also alles ein Fake.

Die Grenzen der AI erkennt man beim nächsten Auftrag. Die Künstliche Intelligenz soll Ernest mein Buch Cabo Blanco lesen lassen. Heraus kommt zwar ein lesender Hemingway und auch blickt er in die Lektüre von Cabo Blanco. Doch Cover, Titelei und Format des Werkes stimmen vorne und hinten nicht.

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Hurra! Ernest Hemingway liest mein Buch Cabo Blanco. Natürlich ein AI-Foto. Beachtlich: Der Nobelpreisträger trägt den berühmten Norweger-Pullover wie auf dem ikonischen Foto von Yousuf Karsh.

Kinderkrankheiten? Wahrscheinlich. Den dritten Versuch erspare ich allen. Als Grafik die Aufgabe: Ein Foto von Ernest Hemingway, der mit Wolfgang Stock diskutiert. Nun ja, den bärtigen Schriftsteller mag man auf dem Ausdruck erkennen. Der Gesprächspartner, also ich, sieht eher aus wie

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Ernest Hemingway. Place de la Concorde, Numéro 4. In Paris

Ernest Hemingways Bank-Quittung aus dem Jahr 1938. Die Guaranty Trust Company of New York. Mehr als nur eine Bank.

Als der amerikanische Schriftsteller mit Familie im März 1926 zum Winterurlaub im österreichischen Schruns weilt, nutzt er im Hotel Taube eine merkwürdige Meldeadresse. 4, Place de la Concorde, Paris. So schreibt sich der junge Journalist ins Gästebuch ein. Darunter setzt er den Namen seiner Frau, Hadley R. Hemingway und den des Sohnes John Hadley Nicanor Hemingway. „Zwei Jahre, fünf Monate“, hat die Wirtsfamilie Nels ergänzend dahinter gesetzt.

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In seiner Schrunser Ferien-Unterkunft Hotel Taube setzt Ernest Hemingway unter seinem Namen als Anschrift die Pariser Adresse 4 Place de la Concorde. Daneben den seltsamen chez-Zusatz: Guaranty Trust  Co. of N. Y.

Alles schön und gut. Doch an der feinen Place de la Concorde wohnt der amerikanische Korrespondent nicht. Seit Anfang Februar 1924 hat die dreiköpfige Familie eine Unterkunft in der Rue Notre-Dame-des-Champs Nummer 113 bezogen. Das Viertel mit seinen breiten Straßen und den traditionellen Stadtvillen im 6. Arrondissement ist teuer, in diesem Quartier residiert das wohlhabende Bürgertum von Paris. Die Closerie des Lilas, sein Lieblings-Café, liegt um die Ecke.

Die Anschrift Place de la Concorde Nummer 4 ist gleichwohl von anderem Kaliber. Zwischen dem Jardin des Tuileries und der Avenue des Champs-Elysées findet sich diese pickfeine Adresse. Auch der Louvre ist nicht weit weg. Sicherlich gehört die Place de la Concorde mit ihren klassizistischen Monumentalbauten zu den besten Anschriften in Paris.

Nun fällt mir in diesen Tagen die Hemingway-Quittung eines Bankhauses in die Hände, auf der wiederum die mysteriöse Adresse auftaucht. Guaranty Trust Company of New York ist eine amerikanische Bank, sie residiert just an der Place de la Concorde Nummer 4. Üblicherweise hat der Schriftsteller bei seinen Aufhalten in Paris seine Geldgeschäfte über dieses Finanzinstitut getätigt.

Zugleich hat Ernest das Bankhaus wohl auch als Postadresse verwendet. Eine ebenso pragmatische wie prestigeträchtige Maßnahme des Weltenbummlers. Früher ist es durchaus üblich gewesen, Bankadressen als Anlaufstation für persönliche Briefe und Päckchen zu nutzen. Ich kann mich noch gut an die 1970er Jahre erinnern, als ich in Indien, Mexiko und Südamerika herumturnte und die Stadtbüros des American Express als Poststelle nutzte.

Die Guaranty Trust Company of New York ist ein angestammtes Geldhaus gewesen, heute allerdings nicht mehr existent. Im Jahr 1959 ist der Guaranty Trust mit J. P. Morgan verschmolzen worden unter dem Merger-Namen Morgan Guaranty Trust Company. Später erfolgt dann eine Fusion mit der Chase Manhattan Bank.

Meiner Quittung zufolge hat Ernest Hemingway am 6. Mai 1938 bei dieser Geschäftsbank zwei Schecks eingezahlt. Der eine über den Betrag von 200 Dollar, der andere in der Höhe von 188,68 Dollar. Eine Menge Geld damals, dieser Gesamtbetrag von 388,68 Dollar, wir schreiben das Jahr 1938. Heutiger Kaufkraft entsprechend macht dies rund 8.500 Dollar aus.

Wir schreiben den 6. Mai 1938. Der damals bereits berühmte Reporter befindet sich auf dem Sprung nach Valencia und Madrid, wo er über den Bürgerkrieg berichten will. Am 16. Mai ist er wieder in Paris. Da besucht er Sylvia Beach in ihrer Buchhandlung Shakespeare & Company, wo beide über den Krieg in Spanien diskutieren. Ende Mai fährt Hemingway dann mit der Normandie zurück nach New York.

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In Paris – Ein Fest fürs Leben erwähnt Ernest Hemingway den Guaranty Trust. Er zahlt dort seinen Wettgewinn vom Pferderennen ein.

Den Guaranty Trust hat Ernest in Paris – Ein Fest fürs Leben in einer kurzen Passage erwähnt. Dort ruft er sich seine schöne Zeit in der französischen Hauptstadt ins Gedächtnis. Manche Beobachter sehen den Autor am 6. Mai jedoch

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Der schönste Hemingway-Satz: Ein schöner Gedanke

Ich legte einen Arm um sie, und sie schmiegte sich behaglich an mich. Es war sehr heiß und hell, und die Häuser waren grellweiß. Wir bogen auf die Gran Vía ein.“ Ach, Jake“, sagte Brett, „wir hätten so eine verdammt gute Zeit miteinander haben können.“ Vor uns regelte ein berittener Polizist in Khaki-Uniform den Verkehr. Er hob seinen Stock. Der Wagen bremste scharf und warf Brett gegen mich. „Ja“, sagte ich. „Ist das kein schöner Gedanke?“

Ernest Hemingway: Fiesta, 1926

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