
Unlängst im Café Mateika auf Sylt auf Ernesto gestoßen. Eggs Hemingway steht in dem feinen Kaffeehaus auf der Speisekarte. Es ist kein Einzelfall, in den Szene-Cafés landauf, landab veredelt diese Variation der Eggs Benedict jedes Angebot. Damit mausert sich Ernest Hemingway, der seit fast 65 Jahren friedlich auf dem Dorffriedhof von Ketchum liegt, zum Bestandteil einer hippen Frühstücks- und Brunch-Kultur. Aus den USA schwappt dieser Trend mehr und mehr zu uns nach Europa. Inklusive Eggs Hemingway.
Die ursprünglichen Eggs Benedict sind in den 1860er Jahren in New York erfunden worden. Diese Eierspeise ist wohl nach dem Börsenmakler Lemuel Benedict benannt, der das Gericht als Katerfrühstück im Waldorf Astoria bestellt haben soll. Eggs Benedict, in unsrer Zeit ein bekanntes amerikanisches Frühstücksgericht, besteht aus einem englischen Muffin, Schinken, pochiertem Ei und Sauce Hollandaise.
Weltweit findet man die Eierspeise in zahlreichen Variationen. Das Gericht bietet sich für Anreicherungen und Austausch geradezu an. Der Fantasie werden keine Grenzen gesetzt. Mit Tomatenscheiben, dazu Bacon, mit Spinat oder Artischocken. Auch mit Toast, Zwieback oder Biskuits statt der Muffins. In Mexiko kann man die Huevos Benedict mit Avocado anstelle von Schinken und mit hochscharfer Salsa entdecken.
Doch was hat Ernest Hemingway mit diesen Eiern zu tun? Eggs Hemingway, auch bekannt als Eggs Atlantic, Eggs Copenhagen oder Eggs Royale, ist eine solche Abwandlung der Eggs Benedict. Bei der hemingway’schen Variation wird der Schinken durch Räucherlachs ersetzt. Diese fischige Spielart ist besonders in Ländern wie Großbritannien, Kanada und Australien beliebt. Kein Top-Hotel kommt ohne dieses Gericht aus.
Eggs Hemingway sind nach dem bärtigen Autor benannt, da er – mit maritimem Wohnsitz Key West und später Kuba – eine Vorliebe für geräucherten Fisch gehabt haben soll. Zusätzlich geht die Fama um, der Nobelpreisträger von 1954 habe eine Abneigung gegen Schinken an den Tag gelegt. Stattdessen habe er den proteinreichen Lachs als Ergänzung zu den pochierten Eiern und der Sauce Hollandaise bevorzugt.
Wie so oft bei kommerziellen Auswüchsen in Sachen Ernst Hemingway gibt es weder Beispiele noch Belege für diese Legende. Gleichermaßen bin ich in 40 Jahren Forschung keiner diesbezüglichen Animosität Ernestos begegnet. Schinken-Aversion? Kann sein, vielleicht auch nicht. Der Löwenanteil an dieser ganzen Eier-Geschichte liegt vermutlich in schlauem Marketing.
Ein paar Werbeleute haben wohl gemeint, es passe halt verdammt gut zum kernigen Image des Schriftstellers. Eggs Hemingway zu bestellen, hört sich auf jeden Fall cooler an, als wenn man dem Kellner Eggs Atlantic zurufen würde. Denn der Gast outet sich hiermit als Mann oder Frau von Welt. Und in diesem Punkt haben die Marketing-Fritzen ja recht. Das Gericht wird als Eggs Hemingway kulinarisch, vor allem aber semantisch auf eine neue Stufe gehoben.
Vielleicht ist das Entzücken in Sachen Eggs Hemingway ja für den einen oder anderen