Stanford Universität

Lomita und Lagunita. Stanford University, Palo Alto/Kalifornien Photo by W. Stock

Direkt nach der High School fängt Ernest Hemingway als Lokalreporter bei einem Regionalblatt an, beim Kansas City Star, da ist er gerade Achtzehn. Auch später wird Hemingway nicht studieren, er zählt zu den Nobelpreisträgern, die keine Universität von innen gesehen haben. Scheinbar ist der junge Kerl ein Naturtalent. Oder nicht?

Zur akademischen Welt hält der Schriftsteller zeitlebens spürbare Distanz. Obwohl er einer gutbürgerlichen Familie entstammt, der Vater ist Arzt in Chicago, zieht es ihn nicht hin zu hoher formaler Bildung. Die Feuilletonisten der New York Times verachtet er, ihn ödet das Geschwätz all dieser Schreibtisch-Schreiber an. Sicher, du kannst auch aus Büchern lernen oder auf der Schulbank. Aber um das Leben richtig zu begreifen, musst du hinaus in die Welt.

Ein guter Journalist oder ein erfolgreicher Autor muss sich umschauen und zu den Menschen gehen. Man könne nur richtig begreifen, was man mit eigenen Augen gesehen hat. Ich schreibe nur über das, was ich kenne, und deshalb schreibe ich ehrlich. Bücher sollten von den Leuten handeln, die du kennst, die du liebst oder hasst, nicht von Leuten, die du erst studierst.

Dieser Kraftbolzen Ernest Hemingway braucht das Leben, keine Universität. Ich glaube nicht an Bildung, an Wissen ja. Hemingway benötigt keine Theorien und auch wenig Reflexion. Ihm genügt vollends die Entdeckung und Erkundung. Deshalb reist Hemingway viel, anstatt wie andere den Globus nur zu drehen. Und er taucht tief ein in sein Gastland, er lässt sich fallen in die Exotik.

Man muss der Ehrlichkeit halber anmerken, dass die Akademisierung des Journalismus ein neueres Phänomen ist. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts wird man Journalist nicht durch Lernen, sondern durch Machen. Journalistenschule? Unbekannt. Studium an der Universität? Für dieses Gewerbe doch nicht! Mark Twain, Hemingways großes Vorbild, jobbt als Goldgräber und Mississippi-Bootsmann, viele Journalisten besitzen noch nicht einmal Abitur.

Die damaligen Verleger und Chefredakteure setzen andere Maßstäbe. Der Journalismus als eine akademisierte Profession ist eine Auswirkung der Bildungsexplosion in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Generation, die um den Zweiten Weltkrieg aufgewachsen ist, hat oft kein Studium absolviert. Erst ab 1970 verschiebt sich die Messlatte merkbar.

Ernest Hemingway jedenfalls entstammt noch der old school. Es gilt die Devise „Machen statt Denken“ und „Zupacken statt Sinnieren“. Und irgendwie macht Hemingway, auch wenn ihm das nicht bewusst ist, aus der Not eine Tugend. Er hegt eine einfache Sprache und pflegt einen unkomplizierten Stil.

Und es ist ja gerade diese Kargheit der Sprache, die ihn berühmt und auch unverwechselbar macht. So zu schreiben wie James Joyce oder John Dos Passos würde er mit Sicherheit nicht schaffen. Aber das verlangt ja auch keiner von ihm.

Es wäre ja auch jammerschade, wenn Ernest Hemingway anders schreiben würde, als er es tut. Akademische Bildung hätte diesen kernigen Mann sprachlich wahrscheinlich versaut. Und vielleicht verhält es sich dann ja auch so: Ernest Hemingway ist als Schreiber so gut, gerade weil er keine Universität kennt und nicht studiert hat.

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