Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Kategorie: Hemingway – über ihn Seite 3 von 11

Bernhard Sinkel: Ernest Hemingway als Person ist mir fremd geblieben

Stacy Keach
Bernhard Sinkel
Ernest Hemingway
Bernhard Sinkel führt im Jahr 1987 die Regie in dem internationalen TV-Vierteiler Hemingway mit Stacy Keach als Ernest und Marisa Berenson als Pauline. Credit Line: Press Photo, ZDF.

Selten ist das Leben eines Schriftstellers auf Leinwand so enzyklopädisch aufgeschnürt worden. Der Regisseur Bernhard Sinkel hat sich an den Versuch gewagt und in 400 Sendeminuten das Leben des Ernest Hemingway als Person und als Autor eingefangen. Mit riesigem Aufwand wird der Vierteiler für das TV im Jahr 1987 rund um den Erdball gedreht, an Schauplätzen in sieben Ländern.

Über 35 Millionen Dollar an Budget verschlingt diese internationale Ko-Produktion, zwei Jahre Arbeit steckt der in Frankfurt am Main geborene Sinkel in Drehbuch und Regie, 21 Drehwochen werden benötigt, 60.000 Reisekilometer absolviert. Am Ende steht ein Filmepos mit viel Liebe zum Detail. Denn mit den ganzen famosen Kostümen ist es bei weitem nicht getan. Alte Zelte, alte Autos, alte Bahnhöfe – es gilt eine Welt abzubilden, deren Ausgangspunkt im Jahr 1899 liegt.

„Ich mag den Erzähler Hemingway“, verrät Bernhard Sinkel. „Seine frühen Kurzgeschichten um den Jungen Nick Adams sind großartig. Mein Lieblingsbuch ist Paris – Ein Fest fürs Leben. Weil es atmosphärisch so dicht geschrieben ist“. Und so bastelt diese aufwendige TV Mini-Serie prachtvoll an der Legende des Ernest Hemingway. Bernhard Sinkel, der ein Jahr zuvor in der Großproduktion Väter und Söhne mit Burt Lancaster und Bruno Ganz seine Erzählstärke unter Beweis gestellt hat, liefert mit Hemingway sein internationales Meisterstück ab.

Das erste Problem, das es bei einem solch bunten Leben zu lösen gilt: Wie strukturiert man die reichen Lebenslinien des Ernest Hemingway? Schlauerweise unterteilt Sinkel in einer Kleeblatt-Dramaturgie das Wirken des Autors nach seinen vier Ehefrauen. Teil 1 spielt mit Hadley in Paris, Teil 2 mit Pauline in Key West, in Teil 3 mischt Ernest mit Martha mit im Spanischen Bürgerkrieg und in Teil 4 lebt er mit Mary auf Kuba, später in Ketchum.

„Ich bin stolz auf den Film“, meint Bernhard Sinkel, „ein Autor macht sein Leben zu einem Kunstwerk. Das hat mich gereizt.“ Als Person sei ihm Hemingway irgendwie fremd geblieben. „Ich bin keiner, der das nächste Gewehr schnappt und ein Kaninchen totschießt.“ Aber vielleicht sei diese Distanz als Regisseur gar nicht mal schlecht, sie bewahre vor falscher Glorifizierung.

Ein solches Filmprojekt bleibe ein Kraftakt, erzählt Bernhard Sinkel. Da müssen Löwen bei strengstem Tierschutz tot umfallen oder Bullen eigens für den Film durch Pamplona gejagt werden. Die Welt des Ernest Hemingway höre nicht auf die Kommandos der Regie. Die zahlreichen Tierszenen, die Hahnenkämpfe, die Jagd nach dem Marlin, die Haie, die Kriegsszenen, der Spanische Bürgerkrieg, das Drehen auf dem Wasser, der freie Horizont – das alles seien knifflige Aufgaben für die Kamera.

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In München haben sich Bernhard Sinkel und Hemingways Welt zu einem ausführlichen Gespräch getroffen. Foto: W. Stock, Mai 2023.

Heute wohnt Bernhard Sinkel in einem hübschen Haus in Schwabing. Nach Hemingway hat er sich vom Film entfernt, hat sich als Opernregisseur und Buchautor einen Namen gemacht. Jemand, der die 80 überschritten hat, darf ruhig ein wenig tiefstapeln. Der Besucher bringt die Erfolge in Erinnerung: Ernst-Lubitsch-Preisträger, Kinofilme wie Lina Braake oder Berlinger, Filmbänder in Silber und Gold en masse, internationale Produktionen. Und eben Hemingway. Diese Leistung, ein Bravourstück sondergleichen, wird bleiben. 

Vor allem, weil es dem Film gelingt, betörende Bilder einzufangen. Von Paris, den Stierkämpfen, von Key West, aus Afrika. Die Botschaft auf Zelluloid erreicht das Herz des Zuschauers: Welch ein großartiges Leben! Als Kontrast dazu setzt das Drehbuch das Drama dieser zerrissenen Persönlichkeit, das Auf und Ab mit der fatalen Hilfe von Alkohol, die Suche nach Liebe in Ehen und Seitensprüngen, dieser unheilvolle Mix aus Haudrauf, Selbstzweifel und Depression.

Ungeachtet der Omnipräsenz des Hauptdarstellers Stacy Keach und jedes Übermaß an Handlung zum Trotz, glückt es

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Kübel von Hohn und Spott über Ernest Hemingway in Deutschland

Ein Gringo auf Kuba, der gerade in Deutschland polarisiert. Grafik: Filippo Imbrighi, Roma

Wenn jemand ein solches Portal wie Hemingways Welt über zehn Jahre betreibt, dann erhält man zu seinem Protagonisten ein Feedback der unterschiedlichsten Art. Jede Menge des Zuspruchs zur Person, viel Sympathie und ein neugieriges Interesse an Werk und Eigenart des Nobelpreisträgers von 1954.

Allerdings auch das glatte Gegenteil: schroffe Ablehnung und Stürme der Abscheu gegen den bärtigen Mann aus Oak Park in Chicago. Nicht nur gesittete Kritik, sondern hier und da auch ein paar Schläge unter die Gürtellinie.

An dieser Stelle möchte ich ein paar wenig charmante Charakterisierungen aus Leserzuschriften zusammentragen, die im Laufe der Zeit bei Hemingways Welt so eingetrudelt sind. Liebenswürdig klingt irgendwie anders. Der US-Amerikaner, der auf Kuba lebte, muss in Deutschland eine breite Schulter ausfahren.

Er sei ein Großmaul, Hemingways Welt ergehe sich in einer endlosen Kakophonie der Beweihräucherung. Kollege Borges hätte ihm alle Zähne ausschlagen sollen. Dieser Hemingway sei zum Fremdschämen.

Und es geht lustig weiter: Hemingway sei ein

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Ernest Hemingway und die Faszination für das Meer

Die spanische Ausgabe von Der alte Mann und das Meer. Erschienen 1952. El Viejo y el Mar.

So gut wie jede Station im Leben des Ernest Hemingway hat mit dem Meer zu tun. Das Veneto, Südfrankreich, Andalusien, Key West und vor allem Cojímar. Seine schönste Erzählung führt das Meer gar im Titel. Wenn er mit der Pilar hinausfährt, wirkt er unbeschwert wie ein Kind. Als er das Meer verlässt und in die Berge zieht, ein Jahr vor seinem Tod, da verglimmt eine Helligkeit in ihm. 

Das Meer steht für die Urgewalt der Erde überhaupt. Das unendliche Wasser ist Ausgang und Ende menschlichen Lebens. Das Leben hat sich aus dem Meer gerobbt, und das Meer nimmt das Leben wieder auf. Voy al mar, sagen alte Spanier, des Lebens müde, ich gehe nun zum Meer. Es ist gleichbedeutend mit der Botschaft, dass es nun zu Ende geht, mit diesem Erdenbürger.

All die imposanten Werke der Natur bilden der Rahmen für das Lebens. Mit dem weiten Meer als Glanzstück der Schöpfung. Gerade das Meer besitzt eine Allgewalt, die gewaltiger ist als alles andere. Gewaltiger als der Mensch sowieso. Wie ein fein arrangiertes Wunderwerk verfügt es über eine wundersame Art des Gebens und Nehmens. Obwohl all die Flüsse zuströmen, läuft das Meer nicht über, ebenso wenig wie es leerlaufen kann.

Für die Menschheit bedeutet das Meer Sehnsucht und  Hoffnung. Schon im 15. Jahrhundert geht der Blick über das unbekannte Wasser. Neugier und der Willen, seinen Horizont zu erweitern, treiben den Menschen an. Als die ersten großen Migrationsströme anbrechen, ziehen die Silberstreifen der Europäer jenseits des Meeres auf, in New York oder in Buenos Aires. Bis heute verbinden sich mit der Überquerung des Meeres Hoffnung für diejenigen, die vor Krieg und Armut fliehen.

Wenn man Ernest Hemingways Prosa über das Meer aufmerksam liest, dann fällt einem die fast religiöse Aura auf, die mit den Sätzen einhergeht. Eine Sehnsucht nach dem Absoluten ist über allem zu spüren, ein tiefes Verlangen nach Erfüllung und nach Erlösung. Er selbst hält sich nicht für besonders gottesgläubig, merkwürdigerweise lesen sich manche Sätze jedoch wie Bittrufe.

Besonders am Meer wird ihm klar, dass eine Macht über ihm wirkt. Eine Macht, die stärker ist als alles andere. Und Ernest Hemingway möchte mit dieser höheren Macht in Verbindung treten, er sieht es als Aufgabe eines guten Schriftstellers. Sein Gleichnis vom einfachen Fischer auf dem Meer könnte genauso in der Bibel stehen. Ein schlichter und braver Mensch – also eigentlich wir – muss jeden Tag auf das Meer hinaus. Und er scheitert.

Jedoch wohnt diesem Scheitern eine Magie inne. Denn der Kämpfer gibt nicht auf, am nächsten Tag wird er erneut hinaus fahren in seiner kleinen Schaluppe. Und er wird wieder scheitern. Trotz allem lässt er sich seine Würde nicht nehmen. Hemingways Erzählung vom Meer, von dem alten Fischer, von dem Jungen Manolín, von dem Marlin, von den gefräßigen Haien und von den Löwen am Ufer, ist eine

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Hemingway hat uns belogen

Besucher vor der Plaza de Toros in Sevilla während der Feria. Foto: W. Stock, April 2023.

„Yo viviría en Sevilla si quitaran las plazas de toros. Hemingway me engañó cuando decía que era una muerte limpia. Es un intolerable castigo.“
Guillermo Cabrera Infante

„Ich würde in Sevilla leben, wenn sie die Stierkampfarenen abschaffen würden. Hemingway hat mich getäuscht, als er sagte, es sei ein sauberer Tod. Es ist eine

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Ernest Hemingway – Soñando del Mar

Dr. Wolfgang Stock
Hemingway y el Mar
Conil de la Frontera
Vortrag auf der Konferenz Hemingway y el Mar im spanischen Conil de la Frontera, April 2023. Foto: Joaquín Recio Martínez.

Teilnahme an der fünftägigen Konferenz Hemingway y el Mar im andalusischen Conil de la Frontera. Am ersten Kongresstag, dem 19. April 2023, hatte ich die Ehre und das Vergnügen, in der Casa de la Cultura zu diesem Themenspektrum einen Vortrag zu halten.

In der knapp einstündigen Präsentation Ernest Hemingway – Soñando del Mar befasse ich mich mit der Frage, welche Bedeutung das Meer für

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Ernest Hemingway: Macho-Mann am Ende der Träume

Der kernige Sportfischer stemmt sich gegen das Schicksal. The Fisherman, Januar 1958.

Man kann seine Person nicht von seinem Werk trennen. Dieser Mensch – ein sehr bipolarer Alpha-Mann – lebt wie eine seiner Romanfiguren und stirbt als eine von ihnen. William Faulkner, ebenfalls Nobelpreisträger, sagte damals, wahrscheinlich ein wenig neidisch: Für die wenigen, die ihn gut kannten, war er fast so viel wert wie die Bücher, die er als Mann schrieb.

Einigen Beobachtern, vor allem Frauen, kann Ernest Hemingway mit seinem gigantischen Ego manchmal abschreckend erscheinen, geradezu wie der Idealtypus eines Macho-Mannes. Kriegsberichterstatter, Frauenheld, Choleriker, Trinker – dieser Kerl tut viel für sein übles Image. Aber Vorsicht, der Mann mit dem grauen Bart ist kein Hochstapler oder Angeber.

Er hat Wunden in Hülle und Fülle erlitten, er selbst ist kein Unschuldslamm. Vielleicht versucht er, die Narben seiner Seele mit starken Sprüchen zu verbergen. Dieser Autor muss um seinen Erfolg kämpfen wie ein Löwe, nichts ist ihm vergönnt, weder in der Literatur, noch im Leben. Und der Preis, den er schließlich für seinen Weltruhm zu zahlen hat, fällt hoch aus.

Im Alltag des 1899 geborenen Mittfünfzigers ziehen seit den späten 1950er Jahren immer mehr dunkle Wolken auf. Wenn er in den Spiegel schaut, sieht er einen erschöpften Graukopf. Seine wilden Jahre liegen hinter ihm. Die üblichen Altersbeschwerden – von Diabetes über Erektionsstörungen bis hin zu Hämorrhoiden – haben ihn im Griff. Und seit Jahrzehnten schleppt er ein schlimmes Bein und einen schlimmen Rücken mit sich herum.

Seine Ehe mit Miss Mary, sie ist die vierte Mrs. Hemingway, dümpelt so vor sich hin. Oft reagiert Ernest gereizt und ausfallend, mehr als einmal ist Mary drauf und dran, ihn zu verlassen. Doch am nächsten Tag ist er

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Gabriel García Márquez über Ernest Hemingway

Gabriel García Márquez
Gabriel García Márquez, Hundert Jahre Einsamkeit.

Faulkner is a writer who has had much to do with my soul, but Hemingway is the one who had the most to do with my craft – not simply for his books, but for his astounding knowledge of the aspect of craftsmanship in the science of writing.

Gabriel García Márquez

Faulkner ist ein Schriftsteller, der viel mit meiner Seele zu tun hatte, aber Hemingway ist derjenige, der am meisten mit meinem Handwerk zu tun hatte – nicht nur wegen seiner Bücher, sondern wegen seines erstaunlichen Wissens über den Aspekt des Handwerks in der Wissenschaft des Schreibens.

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Faulkner est un écrivain qui a eu beaucoup à faire avec mon âme, mais Hemingway est celui qui a eu le plus à faire avec

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Hemingway y el Mar – ein Aufbruch in Conil de la Frontera

Conil de la Frontera 
Hemingway
Hemingway y el Mar. Im April 2023 in Conil de la Frontera.

In diesem Jahr feiert Spanien das 100. Jubiläum. Im Mai 1923 besucht der 23-jährige Korrespondent des Toronto Star zum ersten Mal das iberische Land. Madrid, Aranjuez, Sevilla, Ronda und Granada sind damals seine Ziele. Um daran zu erinnern findet ab 19. April 2023 an fünf Tagen in Conil de la Frontera, an der Südspitze Spaniens, eine in  mehrfacher Hinsicht aufschlussreiche Konferenz über Ernest Hemingway statt. 

Die Halbinsel im Südwesten Europas ist in jenen Tagen nicht wie heute ein allseits bekannter Touristenmagnet, für den Rest der Welt eher eine Terra incognita. Jenseits der Pyrenäen gingen damals die Uhren anders, der Sprung in die Moderne ließ auf sich warten. Bei Corridas oder während der Semana Santa wurden Bräuche gepflegt, die sich seit dem Mittelalter nicht groß verändert hatten.

Den Mann aus Chicago faszinierte diese retardierte Welt. In seiner Heimat schlug die Industrialisierung voll an, doch Spanien blieb ein Landstrich von Latifundistas und mittellosen Bauern, von klerikalen Bräuchen und sozialen Kämpfen. Neugierig nähert sich der junge Amerikaner dem Land und seiner eigenwilligen Kultur. Besonders die Fiestas mit ihrer überschäumenden Lebensfreude haben es ihm angetan.

Spanien wird zur Insel seines Herzens und seiner Seele. Es wird auch das letzte Land sein, an das er sich klammert, im Spätsommer 1960, einige Monate vor seinem Tod. Ein Jahr zuvor hat er die Costa de la Luz bereist, die Küste nördlich von Cádiz. Dort wird er im Juni 1959 bezaubert von der Kleinstadt Conil de la Frontera, die als letzte der weißen Städte Andalusiens am Meer endet.

Diesem Besuch zu Ehren veranstaltet die Gemeindeverwaltung von Conil diese Hemingway-Tagung, und feiert

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‚Hemingways Welt‘: eine faszinierende Reise in 500 Etappen

Hemingways Welt
Ernest Hemingway
Eine Wegmarke. 500 Artikel zu Ernest Hemingway. Und es gibt genug Material für die nächsten 500 Themen.

Ein Jubiläum steht mit dieser Veröffentlichung an: Sie lesen das 500. Posting auf hemingwayswelt.de. Eine lange und fesselnde Reise durch das Werk und das Leben des Ernest Hemingway. 500 Beiträge. Wer hätte dies beim Start vor 10 Jahren geahnt?

Es hat sich als ein Mammut-Projekt herausgestellt: Allein die Recherche ist aufwändig. Aufenthalte in Paris, Venedig und Barcelona. Feldforschungen in Andalusien, im Schwarzwald und in der Türkei. Fernreisen nach Kuba, in die USA und Peru. Der Besuch seines letzten Wohnortes Ketchum in den entlegenen Rocky Mountains.

Doch es sind nicht nur die Orte, sondern vor allem die Menschen. Das Zusammentreffen mit Zeitzeugen, die ihn noch erlebt haben. Mit Journalisten, die Ernest interviewt haben und mit Fotografen, die ihn abgelichtet haben. Dazu ein Gespräch mit Jack Hemingway, dem ältesten Sohn. Ich hatte das Glück, über die Jahre sieben, acht Frauen und Männer ausfindig zu machen, die mir von ihm aus erster Hand berichten konnten.

Und das Schöne: Hemingways Welt wird gelesen. Von 3.000 Besuchern jeden Monat, von Hemingway-Aficionados und von Literaturfreunden. Von Menschen, die zufällig auf dieses Portal stossen und von Stammlesern, die regelmäßig vorbeischauen. Der Rekord liegt bei 8.000 Besuchern an einem Tag.

Solcher Zuspruch zieht Kreise: Einladungen zu Vorträgen an Universitäten und Lesungen in Buchhandlungen trudeln ein. Lange Artikel in Tageszeitungen, Interviews in Radio und Internet. Man befindet sich auf interessanten Pfaden.

Wenn man 500 Artikel zusammen bekommt, dann zeugt dies von

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Dios mío, Hemingway!

Hemingway
Schreibmaschine
Eine Schreibmaschine, um mit dem Unergründlichen in Kontakt zu treten?
Foto: Stephen Warren.

Dios mío! Mein Gott, Hemingway!  Man will es laut in die Welt hinaus schreien. Übersetzt bedeutet dieses Dios mío! als Ruf des Erstaunens eigentlich so viel wie Ach du liebe Güte!, Um Gottes Willen! oder Allmächtiger! Damit nähern wir uns einem spannenden Thema. Wie hält es der Atheist Ernest Hemingway mit dem katholischen Glauben?

Eigentlich scheint die Sache klar, auf den ersten Blick. Der Leser staunt, wie harsch Hemingway die Religion von sich weggeschoben hat. Er hat sich lustig gemacht über Gott und den Glauben, er hat gelästert und gespottet. Doch ein ätzender Tonfall ist Indiz dafür, dass ihm etwas nahegeht. Und tatsächlich, auf den zweiten Blick stellt sich die Sache als vielschichtig heraus.

Auf Kuba, einer Insel mit einem tiefen Gottesglauben, lässt der bärtige US-Amerikaner sich für 20 Jahre nieder. Es ist schon merkwürdig, dass mit Spanien und Italien zwei erzkatholische Länder zu seinen Lieblingszielen zählen. Angetan hat es ihm vor allem das südspanische Andalusien. Ein Landstrich, der während seiner Semana Santa die Leidensgeschichte Jesu in einer religiösen Frömmigkeit zelebriert, als befänden wir uns im 16. Jahrhundert.   

Auch in seinen Werken schreibt dieser Schriftsteller andauernd von Gott. Nicht expressis verbis, er benutzt andere Begriffe. Ernest Hemingways Romane himmeln auf jeder Seite das Göttliche an. Die Berge, die Wälder, die Seen und Flüsse. Vor allem das Meer. Man braucht nur einen wachen Blick auf seine Buchtitel zu werfen.

Die Natur als die Allgewalt. Sie bildet den Rahmen des Lebens und seiner Literatur. Es fehlt dieser armen Kreatur namens Ernest Miller Hemingway lediglich ein wenig Mut. Jener Mut, die Quelle dieser überwältigenden Schöpfung zu benennen. Gott mag er nicht sagen. Er brüstet sich als Atheist und wehrt sich mit Händen und Füssen. Als Abwehr lässt er ziemlich Gotteslästerliches verlauten, nicht nur einmal.

Möglicherweise in Frontstellung zum bigotten Elternhaus, das ihm jene Demut ausgetrieben hat, die es braucht, um zu glauben. Vielleicht auch, weil seine Erziehung in Oak Park zu sehr verbunden ist mit dem calvinistischen Ethos der strebsamen Einwanderer. Oder vielleicht – es wäre die unschönste aller Erklärungen – weil dieser Egomane niemanden über sich akzeptieren will. 

Man achte auf seine Prosa. Sein Opus magnum Der alte Mann und das Meer liest sich stellenweise wie ein Kapitel aus der Bibel. Im Inhalt und vor allem im Stil. Die Erzählung handelt von dem alten Fischer Santiago und dem Marlin, von Sieg und Verlust, von Hoffnung und Enttäuschung. Wer in den Zeilen und dazwischen zu lesen vermag, der findet in dem Werk manche Botschaft jenseits des rationalen Denkens.

All das tummelt sich in dieser Novelle: Das Vaterunser, das Kraft geben soll im Kampf. Der Rosenkranz, der gebetet werden soll, um Hoffnung zu erwecken. Die Pilgerfahrt, die bei Erfolg versprochen wird. Und Jesus Christus. Dieses Buch von 100 Seiten lässt sich in Passagen lesen wie  ein Gebet an Gott. Oder sagen wir es säkularisiert: Der alte Mann und das Meer ist der Versuch einer Zwiesprache mit dem Göttlichen. Hemingway, der Grüblerische, will mit der übergeordneten Macht in Kontakt treten.

Bis zum Kern des Glaubens mag er nicht vorstoßen, da steht er sich selbst im Weg. Jedoch wimmelt es in seinen Werken nur so von religiösen Andeutungen. In der allegorischen Grundierung seiner Erzählungen finden sich

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