Das Portal zu Leben und Werk von Ernest Hemingway

Kategorie: Photographen

George Leavens fängt die Sekunde

Ernest Hemingway liest die New York Times, 1949, Finca Vigía, San Francisco de Paula, Kuba;
Photo by George Leavens

Ernest Hemingways Faible für gute Photos rührt daher, dass er als visueller Mensch durchs Leben geht. Erstaunlich für einen Autor, der sich doch eher mit der sprachlichen Abstraktion von Begebenheiten und Bildern beschäftigen sollte. Doch als der liebe Gott diesen Ernest Hemingway formte, da hat er eine schnelle Leitung vom Auge in den Bauch gelegt.

Bild zu Gefühl, so läuft das bei ihm. Die Leitung in den Kopf nutzt er auch ab und an, aber wer sich so zudröhnt wie er, der knipst an manchen Stellen auch gerne mal das Licht aus. Vom Auge in den Bauch, genauso arbeiten die Photographen, jedenfalls wenn sie gut sind und wenn auch ihre Photos gut werden sollen. Ernest mag deshalb die Zunft der Photographen, nicht nur weil sie seine Eitelkeit mästen.

Er sieht sie als Kollegen, auf Augenhöhe, als Künstler mit der gleichen Aufgabe, mit der gleichen Herausforderung und wohl auch mit den gleichen Zweifeln wie er. Viele Photographen lässt er deshalb nah an sich heran, mehr als vielleicht nötig, und auch mehr als vielleicht zuträglich. Doch oft lohnt es sich, die wirklich guten Photographen kitzeln dann noch etwas heraus aus ihm. Oder sie fangen die richtige Sekunde ein.

So wie dieser George Leavens, fast ein Kumpel, der auch auf Kuba wohnt und über die Jahre wundervolle Photos von der Insel und seinen Bewohnern geschossen hat. Ernest Hemingway mag

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Dino Jarach, Hemingways venetianisches Auge

Ernest Hemingway auf Torcello, Dezember 1948; (c) Dino Jarach

Ernest Hemingway auf Torcello, Dezember 1948; Photo by Dino Jarach

Ernest Hemingway mag diesen Italiener aus Mailand, Dino Jarach, der ihn damals im Winter 1948 in Cortina d’Ampezzo und in Venedig begleitet hat. Ernest ist verrückt nach Italien, es ist das Land seiner Träume, und er ist diesem Photographen dankbar. Warum? Weil Dino Jarachs Photos zeigen, wie er eins wird mit diesem prächtigen Land.

Am besten gefallen Hemingway die wunderbaren Photos von der Entenjagd auf Torcello. Die Photos von Dino Jarach, der sich eigentlich als Modephotograph einen Namen gemacht hat, sind so strahlend, so klar und so eingängig, dass Hemingway sie betrachtet, als seien sie sorgsam skizzierte Gemälde.

Ernest Hemingway erkennt hinter all den erstklassigen Photos von Jarach und den anderen die hohe Kunst und den Künstler. Und wie man zu schreiben hat, lernt er nicht nur von guter Literatur, sondern auch von guter Malerei und guter Photokunst.

Dino Jarach stammt aus Venedig – gibt es eine bessere Stadt um auf die Welt zu gelangen? – und ist vom Jahrgang 1914. Zwei Leidenschaften treiben den Venezianer an. Das Bergsteigen und die Photographie. Er beginnt als Journalist bei der Agentur ANSA, später gründet er seine eigene Agentur, die Interfoto. Als der Krieg ausbricht, verlässt er Venedig, schließt sich den Partisanen an und kämpft im Trentino und in Südtirol.

Nach dem Krieg werden die Filmfestspiele in Venedig und der Lido zu seinem Revier. Er entdeckt die Welt der Stars und Sternchen. Und er wird zum Photographen des Glamours: Elsa Martinelli, der Schah und Farah Dhiba, Sophia Loren, Monica Vitti, Giulietta Masina oder die Balletteuse Carla Fracci – sie alle werden fabelhaft von Dino Jarach abgelichtet.

Und dann kommt dieser Ernest Hemingway. Der große Hemingway bereist

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Ernest Hemingway, der Charakterkopf

Ernest Hemingway, Cabo Blanco, im Mai 1956; Photo by Modeste von Unruh

Ernest Hemingway,
Cabo Blanco, im Mai 1956;
Photo by Modeste von Unruh

Von Ernest Hemingway finden sich zahlreiche Portraitphotos, oft von Meistern ihres Fachs. Von Yousuf Karsh oder Alfred Eisenstaedt, um zwei ganz große zu nennen. Fesselnde Reportagephotos von Hemingway jedoch besitzen Seltenheitswert, denn der Schriftsteller lässt nur ungern Photographen mitkommen auf seine Abenteuertrips.

Die Photos der deutschen Photographin Modeste von Unruh legen ein packendes Zeugnis ab von diesem Jahrhundert-Schreiber. In ihrer deutschen Heimat wird die Hamburger Illustrierte Kristall die Photos aus dem fernen Cabo Blanco drucken, später auch der stern.

Ernest Hemingway hat zur jungen deutschen Photographin Zutrauen aufgebaut, es ist wie immer, wenn er jemanden mag. Dann öffnet er sich und spielt nicht die übliche Rolle des Raubeins und Nobel-Pudels. Hemingways Verhalten der Photographin gegenüber wirkt fast väterlich und bisweilen leicht kumpelhaft. Keineswegs distanziert oder gar macho-haft, wie sich Frau von Unruh erinnert.

Eines der schönsten Photos gelingt Modeste von Unruh an Land. Sie mag dieses Photo sehr, auch fast 60 Jahre später noch. Das Photo zeigt Ernest Hemingway im nahen Portrait, leicht von unten und von der Seite aufgenommen. Der Schriftsteller sitzt an einem Tisch, in der rechten Hand einen Kugelschreiber, und Hemingway schreibt. Das Gesicht wirkt auf den ersten Blick versunken, der konzentrierte Blick durch die rundliche Brille, die in ein feines Silber eingefasst ist, gilt dem Schreibpapier vor ihn.

Dies ist kein gestelltes Portrait, wie es so viele von dem Schriftsteller gibt, sondern ein

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Hemingway kicks a can

Mein Lieblingsphoto mit Ernest Hemingway? Nun, leichte Frage, Hemingway kicks a can. He kicks eine Dose Bier, um genau zu sein. Aufgenommen von John Bryson, am 1. Februar 1959. In Ketchum. Fabelhaftes Photo!

Das Photo wird zum ersten Mal in LIFE veröffentlicht, am 14. Juli 1961. Unter dieses Photo schreibt das Magazin: At 60 and still full of the Old Nick, Papa Hemingway booted a beer can high in the air along a Idaho road. This was, he said, “the best picture I ever had taken.”

Am 2. Juli 1961 schießt sich Ernest Hemingway in Ketchum eine Ladung Schrot ins schwermütige Hirn. Und LIFE bringt zu seinem Nachruf genau dieses Photo. Mit Brysons Schnappschuss, zwei Jahre vor seinem Tod aufgenommen, will Ernest Hemingway wohl noch einmal ein kraftvolles Lebenszeichen von sich geben. Das dynamische Wegkicken der Dose, dieser elastische Ausfallschritt, soll uns die Botschaft übermitteln, hier seht ihr keinen fast 60-Jährigen, sondern noch immer einen jungen Kerl.

John Brysons Photo wirkt auf mich auch deshalb so betörend, weil es Hemingway letzte Heimat, die Winterberge Idahos, nicht

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