Hemingways Welt

Das Portal zu Leben und Werk von Ernest Hemingway

Ernest Hemingway – der wahre Popstar unter den Autoren

Ernest Hemingway – Painting by Raúl Villarreal (1964-2019), Gainesville, Florida.

Der Mann ist ein Popstar gewesen, lange vor Yellow Press, vor den Influencern und vor Instagram. Dieser Schriftsteller konnte die Klaviatur der Medien perfekt spielen. Die berühmtesten Fotografen seiner Zeit – von Robert Capa über Alfred Eisenstaedt bis zu Yousuf Karsh – haben ihn abgelichtet. Seine weiten Reisen und das heimische Privatleben finden ausführlich auch in den Spalten der Zeitungen und Zeitschriften statt.

Dass der Spanische Bürgerkrieg zum ersten Medienkrieg überhaupt wurde, ist zu einem großen Teil ihm zu verdanken. Großartig seine Depeschen aus dem belagerten Madrid an die Leserschaft in der Heimat. Allein seine Reportage über den pfiffigen Chauffeur Hipolito, der Ernest Hemingway wohlbehalten durch das Madrider Granatengewitter kutschiert, verdient fünf Sterne: Sie können natürlich Ihr Geld auf Franco setzen, wenn Sie wollen, oder auf Mussolini oder Hitler. Ich setze auf Hipolito.

Wie kein anderer Schriftsteller ist er in der Öffentlichkeit präsent gewesen. Fleißig hat er an seinem Image gefeilt. Er hat das Fenster zu seinem Haus geöffnet, ebenso wie das Fenster zu seiner Seele. Als Abenteurer, als Schürzenjäger, als Schnapsbruder – die ganze Welt durfte teilhaben an seinen Tollheiten. Ohne Schleier und ohne Nachbesserung. So wurde sichergestellt, dass aus dem Image von damals ein Denkmal von heute wurde.

Obwohl vom Naturell den Genüssen dieser Welt zugetan, ist Ernest Hemingway Zeit seines Lebens ein fleissiger und ehrgeiziger Schreiber gewesen. Seine Werke gehören mit zum Besten, was im 20. Jahrhundert zu Papier gebracht worden ist. Von Fiesta, seinem Erstling aus dem Jahr 1926, bis zu seiner letzten zu Lebzeiten veröffentlichten Erzählung Der alte Mann und das Meer von 1952 hat dieser amerikanische Autor die Moderne mitbegründet und wie kein anderer geprägt.

Er lebt sieben wunderbare Jahre in Paris, nach einem Intermezzo in Key West, dann die längste Zeit seines Lebens in einem tropischen Refugium im Süden von Havanna. Er ist in Chicago geboren, erfährt aber erst in der Fremde seine Bodenständigkeit. Die kubanischen Fischer und Händler kennen ihn persönlich, es ist ihr Ernesto, der die Türen zu seiner Finca Vigía offen lässt. Der Literaturprofessor in Princeton und die Feuilletonisten in Manhattan allerdings müssen auf ihn verzichten.

In der Altstadt von Havanna, in seinem Wohnort San Francisco de Paula oder in Cojímar am Meer ist der bärtige Autor bekannt wie ein bunter Hund. Leicht kann er Menschen für sich gewinnen, gerade einfache und normale Männer und Frauen. Wenn der hochgewachsene Ernest Hemingway auf der Insel irgendwo auftaucht, wird er rasch von einer Menschentraube umringt. Und man hört die Kubaner laut und heiter Papa, Papa rufen. 

Dieser Ernest Hemingway ist nie ein Parteigänger der gestrengen Kultur-Elite gewesen, eine Universität hat er nie von innen gesehen. Ihm fehle die intellektuelle Tiefenschärfe, so mancher Vorwurf. Er drehe sich nur um sich. Die Probleme der Arbeiterklasse, zum Beispiel, lasse ihn kalt. Doch gerade dieser Anti-Intellektualismus hat ihn in von Alaska bis Feuerland, von Australien bis nach Italien weit über literaturgeneigte Kreise hinaus populär gemacht.

Authentizität heißt das Zauberwort. Er hat keinem etwas vorgemacht. Sein Lebenswandel hat seinem Naturell entsprochen. Sein Leben – alles in echt und alles unverfälscht. Keine Show, keine Inszenierung und keine Überhöhung. Ein Alltag ohne Schminke und Retuschen. Was ist daran verwerflich? Ein kerniger Mann springt mitten ins Leben, ins herrliche Leben. Ein Leben mit allen Fehlern, Irrungen und Wirrungen. Es ist das Holz aus dem Popstars geschnitzt sind.

Auf der einen Seite mit Leistung überzeugen, auf der anderen Seite als Mensch trotz allen Ruhms nahbar bleiben. Und wenn man dann in die Fallen hinein tapst, die so ein kleiner Mensch schnell übersieht, es macht ihn sympathisch. Sicher, zu viele

Loading

Der schlaue Hemingway-Kniff: Show – don’t tell!

Ernest Hemingway im peruanischen Cabo Blanco, April 1956.
Foto: Modeste von Unruh. Collection Dr. Stock.

Wie wird man ein wirklich guter Schreiber? Mehr als einmal ist Ernest Hemingway dies gefragt worden. Von Journalisten, von Bewunderern, von Lesern. Auch wenn er das Schreib-Credo anders nennt, so hat der Nobelpreisträger einen Hinweis als Antwort ein jedes Mal parat: Show – don’t tell!

In der Tat ist das Prinzip Show – don’t tell! ein stilistischer Kniff, den Ernest Hemingway oft anwendet und in seinen besten Werken zur Perfektion gebracht hat. Show the readers everything, tell them nothing. So umschreibt der Nobelpreisträger von 1954 seine Herangehensweise. Zeig den Lesern alles, verrate ihnen nichts.

Erzähl mir nicht, dass der Mond scheint, zeig mir das Glitzern des Lichts auf zerbrochenem Glas, meint Anton Tschechow. Dieses Schreibprinzip geht nicht auf Ernest Hemingway zurück, vielen vor ihm ist das klar gewesen. Der Amerikaner aus Chicago entpuppt sich jedoch als ein Meister in dieser Fertigkeit. 

Es ist wohl eine der wichtigsten stilistischen Grundfertigkeiten für einen Autor. Show – don’t tell! Wo liegen die Unterschiede? Ein einfaches Beispiel:

Tell: Jack ist nervös.
Show: Jack rutscht auf seinem Sitz hin und her, er schaut nach rechts und nach links. 

Show bedeutet, eine Szene sachlich und ohne Wertung zu beschreiben. Bei Show wird der Leser gezwungen, mit allen Sinnen hinzuhören und hinzusehen. Das Denken nimmt ihm keiner ab, die Interpretation der Handlung bleibt dem Leser überlassen. Das Tell-Prinzip hingegen nimmt die Deutung des Geschehens vorweg. Die Auslegung beansprucht der Autor für sich, Intelligenz und Einfühlungsvermögen des Lesers bleiben außen vor.  

Im Gespräch mit seinem Mentee Arnold Samuelson konkretisiert Ernest Hemingway seine Arbeitsweise. Das wichtigste ist, deine Augen und Ohren müssen immerfort tätig sein. Die Prosa sollte nicht aus dir kommen, sondern aus der Unterhaltung, der du lauschst. Hemingway hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er eine gute Beobachtungsgabe für die wichtigste Eigenschaft eines Schriftstellers hält.

Mit Show kann ein Schreiber besser Spannung aufbauen. So wie dies Alfred Hitchcock in seinen Filmen vorgemacht hat. Das Geschehen spielt sich vor dem Auge des Lesers ab. Auch Show folgt einer filmischen Erzählweise, der Leser wird in die Szene hineingeworfen, anstatt bloßer Empfänger des dominanten Autors zu sein. Durch ein gutes Show – don’t tell! wird der Leser einbezogen in die Entwicklung des Plots.

Tell hingegen bleibt einfach gestrickt und bequem. Es zeugt von schlichter Autorenschaft, zu schreiben: Jack ist ein liebevoller Mann. Vielmehr ist die Aufgabe eines Autors, das Portrait eines liebevollen Mannes auszubreiten, zu erzählen, wie er sich verhält, wie er kommuniziert, wie er andere Menschen behandelt. Show bedeutet als Arbeitsauftrag, eine Charaktere im Laufe der Erzählung zu entwickeln.

Loading

Ernest Hemingways bezaubernde Perlenkette

The Paris Review, Summer 1968

Hemingway was fascinating, the pearls of words on a white page giving you an exact picture…
Jack Kerouac,
The Paris Review,
Summer 1968

Hemingway war bezaubernd. Diese Perlenkette aus Wörtern auf dem weißen Blatt Papier, die dir ein so genaues Bild ermöglichten…
Jack Kerouac,
The Paris Review,
Sommer 1968

Loading

Ernest Hemingway und sein deutscher Verleger Ernst Rowohlt

Eine Synchronität von Verleger und Autor. Ernest Hemingway bei Ernst Rowohlt im Rowohlt Verlag. Aus: 100 Jahre Rowohlt, Rowohlt Verlag, Hamburg.

My dear Ernst, schreibt der amerikanische Schriftsteller 1946 einem Brief an seinen deutschen Verleger Ernst Rowohlt, Du hattest sicher die Hölle von einem Krieg, und ich freue mich, dass Du nicht einer der vielen Krauts warst, die wir in der Schnee-Eifel oder im Hürtgenwald umgelegt haben. Wenn Ernest Hemingway jemanden so ruppig angeht, dann weiß man, es ist Zuneigung im Spiel. Und in der Tat hat sich zwischen Ernest Rowohlt und Ernest Hemingway eine tiefe lebenslange Sympathie entwickelt.

Alles fängt 1928 an. Im November jenes Jahres erscheint Ernest Hemingways Erstlings-Erfolg The Sun Also Rises unter dem Titel Fiesta im Berliner Verlag von Ernst Rowohlt. Bis zur Machtübernahme durch die Nazis werden drei weitere Romane folgen: Männer (1929), In einem andern Land (1930) und In unserer Zeit (1932). Nach dem Krieg erscheinen nach und nach alle weiteren Werke, Rowohlt wird zum deutschen Hausverlag für den Nobelpreisträger von 1954.

Die beiden Ernst und Ernest kabbeln sich gerne, von Anfang an. My Dear Herr Rowohlt, schreibt der Amerikaner am 18. Februar 1930 aus Key West, vielen Dank für Ihren Brief vom Januar 1930 mit dem Vertragsentwurf. Leider kann ich den Vertrag nicht unterschreiben, weil ich kein Wörterbuch habe und deshalb nicht sicher sein kann, ob ich alles richtig lese. Und auf der Insel hier gibt es auch keinen, der besser Deutsch kann als ich.

Ernst Rowohlt wird am 23. Juni 1887 in Bremen geboren. Im Jahr 1908 gründet der gelernte Buchhändler – mit 21 Jahren – einen Verlag in Leipzig. Rowohlt verlegt die Werke von Hugo Ball, Max Brod, Franz Kafka und Arnold Zweig. Kurt Pinthus und Walter Hasenclever arbeiten als Lektoren im Verlag. Nach dem Ersten Weltkrieg gründet der Norddeutsche den Rowohlt-Verlag neu, diesmal in Berlin, das Verlagshaus wird von 1919 bis 1943 verlegerisch tätig sein.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Fiesta1Jahr1928-711x1024.jpg

Die deutsche Erstausgabe von Fiesta, aus dem Jahr 1928. Erschienen im Ernst Rowohlt Verlag, Berlin.

Ab 1928 nimmt der Verleger auch zeitgenössische amerikanische Literatur ins Programm, so William Faulkner, Sinclair Lewis, Thomas Wolfe und eben Ernest Hemingway. Damit ist Rowohlt weltweit der erste Verleger, der Hemingway herausgibt, mit Ausnahme der USA. Und mehr noch: Der Mann vom Michigan-See wird zum Lieblingsautor von Ernst Rowohlt.

Im November 1929 besucht Ernest Hemingway seinen deutschen Verleger in Berlin. Es stehen Verhandlungen mit Ernst Rowohlt an über die deutschen Rechte zu A Farewell to Arms, das auf Deutsch In einem andern Land heißen wird. Ein Hauen und Stechen entwickelt sich beim Aushandeln der Tantiemen. Rowohlt bietet einen Vorschuss von 200 Dollar, Ernest Hemingway möchte 400 Dollar.

Während der Weimarer Republik laviert der Verlag durch wirtschaftlich heikle Zeiten. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten nehmen die Schwierigkeiten nochmals zu. Ernst Rowohlt tritt 1937 der NSDAP bei, er wird kein Opponent zum Regime oder gar Widerstandskämpfer. Der Verleger eckt jedoch mehr als einmal mit den Nazi-Behörden an, weil er versucht, jüdische Mitarbeiter und Autoren zu schützen.

Wie schon im Ersten Weltkrieg verdingt sich Ernst Rowohlt auch im Zweiten Weltkrieg als Soldat, wobei er stets als unsicherer Kantonist im Visier der Nazi-Schergen bleibt. Zumal mehrere seiner Autoren von den Bücherverbrennungen betroffen sind. Schließlich wird Ernst Rowohlt 1938 aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen, was einem Berufsverbot als Verleger gleichkommt. Lektoren und Autoren entscheiden sich für die Emigration. Ernst Rowohlt selbst wird im Februar 1941 Hauptmann bei der Wehrmacht und arbeitet europaweit in einer Propagandakompanie.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gründet die Familie Rowohlt den Verlag abermals neu, zuerst Anfang 1946 in Stuttgart. Heinrich Maria Ledig, der älteste Sohn von Ernst Rowohlt, erhält dort von den Amerikanern eine Verlagslizenz. Zu den Autoren des wiedereröffneten Verlages gehören Erich Kästner, Joachim Ringelnatz und Kurt Tucholsky. Und wiederum der Amerikaner Ernest Hemingway.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist RowohltAndremLand1-754x1024.jpg

Ernest Hemingways In einem andern Land als rororo-Roman für 50 Pfennig.

Im März 1946 erhält auch Ernst Rowohlt von den Briten in Hamburg eine Lizenz für einen Verlag. Vier Jahre später siedelt dann die Stuttgarter Firma nach Hamburg über. Im Dezember 1946 erscheinen bei Rowohlt die ersten vier Bände der sogenannten Rotations-Romane. Den Anfang macht Ernest Hemingway mit einer Neuauflage seiner bereits 1930 erschienenen Anti-Kriegs-Erzählung In einem andern Land.

Wegen des Mangels an Buchpapier druckt der Verlag diese ersten Romane im großen Zeitungsformat auf einer Rotationsmaschine. Es wird eine Erfolgsgeschichte, die monatlich verlegten rororo-Zeitungsromane etablieren sich mit einer Auflage von 100.000 Exemplaren als preiswerte Massenlektüre im Nachkriegs-Deutschland. Auch nach der Umstellung auf das Taschenbuch-Format drei Jahre später wird der Markenname rororo – für Rowohlt-Rotations-Roman – beibehalten. 

Am 1. Dezember 1960 stirbt Ernst Rowohlt an den Folgen eines Herzinfarktes, er wird auf dem Friedhof Volksdorf beigesetzt. Sein Sohn Heinrich Maria Ledig leitet fortan das Unternehmen, das 1960 nach Reinbek verlegt wird. Ernest Hemingway bleibt

Loading

Neben Leonardo Padura und Woody Allen

In einem Atemzug mit Leonardo Padura und Woody Allen: CubaNews.de findet Hemingways Welt gut.

Beim Stöbern im Netz eine kleine Anerkennung entdeckt. Das Portal CubaNews.de lobt dieses Blog Hemingwayswelt.de als „unglaublich ausführliche Sammlung zu allen Facetten von Hemingways Leben.“ Und in dem themengleichen Podcast Hemingways Havanna auf Spotify wird auch auf Hemingway und dieses Portal eingegangen.

Gleich auf Deutsch und Englisch findet man die liebenswürdigen Worte auf CubaNews. So viel Freundlichkeit wollen wir nicht widersprechen. Man dankt.

Doch wir können das

Loading

Vor genau 100 Jahren: Hemingways verschwundener Koffer

Ein Koffer voller Manuskripte verschwindet. Und taucht nie wieder auf.

Ende November 1922 reist Ernest Hemingway von Paris nach Lausanne, um dort über die Friedenskonferenz zwischen Türken und Griechen zu berichten. Die Türkei unter Kemal Atatürk hat den Krieg gewonnen, und nun stehen unter Schirmherrschaft des Völkerbundes die Verhandlungen über die Gebietsaufteilungen an.

Am 2. Dezember macht sich Ehefrau Hadley auf, um ihren Ehemann in der Schweiz zu besuchen. Im Gepäck auch ein kleiner Wochenend-Koffer voller Manuskripte, inklusive Duplikate. Ernest, der in den USA einen Verleger für seine Erzählungen und Gedichte sucht, will dem befreundeten Journalist Lincoln Steffens seine bisherigen Arbeiten zeigen. Vielleicht kann dieser in der Heimat ein gutes Wort für ihn einlegen. 

Am Gare de Lyon besteigt Hadley den fast leeren Zug. Die Koffer verstaut sie im Gepäckfach, sie nimmt ihren Sitz ein. Durch das Fenster erblickt sie einen Kiosk, der Erfrischungen verkauft. Kurzentschlossen springt Ernests Ehefrau aus dem Zug und kauft eine Flasche Evian als Reiseproviant. Nach wenigen Minuten ist sie zurück in ihrem Zugabteil.

Entsetzt stellt sie fest, dass der Weekender fehlt. Der kleine Koffer mit Ernests Manuskripten ist gestohlen. In Panik sucht sie den Schaffner. Gemeinsam gehen sie durch die Wagons, doch nirgends ist die Reisetasche aufzufinden. Eine Katastrophe! Die Arbeit eines ganzen Jahres verloren. Hadley ist am Boden zerstört.

Am nächsten Morgen erreicht der Zug Lausanne, tränenaufgelöst tritt Hadley ihrem Mann gegenüber. Der Verlust ist

Loading

Ernest Hemingway und Fats Navarro

Fats Navarro, einer der großen Trompeter des Bebop.

Am 24. September 1923 wird Theodore Fats Navarro junior in der Thomas Street 828 von Key West geboren. Die Familie ist mittellos, der Vater Theodore Navarro senior arbeitet sporadisch als Barbier. Im Stammbaum der Navarros lassen sich kubanische, afroamerikanische und chinesische Vorfahren ausmachen.

In der Familie wird der Sohn Cody gerufen, um eine Verwechslung mit dem Vater vorzubeugen. Cody, der neben Englisch ein passables Spanisch spricht, zeigt sich besonders stolz auf seine kubanischen Wurzeln. Fats wächst in der Thomas Street von Key West auf, im Bahama Village, dem damaligen Viertel der Einwanderer.

Der Vater, der selber Piano spielt, erkennt früh das musikalische Talent seines Sohnes und fördert dessen Entwicklung an den Instrumenten. Als Kind versucht sich Fats junior ab dem sechsten Lebensjahr zunächst am Klavier, mit 13 Jahren steigt er dann um auf Trompete und Tenorsaxophon.

Die Mutter Miriam, eine geborene Fernandez, lässt sich bald von ihrem Ehemann Fats Navarro senior scheiden. Sie heiratet neu, bleibt in Key West wohnen, und heißt nun Miriam Williams. Nach ihrer Scheidung nimmt sie einen neuen Job an. Der Beruf und der Arbeitsplatz der Mutter lassen aufhorchen.

Denn Miriam Williams arbeitet als Köchin im großbürgerlichen Haushalt von Ernest und Pauline Hemingway in der Whitehead Street 907. Seit April 1931 wohnt das wohlhabende Ehepaar mit dem kleinen Sohn Patrick in diesem mondänen Kolonialhaus, im November kommt Nesthäkchen Gregory dazu. Das prachtvolle Anwesen der Hemingways liegt in der historischen Altstadt von Key West, ganz in der Nähe des Leuchtturms.

Das Haupthaus ist dem französischen Kolonialstil nachempfunden, es ist eines der ersten mit Swimmingpool in Key West. Die vierköpfige Familie wird von einem halben Dutzend Bediensteter umhegt, neben der Köchin Miriam auch von einem Diener, einem Gärtner und einem Kindermädchen. Kollegen, die die Hemingways besuchen, so der Deutsche Gustav Regler, staunen nicht schlecht über die tropikale Großbürgerlichkeit an der Whitehead Street.

Nachdem die bisherige Köchin Isobel den Haushalt verlassen hat, kann Miriam deren Aufgaben übernehmen. Obwohl sie keinerlei Berufserfahrung mitbringt. „Das erste Jahr war hart. Aber alle waren nett zu mir und geduldig. Nach einen Jahr konnte ich alle Gerichte kochen.“ Besonders gut kann Miriam die Lieblingsspeise von Ernest zubereiten: Backfisch, schwarze Bohnen, Knoblauch und Zwiebeln, dazu entweder Brokkoli oder Brechbohnen mit Sauce Hollandaise.

Die Mutter Miriam ist glücklich in der Küche bei den begüterten Hemingways. Ihr Sohn hingegen wird nicht so recht warm mit Key West, das ihm zu abseits von den quirligen Metropolen liegt. Kaum ist Fats eigenständig zieht es ihn 1941 nach Miami, nach Indianapolis, dann nach Kansas City, zuletzt nach New York. Fats will als Jazz-Musiker die Welt erobern.

Es wird ihm gelingen, so halb jedenfalls. Fats Navarro sollte rasch einer der großen Trompeter des Jazz werden. In New York kommt der Musiker mit der neuartigen Stilrichtung Bebop in Berührung, die den altbackenen Swing ablöst. Mit seinen rasanten Tempi, den komplexen Harmonien und den ausgefransten Melodien löst der Bebop eine Revolution im Jazz aus und markiert den Eintritt in die Moderne. 

Fats Navarro spielte über 150 Titel ein, viele mit den großen Solisten seiner Zeit, mit Illinois Jacquet, mit Lionel Hampton und Coleman Hawkins. Als kraftvoller Innovator macht sich der Mann aus Key West in New York einen Namen. Als Trompeter versteht er, den harten Anschlag des Bebop mit betont lyrischen Improvisationen zu untermalen.

Im Jahr 1948 belegt Fats Navarro in der Leserumfrage der Zeitschrift Metronome den ersten Platz in seiner instrumentalen Kategorie und tritt hiernach an der Trompete mit den Metronome All Stars auf. Aufgrund seiner Herkunft spielt er in den Clubs von Harlem auch gerne mit New Yorker Größen des Latin Jazz, so mit den kubanischen Perkussionisten Chino Pozo und Diego Ibarra.

Sein Leben endet tragisch. Am 7. Juli 1950, in New York, stirbt Fats Navarro junior mit nur 26 Jahren. Heroin, Alkohol, Depressionen. Gegen eine Tuberkulose besitzt sein abgemagerter Körper am Ende keine Kraft mehr. Das Geld für die Beerdigung des Sohnes von Hemingways Köchin müssen die Kollegen im Birdland einsammeln.

Zwei Frauen später lebt der ehemalige Arbeitgeber von Miriam Williams auf Kuba. Ernest Hemingway, nun auf seiner Farm in San Francisco de Paula, ist auch

Loading

Ernest Hemingway: Verirrungen im Garten Eden

Ernest Hemingway: Der Garten Eden. Erschienen 1986, posthum.

Auf jeden Fall scheint Ernest Hemingways Liebesleben ein wenig über die gutbürgerliche Ambition hinaus zu gehen. Vier Ehefrauen kreuzen seinen Weg, von den Dutzenden Liebschaften gar nicht zu reden. Der Mann steht von morgens bis abends unter Starkstrom, literarisch, hochprozentig und noch mehr, wenn es um Frauen geht.

Allein sein posthum veröffentlichter Roman Der Garten Eden bietet sich als eine Fundgrube in dieser Hinsicht an. Diese Erzählung ist übervoll an Erotik und Sexualität, er schreibt die letzten 15 Lebensjahre an den Entwürfen, wagt aber nicht, sie seinem Verleger zu übergeben.

Das Werk wird schließlich unter viel Tamtam ein viertel Jahrhundert nach seinem Ableben veröffentlicht. Der Garten Eden erweist sich als ein seltsames Buch, weil der moderne Klassiker Ernest Hemingway versucht, in die Post-Klassik einzutreten. Dieser Versuch misslingt gründlich, vor allem weil der Stoff nicht wie sonst üblich aus dem Selbsterlebten resultiert, sondern der reinen Phantasiewelt entsprungen ist. Sozusagen ein Anti-Hemingway. 

Der Plot von Der Garten Eden bleibt wirr: Zusammen mit seiner Frau Catherine verbringt der trinkfeste US-Amerikaner David Bourne in den 1920er Jahren die Flitterwochen in Südfrankreich. Doch innerlich ist der Hauptdarsteller in der Krise. Als Schriftsteller, als Mann, als Liebhaber. Verzweifelt probiert das Ehepaar Neues aus, seine Frau und die Geliebte Marita kitzeln ihn hin zu allerlei erotischen Abenteuern. 

Sein ganzes Leben lang hat Ernest Hemingway von den Kollegen und der Kritik sich Tausende Vorwürfe anhören müssen. Er zeige keine Empathie für die sozialen Nöte der Arbeiterschaft, werfen ihm die Linken vor. Politisch sei er ein leicht zu beeinflussender Einfaltspinsel, meinen die Rechten. Er habe keinen blassen Schimmer von den Problemen des modernen Großstadtlebens, maulen die Großstadtkritiker. 

Der Nobelpreisträger, er lebt zurückgezogen auf einem tropischen Refugium nahe der kubanischen Hauptstadt Havanna, wurmt besonders der letzte Vorwurf. Der Alte möchte nicht alt dastehen. Deshalb versucht Ernest, ein modernes Buch zu schreiben. Hemingway haut alles raus, was an erotischer Verkrampfung in ihm drin steckt. Rollentausch, Lesbiertum, Homosexualität, ménage à trois. Alles narzisstische Identitäts-Phantasien eines Mannes in der Midlife-Krise, aber eben auch alles nicht persönlich erlebt.

Doch der alternde Autor sucht ein Ventil für seine Ängste und muss sich mal kräftig auskotzen: Wie im Delirium faselt der Meister von Androgynie, von Partnertausch und sonst was. Catherine und David schneiden sich die Haare kurz, das Männliche und das Weibliche verschwimmen. Mr. Scrooby, so nennt er sein bestes Stück, führt ihm diesmal die Feder, wo es sonst seine doch so geniale Beobachtungsgabe gewesen ist.

Tom Jenks, ein Lektor bei Hemingways Hausverlag Scribner’s, hat in New York das Buch aus über 1.500 Manuskript-Seiten zusammen gebastelt. Man merkt dem Werk das schlechte Karma an. Es zeigt die üblichen Schwächen eines nachgelassenen Manuskriptes: Hemingways Vorlagen werden gekürzt, auch erweitert und schließlich wird das Ganze durch den Fleischwolf gedreht.

Die Aficionados erkennen ihren Meister nicht wieder. Inhalt, Stil und vor allem die Seele der Erzählung sind meilenweit entfernt von seinen Meisterwerken wie Schnee auf dem Kilimandscharo oder Der alte Mann und das Meer. Bei einem Blindfold-Test würde der Leser mit Lachkrämpfen sich auf dem Sofa krümmen. Der Verlag und die Erben lassen den Nobelpreisträger auf voller Linie in sein Unglück rennen, nur weil irgendwer ein Geschäft wittert. 

Zum Glück kriegt Ernest Hemingway auf dem Dorffriedhof von Ketchum nichts mit von dem ganzen Fiasko. Denn wirklich alles in Der Garten Eden geht schief. Die Sätze lesen sich wie abgedroschenes Stroh, die einst vortrefflichen Dialoge laufen ins Leere. Die feine stilistische Prägnanz des Maestros plumpst hinab in einen banalen Manierismus. Von der ersten bis zur letzten Seite meint man, die Parodie in Händen zu halten.

Das schöpferische Feuer, das seinen Erstling The Sun Also Rises im Jahr 1926 so ausgezeichnet hat, verpufft 60 Jahre später, weil der prominente Autor nicht

Loading

John Lennon ist Fan von Ernest Hemingway

Die Rechnung. Ernest Hemingway kommt zu John Lennon.

Da taucht eine Rechnung aus dem Januar 1967 auf. Von Hunter Films Limited, London, einem Film-Distributor. Aus der Wardour Street, das ist mitten in Soho. Nicht weltbewegendes. Ich kenne die Gegend, etwas weiter residiert mein Lieblings-Chinese. Wong Kei.

Doch der Empfänger der Rechnung lässt aufhorchen. Beatles Ltd. Zu Händen von John Lennon. Der damals 26-jährige John hat wenige Monate zuvor seinen Hit Yesterday veröffentlicht, Co-Autor Paul McCartney, heute der meist gecoverte Song aller Zeiten. 

Und John Lennon bestellt einen Spielfilm in 16-mm über Ernest Hemingway. Adventures of a Young Man. Martin Ritt, der Regisseur, hat den Film 1962 entworfen. Das Drehbuch stammt von A. E. Hotchner. Ernest Hemingways A Farewell to Arms als auch die Nick Adams Stories dienen als Vorlage. 

Wahrscheinlich leiht John Lennon

Loading

Ernest Hemingways bittersüße Lebensbeichte: Pariser Schurkereien

Ernest Hemingway: Paris – Ein Fest fürs Leben.

Ab Herbst 1957 beginnt der Schriftsteller auf Kuba seine Arbeit an den Pariser Skizzen, wie er das Manuskript zunächst nennt. Nach der Übersiedlung in die USA im Jahr 1959 befasst der Nobelpreisträger sich in seinem neuen Wohnort Ketchum weiter mit den Fragmenten aus Paris und aus Schruns. Es ist das einzige Manuskript an dem der hinfällige Autor arbeitet, er will die schönen 1920er Jahre festhalten, denn er ahnt, was da kommen wird.

In den letzten Lebenswochen schreibt er sich den Kummer von der Seele, er versetzt sich zurück in die heitere Welt seiner sechs Pariser Jahre, in die Winterurlaube im Vorarlberg und ein letztes Mal huldigt der schwerkranke Ernest seiner großen Liebe. Der Unmut über den eigenen Fehltritt brodelt in ihm.

Das Werk wird erst nach seinem Ableben veröffentlicht, redigiert von seinem engen Freund A. E. Hotchner. Im Jahr 1964 erscheinen, gegen den erbitterten Widerstand seiner letzten Frau Mary, die Erinnerungen unter dem Titel Paris – Ein Fest fürs Leben. Von einem alternden Mann geschrieben, die eigene Endlichkeit vor Augen, erinnert die gemütvolle Erzählung mit Melancholie an die unbekümmerten Monate in Europa.

Trotz allen Frohmuts kann man das Buch zugleich als eine Art bittere Lebensbeichte des sterbenskranken Ernest Hemingway lesen. In Paris – Ein Fest fürs Leben breitet er seine Seele aus, wie in keinem anderen Werk. Die Erzähl-Fragmente lesen sich wie eine Liebeserklärung an Paris, an die mitreißende Zeit, von Ende 1921 bis Frühjahr 1928 wohnt er mit Hadley in der quirligen Metropole an der Seine.

Es sind zugleich seine Anfänge als Schriftsteller, das kreative Aufbegehren der verlorene Generation, ein Umsturz in Literatur, Malerei und Architektur, der in der Moderne münden wird. Man spürt in Paris – Ein Fest fürs Leben die beglückende Atmosphäre, die Paris in jenen Jahren so auszeichnete. In allererster Linie jedoch sind die Episoden aus Paris und aus dem Montafon eine Liebeserklärung an seine Hash.

An Hadley, jene Frau, für die er wohl das tiefste Gefühl empfunden hat und jene, die ihn bedingungslos geliebt hat. Sein erstes großes Werk The Sun Also Rises widmet er seiner ersten Ehefrau und dem Sohn. Hadley und John Hadley Nicanor zugeeignet. In Europa heißt der Roman Fiesta, es wird 1926 sein Durchbruch. Mit einem Mal ist er ein Popstar.

Wie kein anderer Mensch hat Hadley an ihn geglaubt, damals, als er noch ein kleines Licht gewesen ist in der bescheidenen Wohnung in der Rue Cardinal-Lemoine. Und sie hat ihn aufgebaut, wenn von den amerikanischen Verlagen eine Ablehnung nach der anderen in Paris eintrudelte. Diese wunderbare Liebe schlägt Ernest Hemingway im winterlichen Vorarlberg eigenhändig tot, mausetot.

Von seiner Seite ist es eine kaltschnäuzige Schurkerei, die ihn selbst bis zu seiner letzten Stunde als seelische Verwundung umtreiben sollte. Und er weiß, dass er das Desaster ganz alleine verbockt hat. Ich war es, der die Schuld daran auf sich nehmen und besitzen und verstehen musste. Hadley, die Einzige, die keinerlei Schuld daran trug, kam am Ende gut aus der Sache heraus und heiratete einen viel besseren Mann, als ich je gewesen war oder jemals zu sein hoffen konnte…

Doch der übermütige Ernest, berauscht vom sich andeutenden Erfolg als Buchautor, kann die

Loading

Seite 21 von 69

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén

Neuerscheinung:
364 Seiten, BoD-Verlag
12,99 € (Paperback),
8,99 € (E-Book)
ISBN: 9783751972567
zu beziehen über jede Buchhandlung
oder online bei
amazon (hier klicken)