Und auch dies.. Hemingway pissed here. Key West, im Februar 2018 Foto: Heller
Wenn man diesem Ernest Hemingway auf der Fährte bleibt, dann kriegt man über die Jahre hinweg nicht wenige Sachen zu sehen, die einem die Haare zu Berge stehen lassen: Wanduhren mit seinem Portrait, massenweise T-Shirts, Kaffeebecher, Spazierstöcke mit Hemingway als Knauf, iPhone-Hüllen mit seinem Antlitz, Sonnenbrillen auf seinen Namen, Zigarettenetuis, Hemingway-Seife mit Tabak-, Rum- oder Zedernduft, Body Lotion, Schlüsselanhänger, Manschettenknöpfe, Schuhe, auf denen die Marke ‚Hemingway‘ steht, Hotels, Gasthäuser und natürlich Kneipen, die so heißen wie er, Rum-Sorten und Schnaps-Variationen, Sonnen-Caps mit Hemingway-Zitat, Küchenschürzen oder gleich eine ganze Küchenzeile, alles mit Ernest Hemingway dran, drin oder drauf. Dazu Münzen, Geldscheine, Briefmarken, aus aller Welt, ungezählt.
Dieser Kerl, der sich am Ende selbst erschossen hat, dies gilt es festzustellen, ist nicht kleinzukriegen. Ich vermute, dass
Dieser Ernest Hemingway ist, so würde das heutige Marketing analysieren, ein vertrauter Markenartikel. Jeder, der den Namen hört, vermag sich etwas darunter vorzustellen, jeder weiß für was der Mann steht.
Seine Person, sein Leben ist von seinem Werk nicht zu trennen. Dieser Schriftsteller lebt wie eine seiner Romanfiguren und er stirbt auch so.
William Faulkner, der Nobelpreis-Kollege, meint denn auch, wohl ein wenig neidisch: „Den wenigen, die ihn gut kannten, war er als Mann fast so viel wert wie die Bücher, die er geschrieben hat.“
Ernest Hemingway ist ein ziemlicher Angeber, wohl im Leben mehr und im Schreiben weniger. Er zeigt sich gern in der Pose des Boxers, wumm und weg, als Kerl, der sich durchzuboxen weiß. Als Mann für den die Welt in Gewinner und Verlierer zu teilen ist.
Und auch die Literatur mag er mit einem Boxkampf vergleichen. Ich habe sachte angefangen, und dann Herrn Turgenew geschlagen. Dann habe ich hart trainiert und Herrn de Maupassant besiegt. Anschließend bin ich zwei Runden in den Ring mit Herrn Stendhal und konnte einen guten Haken setzen.
Alles Europäer, die sich der amerikanische Meister da als Gegner vornimmt. Der Respekt jedoch vor dem einen oder anderen bleibt. Aber keiner wird mich dazu bringen mit Herrn Tolstoi in den Ring zu steigen, es sei denn, ich wäre verrückt oder verbessere mich kolossal.
Ein solches Selbstlob mag aufgeblasen klingen, gar ein wenig nach Boxerlatein. Doch Obacht, den Mann aus Chicago plagen keine nennenswerten Selbstzweifel und er weiß zu kämpfen wie ein Löwe. Im Leben und vor dem Papier.
Und die Jahre, die ins Land gegangen sind, haben ja gezeigt, wo die Kollegen verblieben sind. Die allermeisten sind der Vergessenheit anheim gefallen, sie werden nicht mehr gelesen, ihre Themen und ihre Prosa wirken wie aus der Zeit gefallen.
Nur der bärtige Amerikaner, der eigentlich immer mehr Abenteurer als Literat sein wollte, wird noch heute verschlungen ganz wie in der guten alten Zeit. Tolstoi, Stendhal, de Maupassant, Thomas Mann, André Gide – Ernest Hemingway, der Boxer für die Ewigkeit, hat sie letztlich alle zu Boden gestreckt. Über 15 Runden freilich, dann aber doch mit einem kräftigen späten Knock out.
Alfred Glassell jun., Sportangler und Whiskey-Trinker. Und Hemingway-Konkurrent.
Abends am Bartresen, und spätestens da, trinkt Ernest Hemingway seinen Whiskey on the rocks. Der Schriftsteller trinkt dann gegen die Schwermut an. Er will die finsteren Gedanken ertränken.
Das Trinken gehört fest zu seinem Alltag, es ist für den Autor so eine Art Medizin. Ernest Hemingway belohnt sich damit, ebenso wie er damit gegen den Trübsinn anzutrinken pflegt. Er glaubt, ohne den Whiskey nicht Schreiben zu können.
Für Ernest Hemingway gehört Trinken, das Alkohol-Trinken, zum Mann-Sein. Wenn ein Mann nicht trinkt, dann macht ihn das misstrauisch. Am liebsten hat er Menschen um sich, die trinken. Wenn man gemeinsam trinkt, er und seine Freunde, aber auch Fremde, das sind dann seine Glücksmomente.
Ich trinke seit ich fünfzehn bin und es gibt wenige Sachen, die mir mehr Freude bereiten. Wenn man den ganzen Tag schwer mit dem Kopf arbeitet und man weiß, man muss am nächsten Tag wieder arbeiten, was kann deine Ideen zum sprudeln bringen oder die Ideen in andere Bahnen lenken wie ein Whiskey?
Der Alkohol wird zu seinem Begleiter. In guten und schlechten Tagen. Immerzu.
Lomita und Lagunita. Stanford University, Palo Alto/Kalifornien Photo by W. Stock
Direkt nach der High School fängt Ernest Hemingway als Lokalreporter bei einem Regionalblatt an, beim Kansas City Star, da ist er gerade Achtzehn. Auch später wird Hemingway nicht studieren, er zählt zu den Nobelpreisträgern, die keine Universität von innen gesehen haben. Scheinbar ist der junge Kerl ein Naturtalent. Oder nicht?
Zur akademischen Welt hält der Schriftsteller zeitlebens spürbare Distanz. Obwohl er einer gutbürgerlichen Familie entstammt, der Vater ist Arzt in Chicago, zieht es ihn nicht hin zu hoher formaler Bildung. Die Feuilletonisten der New York Times verachtet er, ihn ödet das Geschwätz all dieser Schreibtisch-Schreiber an. Sicher, du kannst auch aus Büchern lernen oder auf der Schulbank. Aber um das Leben richtig zu begreifen, musst du hinaus in die Welt.
Ein guter Journalist oder ein erfolgreicher Autor muss sich umschauen und zu den Menschen gehen. Man könne nur richtig begreifen, was man mit eigenen Augen gesehen hat. Ich schreibe nur über das, was ich kenne, und deshalb schreibe ich ehrlich. Bücher sollten von den Leuten handeln, die du kennst, die du liebst oder hasst, nicht von Leuten, die du erst studierst.
Ernest Hemingway und die Schauspielerin Martine Carol ballern auf Finca Vigía herum, Kuba 1956
Man muss lange suchen, um einen Schriftsteller zu finden, der so tief ins Leben gesprungen ist wie Ernest Hemingway. Alles übermässig und alles ungebremst. Ohne Rücksicht auf Verluste. Bei sich und anderen. An Körper und Seele.
Das Leben, die Liebe und das Sterben. Geburt und Tod. Dazwischen die Leidenschaft. Damit ist der Bogen des Lebens gezogen. Und auch der Bogen von Hemingways Leben. Und alles – das ist die Tragik des Menschen – scheint miteinander verwoben. Leben und Liebe, Leben und Tod, Liebe und Tod.
Der Tod gehört zum Leben. Und er gehört ins Leben. In einfachen Sätzen beschreibt Ernest Hemingway diese Tragik des menschlichen Daseins. Und das Motiv von Leben und Tod zieht sich in Abwandlungen durch das ganze Werk Hemingways fort.
Er trage seinen Tod auf der Schulter, hat José Luis Castillo-Puche, ein spanischer Kollege und Freund, in Madrid 1954 zu Ernest Hemingway gesagt. Dieses spanische Sprichwort trifft es besser als alles andere. Una vida con la muerte al hombro.
Thomas Fuchs: Hemingway – Ein Mann mit Stil, mare Verlag, Hamburg 2014
Es ist gar nicht so verkehrt, sich dem Thema „Ernest Hemingway“ auch einmal locker-essayistisch zu nähern, so wie dies Thomas Fuchs in seinem neuen Buch „Hemingway – Ein Mann mit Stil“ getan hat. Ein wenig gefährlich ist dies allerdings auch.
Thomas Fuchs, unter anderem Autor des Satire-Blattes Titanic, hat sich für den Adlerblick auf Hemingways Leben entschieden. Aus luftiger Höhe und in rasantem Flugtempo hakt er die Lebensstationen des Schriftstellers ab: Kindheit in Chicago, Erster Weltkrieg, Paris, die Frauen, Stiere, Zweiter Weltkrieg, Key West, Kuba, Ketchum – und all das auf nur 220 Seiten. Und jede dieser Lebensstation kann zudem als eigenständiger kleiner Essay gelesen werden.
Funktionieren kann eine solche flotte tour d’horizon allerdings nur, wenn man einen klaren Blick, immensen Fleiß und ein gesundes Urteil einbringt. Denn die Gefahr des Weitwinkels liegt gerade darin, dass man die große Linie nicht trifft und irgendwann auch die Details nicht mehr zu erkennen vermag. Doch vorliegendes Buch umfliegt charmant jedes potenzielle Unheil und alle möglichen Fallen.
Als Across the River and into the Trees im Jahr 1950 erschien, da hielten viele Literaturkritiker das Werk für wenig gelungen. Die Enttäuschung war spürbar, man konnte mit dem Roman über Venedig und die Lagune wenig anfangen.
Insbesondere über diesen seltsamen Buchtitel wurde die Nase gerümpft. Across the River and into the Trees. Merkwürdig. Zu Deutsch: Über den Fluss und in die Wälder.
Die Auflösung findet sich im Buch. Wir wollen über den Fluss setzen und im Schatten der Wälder ruhen. Eigentlich ein schöner Satz des sterbenden Generals Thomas J. Jackson, den der Oberst Richard Cantwell in Hemingways Roman rezitiert.
Doch schnell schossen Parodien von Across the River and into the Trees ins Kraut. Hier die schönsten:
Frank Sinatra: Across the Street and into the Bar.
Es gibt da einige merkwürdige Tweets, die jeden Tag und alle paar Stunden mit Textpassagen und Zitaten von Ernest Hemingway in den digitalen Orbit gezwitschert werden. „Age is my alarm clock,“ the old man said.
Oft ist es nur ein Satz. Zumal man bei Twitter so oder so auf 140 Zeichen limitiert bleibt. In diesem Sinne ist der alte Hemingway ein ziemlich moderner Autor.
Meist stammen die Zitate aus Der alte Mann und das Meer. Die Textausschnitte kommen knapp daher und lesen sich scheinbar banal. So wie etwa: “How old are you?”, the old man asked the bird.
Dank an diesen Twitterer. Denn er zeigt eindrucksvoll, wie kraftvoll die Prosa dieses Ernest Hemingway auf uns wirkt. “How old are you?”, the old man asked the bird. Ein Satz, schlicht und simpel, jedoch steckt mehr dahinter und darunter. Eine ganze Geschichte in einem Satz. Eine große Philosophie in ein paar kleinen Wörtern. Eisbergstil.
Jeder trägt so seine kleinen Vorurteile mit sich herum. So auch ich, als ich erstmals von diesem Buch hörte. Die Welt ist so voll von Schnurren und Geschnatter über den Schriftsteller und es gibt genug Leute, die schwarz im Transrapid „Ernest Hemingway“ fahren.
Doch als ich Running with the Bulls – My Years with the Hemingways aus der Hand lege, bin ich angetan. Valerie Hemingway überzeugt als eine vorzügliche Schreiberin und ihr Buch hat wirklich etwas zu erzählen.
Valerie Danby-Smith, so der Mädchenname, ist eine interessante Person. Die Irin, Jahrgang 1940, kommt aus Dublin und lernt Hemingway 1959 in Madrid, während des San Isidro Festivals, kennen. In Spanien arbeitet sie als Kindermädchen und Journalistin und will nun den Nobelpreisträger für die Irish Times interviewen.
Ernest Hemingway bittet ins Hotel Suecia, Suite 809, wo er mit Ehefrau Mary logiert. Man findet Gefallen aneinander, Ernest lädt Valerie zum Stierkampf-Rennen nach Pamplona ein. Später stellt er sie als seine Sekretärin ein, für gute 250 Dollar im Monat.
Valerie bleibt an Hemingways Seite. Man fährt nach Málaga, in die Provence, nach Paris. Und im Januar 1960 zieht Valerie in die Gästewohnung der Finca Vigía auf Kuba ein. Die junge Frau erhält Einblicke in Hemingways Spätwerk und auch in seine letzten beiden Lebensjahre wie keine andere Person, Familie vielleicht ausgenommen.
Den Nachnamen Hemingway erhält Valerie Danby-Smith später, als sie
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