Charles Bukowskis Gedicht über seinen Bruder im Geiste. Ernest Hemingway kommt nicht gut weg, doch man spürt die Verehrung .
she said it was in Havana in 1953 and she was visiting him and one day she saw him and it was in the afternoon and he was drunk he was stretched out on these pillows drunk and she took a photo of him and he looked up and said, „don’t you dare give that photo to anybody.“
when she came from Italy this summer to visit me she told me about it and I said, „that must be some photo.“
she told me that my house was very much like his house. we drank, had dinner somewhere, then she had to take a plane out.
the photo is framed at the bottom of my stairway now looking north.
he was fat and he was drunk and he’s in the right place.
In diesem Gedicht schildert Charles Bukowski eine Begegnung mit der deutschen Fotografin Inge Schönthal, die nach ihrer Heirat mit einem italienischen Verleger nun Inge Feltrinelli heißt. Und Inge berichtet dem US-Amerikaner von ihrem damaligen Zusammentreffen mit Ernest Hemingway auf Kuba. Charles Bukowskis Bruderherz schlägt
Die spanische Ausgabe von Der alte Mann und das Meer. Erschienen 1952. El Viejo y el Mar.
So gut wie jede Station im Leben des Ernest Hemingway hat mit dem Meer zu tun. Das Veneto, Südfrankreich, Andalusien, Key West und vor allem Cojímar. Seine schönste Erzählung führt das Meer gar im Titel. Wenn er mit der Pilar hinausfährt, wirkt er unbeschwert wie ein Kind. Als er das Meer verlässt und in die Berge zieht, ein Jahr vor seinem Tod, da verglimmt eine Helligkeit in ihm.
Das Meer steht für die Urgewalt der Erde überhaupt. Das unendliche Wasser ist Ausgang und Ende menschlichen Lebens. Das Leben hat sich aus dem Meer gerobbt, und das Meer nimmt das Leben wieder auf. Voy al mar, sagen alte Spanier, des Lebens müde, ich gehe nun zum Meer. Es ist gleichbedeutend mit der Botschaft, dass es nun zu Ende geht, mit diesem Erdenbürger.
All die imposanten Werke der Natur bilden der Rahmen für das Lebens. Mit dem weiten Meer als Glanzstück der Schöpfung. Gerade das Meer besitzt eine Allgewalt, die gewaltiger ist als alles andere. Gewaltiger als der Mensch sowieso. Wie ein fein arrangiertes Wunderwerk verfügt es über eine wundersame Art des Gebens und Nehmens. Obwohl all die Flüsse zuströmen, läuft das Meer nicht über, ebenso wenig wie es leerlaufen kann.
Für die Menschheit bedeutet das Meer Sehnsucht und Hoffnung. Schon im 15. Jahrhundert geht der Blick über das unbekannte Wasser. Neugier und der Willen, seinen Horizont zu erweitern, treiben den Menschen an. Als die ersten großen Migrationsströme anbrechen, ziehen die Silberstreifen der Europäer jenseits des Meeres auf, in New York oder in Buenos Aires. Bis heute verbinden sich mit der Überquerung des Meeres Hoffnung für diejenigen, die vor Krieg und Armut fliehen.
Wenn man Ernest Hemingways Prosa über das Meer aufmerksam liest, dann fällt einem die fast religiöse Aura auf, die mit den Sätzen einhergeht. Eine Sehnsucht nach dem Absoluten ist über allem zu spüren, ein tiefes Verlangen nach Erfüllung und nach Erlösung. Er selbst hält sich nicht für besonders gottesgläubig, merkwürdigerweise lesen sich manche Sätze jedoch wie Bittrufe.
Besonders am Meer wird ihm klar, dass eine Macht über ihm wirkt. Eine Macht, die stärker ist als alles andere. Und Ernest Hemingway möchte mit dieser höheren Macht in Verbindung treten, er sieht es als Aufgabe eines guten Schriftstellers. Sein Gleichnis vom einfachen Fischer auf dem Meer könnte genauso in der Bibel stehen. Ein schlichter und braver Mensch – also eigentlich wir – muss jeden Tag auf das Meer hinaus. Und er scheitert.
Jedoch wohnt diesem Scheitern eine Magie inne. Denn der Kämpfer gibt nicht auf, am nächsten Tag wird er erneut hinaus fahren in seiner kleinen Schaluppe. Und er wird wieder scheitern. Trotz allem lässt er sich seine Würde nicht nehmen. Hemingways Erzählung vom Meer, von dem alten Fischer, von dem Jungen Manolín, von dem Marlin, von den gefräßigen Haien und von den Löwen am Ufer, ist eine
Besucher vor der Plaza de Toros in Sevilla während der Feria. Foto: W. Stock, April 2023.
„Yo viviría en Sevilla si quitaran las plazas de toros. Hemingway me engañó cuando decía que era una muerte limpia. Es un intolerable castigo.“ Guillermo Cabrera Infante
„Ich würde in Sevilla leben, wenn sie die Stierkampfarenen abschaffen würden. Hemingway hat mich getäuscht, als er sagte, es sei ein sauberer Tod. Es ist eine
Ernest Hemingway mit seinen Söhnen Patrick (links) und Gregory (rechts), ca. 1940. Credit Line: Ernest Hemingway Photograph Collection, John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.
Pauline Pfeiffer, die zweite Mrs. Hemingway und Mutter von Gregory, findet nur schwer in die Mutterrolle. Ebenso wie Ernest kann sie mit Kindern nur wenig anfangen, vor allem mit Kleinkindern. In den wohlhabenden Kreisen, in denen Pauline aufgewachsen ist, kümmert sich eine Armada von Kindermädchen, Erzieherinnen und Haushälterinnen um die Babys. „Gig, ich glaube, ich habe keine großen Muttergefühle“, klagt sie ihrem Sohn Gregory, „ich kann diese grauenhaften kleinen Kinder nicht aushalten, jedenfalls bis sie fünf oder sechs sind.“
Auch Ernest findet zu Kindern erst einen Draht, wenn sie alt genug sind, um eine Angel oder ein Gewehr zu halten. Der empfindsame Gregory, den die Familie Gig oder Gigi ruft, wird seiner überforderten Mutter nichts Wohlgefälliges hinterherrufen. Paulines größte Leistung sei gewesen, so wird der Sohn zurückblicken, ein gutes Kindermädchen für ihn angestellt zu haben.
Gerade mit Gregory, er wird im November 1931 in Kansas City geboren, wird es im Laufe der Jahre schwierig, schwierig für ihn, schwierig für die Eltern. Gegenüber Freunden bezeichnet der Vater seinen Jüngsten als schwarzes Schaf der Familie, er komme da direkt nach ihm. Der zartfühlende Sohn ist so anders als die Jungs in seinem Alter.
Mit etwa vier Jahren beginnt Gigi die Kleider der Mutter anzuziehen, dazu fällt auf, dass er auf seine Umgebung verweichlicht wie eine Prinzessin wirkt. Jahre später, mit zehn, Gregory ist in den Schulferien beim Vater auf Kuba, ertappt ihn Ernest im Schlafzimmer der Finca Vigía in den Kleidern von Martha Gellhorn. Der Vater steht da wie angewurzelt, dreht sich dann um, und verlässt den Raum, ohne ein Wort zu sagen.
Am 29. September 1951 wird der 19-jährige Greg, vollgepumpt mit Drogen, von der Polizei auf der Damentoilette eines Kinos festgenommen, in Frauenkleidern. Ernest macht seiner ehemaligen Frau am Telefon laute Vorwürfe, sie versage in der Erziehung von Gregory, wie er meint. Pauline, bei ihrer Schwester Jinny in deren Haus in den Hollywood Hills, und mit dem Sohn in einer Arrestzelle, überfallen schlimme Bauchschmerzen.
Gegen Mitternacht wird sie als Notfall ins St. Vincent’s Hospital eingeliefert. Ohnehin von kränklicher Natur, stößt der Tumor in jener Nacht eine solche Menge an Adrenalin aus, der zusammen mit dem hohen Blutdruck, zum fatalen Platzen von Blutgefäßen führt. Im Schockzustand verblutet Pauline innerlich auf dem Operationstisch an einer seltenen Tumorkrankheit der Nebenniere, am 1. Oktober 1951 im Alter von 56 Jahren.
Gregory Hancock Hemingway studiert Medizin an der Medical School der University of Miami, später praktiziert er zeitweise als Arzt in Montana. Doch Alkohol und Depression, wie bei Vater und Mutter, werfen ihn aus der Bahn. Er verliert seine Approbation. Zudem hängt die Last des Namens wie ein Mühlstein um seinen Hals. Pulitzer, Alfred Nobel, der Schriftsteller des Jahrhunderts. „Ich bin nie über das Gefühl der Verantwortung für den Tod meines Vaters hinweggekommen. Und die Erinnerung daran ließ mich manchmal auf seltsame Weise handeln.“
Er heiratet viermal, lässt sich viermal scheiden. Gregory kleidet sich als Frau, lässt sich operieren, nennt sich als Transfrau nun Gloria Hemingway. Auf offener Straße fällt er auf, ohne dass man weiß, wer er ist. Mindestens dreimal wird er wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet. „Er hatte ein schwieriges Leben. Es ist nicht einfach, der Sohn eines großen Mannes zu sein“, meint Scott Donaldson, der ehemalige Präsident der Hemingway Society.
Der Mann, der sich Gloria Hemingway nannte. Das Grab des Gregory Hemingway auf dem Dorffriedhof von Ketchum, in den Bergen der Rocky Mountains. Foto: W. Stock, 2018.
„Ich weiß nicht, wie die Zerstörung zustande gekommen ist“, klagt Gregory 1987 in einem Interview mit der Washington Post. „Was ist es, das einen liebevollen, dominanten, im Grunde wohlmeinenden Vater dazu bringt, so durchzudrehen?“ Sein ganzes Leben sei ein Brandherd. Seine Beziehung zu seinem Vater und zu seiner Mutter bleibt gestört, er sucht seine Identität und sein kleines Glück. Narben überall.
Der feinsinnige Gregory sehnt sich so nach Anerkennung durch den Vater, den er bewundert. Ernest vielmehr hat sich eine Tochter gewünscht. Doch es gibt auch gute Phasen. Vater und Sohn scheinen sich einige Jahre lang nahe gestanden zu haben, und Ernest gibt
Die Casa Cuesta, mit über 140 Jahre auf dem Buckel, ist in Sevilla bei Einheimischen wie Besuchern, ebenso bei jung und alt, beliebt. Foto: W. Stock, April 2023.
In Ufernähe des Guadalquivir, des großen Talflusses, wie das Gewässer auf Arabisch heißt, liegt in Sevilla die Casa Cuesta, ein Restaurant voller Tradition. Die gelöste Atmosphäre der andalusischen Bodega ist so ganz nach dem Gusto des bärtigen Amerikaners. Der Nobelpreisträger liebt ein ungezwungenes und bodenständiges Ambiente, gepaart mit einer herzhaften Küche und guten Prozenten. Der ideale Rückzugsort für einen lebensverliebten Weltenbummler wie Ernest Hemingway.
An einer Ecke der Calle Castilla, in einem dreigeschossigen Gebäude aus braunem Backstein und als Schutz vor der beißenden Sonne mit blauen Markisen über der Außengastronomie, trägt die Bar ihren Anteil bei zur Buntheit des Viertels. Gegenüber dieser Stätte der Ausgelassenheit erblickt man den Callejón de la Inquisición. In dieser engen Gasse hatten im Mittelalter die Richter der blutrünstigen Inquisition ihren Sitz.
Auf eine Lebensspanne von fast anderthalb Jahrhunderten kann die Casa Cuesta in der andalusischen Hauptstadt zurückblicken. Seit ihrer Gründung als Weinschänke im Jahr 1880 hat die Bar einfache Leute und später auch die Intellektuellen angezogen. Noch heute ist das Publikum alters- und klassenlos. Malocher, Studenten, Geschäftsleute – alle sitzen einträchtig nebeneinander an den Bistro-Tischen oder auf den schwarzen Holzstühlen.
Sevillas Casa Cuesta – ein stimmiger Mix aus Restaurant, Bodega und Cerveseria – befindet sich in Triana, dem Stadtteil der Seeleute, Arbeiter und Handwerker. Einfach und zweckmäßig und doch von einer lässigen Eleganz, die man eher im 6. Arrondissement von Paris vermuten würde. Man fühlt sich augenblicklich wohl in dem Lokal, das vom Modernisme, der spanischen Spielart des Jugendstils, geprägt ist.
Wenn man mit alten Fotos vergleicht, so erkennt man, dass sich nur wenig verändert hat in der Casa Cuesta in Sevilla. Foto: W. Stock, April 2023.
Im Inneren der Casa Cuesta erstreckt sich ein schwarzer Holztresen im Art nouveau, an dem Bier getrunken wird oder kleine Gerichte verköstigt werden. Eine Wanduhr, umhüllt von Girlanden aus Blattgold und mit dem Bild einer Jungfrau, wacht über den von Reliefkacheln geschmückten Raum. In einem Kabinett, etwas abseits, findet sich ein Restaurant mit gedeckten Tischen.
Die Casa Cuesta hat die Hälfte ihres Lebens unter einem anderen Namen gelebt: Casa Ruiz. Denn José Ruiz Sánchez, der Gründer, tauft es 1936 auf diesen Namen, wenige Monate vor Ausbruch des Bürgerkriegs. Unter dieser Bezeichnung lernt Ernesto zwei Jahrzehnte später
Auf der Feria de Abril in Sevilla zeigen sich die lokalen Hermandades mit ihren casetas, mit nur Mitgliedern und eingeladenen Gästen vorbehaltenen Festzelten. Foto: W. Stock, April 2023.
Wenn in Andalusien ein Fest gefeiert wird, dann kommen die lokalen Bruderschaften zum Zuge. Ob bei der Semana Santa oder den Ferias, ohne die Hermandades sind die Festivitäten im katholischsten Winkel Spaniens nicht denkbar. Hermandad oder zu Deutsch Bruderschaft. Brüderlichkeit ist für viele Ohren ein sehr antiquierter Begriff. Sein Inhalt jedoch bleibt aktuell: Bruderschaft bezeichnet das soziale und solidarische Verhalten in einem Zusammenschluss, der nicht auf Verwandtschaft gründet, sondern auf Gemeinsinn.
Das Konzept der Bruderschaft wurde zu Hemingways Lebzeiten in zahllosen Hermandades in Spanien und auf Kuba gelebt. In jeder spanischen Großstadt sind sie noch heute zu finden. Wie in Sevilla bei der Feria de Abril, wo man die Bruderschaften im Dutzend findet, von der Hermandad de los Gitanos bis zur Hermandad del Museo. Ernest Hemingway hat sich zeit seines Lebens stark von Spanien angezogen gefühlt. Beigetragen haben dazu auch die tradierten Werte und Riten, die dort wie sonst nirgends gelebt werden, vom Stierkampf über die Büßer-Prozessionen bis zu den Hermandades.
Die Brüderlichkeit in Spanien wird mit der Abstammung von einem Vater begründet, der Vaterschaft des christlichen Gottes beispielsweise. Brüderlichkeit als Fraternité ist – neben Freiheit und Gleichheit – eines der drei Prinzipien der Französischen Revolution gewesen. Auch die Arbeiterbewegung hat ihre Solidarität inhaltlich von der Brüderlichkeit abgeleitet. Mit der Reformation des Christentums und der Säkularisierung wird das Wirken der Bruderschaften weltweit in den Hintergrund gedrängt. Doch in Andalusien, an der historischen Schnittkante von Katholizismus und Maurentum, bleiben die Hermandades lebendig.
Dutzende Hermandades aus Sevilla finden sich im Ausstellerverzeichnis der Feria de Abril. Foto: W. Stock, 2023.
Freunde, Vertraute, wie Brüder. In Männergesellschaft fühlt sich Ernest Hemingway am wohlsten. Unter Männern redet man ungeschminkt, und auch auf Manieren braucht man weniger zu achten. Everyone behaves badly, given the chance, lässt er Jake Barnes in The Sun Also Rises kundtun.Jedermann benimmt sich daneben, wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt. Erst die Gemeinschaft verleiht Stärke und Sicherheit.
In fast allen Kulturen der Welt ist das Ideal der Brüderlichkeit bekannt. Die Idee der Brüderlichkeit gründet auf
Außer an den Übernachtungspreisen lässt sich wenig meckern am Alfonso XIII. Ernest Hemingway jedoch ist nicht zufrieden zu stellen in dem Luxushotel von Sevilla. Foto: W. Stock, April 2023.
Andalusien ist sein Land. Die Provinz im Süden fasziniert den Mann aus Oak Park, einem Vorort von Chicago. Málaga, Ronda, Medina-Sidonia, Conil. Mit Sevilla, der Metropole im Landesinneren, fremdelt er hingegen. In Tod am Nachmittag deutet er an, es gäbe nicht genug tapfere Matadores in Südspanien. Wie er zu diesem Urteil kommt, schleierhaft. Befinden sich doch die großen Rinderfarmen in Andalusien und die Torero-Dynastie der Familie Ordóñez aus Ronda gehörte zu seinem Freundeskreis.
In einem Brief an F. Scott Fitzgerald aus dem Jahr 1926 schildert er einen Matador aus Sevilla, der sich wie ein hinterlistiger Metzger aufführe. Doch in Wirklichkeit ist dieser Stierkämpfer – Diego Mazquiarán, alias Fortuna – ein Baske gewesen. Der bärtige Mann aus Chicago hegt indes seine Vorurteile. Die andalusischen Stiere, nicht so hochgezüchtet wie jene im Norden, seien für den Kampf weniger geeignet.
Eine Abneigung steckt dahinter. Ernest Hemingway kann der Stadt nichts abgewinnen. Die Aufmerksamkeit, die Sevilla dem jungen Journalisten zukommen lässt, mag eine Ursache für seine Antipathie sein. Im Jahr 1923, auf seiner ersten Spanien-Reise, mit seinem Freund und Verleger Robert McAlmon, kommt er auch in Sevilla vorbei. Große Beachtung lässt er der Hauptstadt Andalusiens schon damals nicht teilwerden.
Leider Gottes hat Sevilla den Nobelpreisträger in einer schwachen Stunde erwischt. Er, der doch so ein genialer Beobachter ist, findet keinen Blick für die Schönheiten der Stadt. Die lebensfrohe Metropole, die vor allem von einer christlichen und maurischen Tradition beeinflusst ist, bietet mit ihren engen Gassen und den alten Bauwerken in der Altstadt, zugleich Tausende Winkel und Ecken zum Genuss und zur Entzückung.
Doch die Stadt, in der es schon im Frühling höllisch heiß werden kann, gefällt dem Schriftsteller einfach nicht. In späteren Jahren wird es nicht besser. Er kommt 1954 zurück auf die iberische Halbinsel, nachdem der Bann nach dem Bürgerkrieg gegen ihn aufgehoben ist. Ernest Hemingway, erneut in Spanien, besucht auch Andalusien.
Das Trauma des Bürgerkrieges ist selbst nach fast 90 Jahren noch sichtbar in Sevilla. Foto: W. Stock, April 2023.
Sein Freund José Luis Castillo-Puche schildert eine skurrile Episode von Hemingways Reise. Die Wunden des Bürgerkrieges sind nicht verheilt, die Spanier wissen, dass der Schriftsteller sich sehr für die republikanische Sache eingesetzt hat. “Viva la República”, flüstert auf der Straße in Sevilla ein unbekannter Passant Hemingway zu. Und der Amerikaner antwortet leise mit dem Schlachtruf der Loyalisten: “No pasarán”.
Fünf Jahre später, am 28. Mai 1959, fährt Ernest Hemingway von Málaga nach Sevilla und quartiert sich im Luxushotel Alfonso XIII ein. Er will in der andalusischen Metropole während der Feria einer Corrida von Antonio Ordóñez beiwohnen. Das Alfonso XIII., in Wirklichkeit ein
Vortrag auf der Konferenz Hemingway y el Mar im spanischen Conil de la Frontera, April 2023. Foto: Joaquín Recio Martínez.
Teilnahme an der fünftägigen Konferenz Hemingway y el Mar im andalusischen Conil de la Frontera. Am ersten Kongresstag, dem 19. April 2023, hatte ich die Ehre und das Vergnügen, in der Casa de la Cultura zu diesem Themenspektrum einen Vortrag zu halten.
In der knapp einstündigen Präsentation Ernest Hemingway – Soñando del Mar befasse ich mich mit der Frage, welche Bedeutung das Meer für
Die Hemingway-Ecke im El Pasaje. Conil, im April 2023. Foto: W. Stock.
An einem Sommertag im Jahr 1959 besuchen Ernest Hemingway und der Torero Antonio Ordóñez während eines Aufenthalts im südspanischen Conil de la Frontera das Restaurant El Pasaje. Es ist Juni und der Nobelpreisträger weilt zu Besuch auf der Ranch seines Freundes Antonio in Medina-Sidonia. Von dort fahren sie zur Feria von Algeciras am 15. bis 21. Juni. Und von Medina-Sidonia ist es nur ein Katzensprung zur Küste bei Conil.
An der Eckwand des Restaurants El Pasaje, neben jenem Tisch, wo der Nobelpreisträger und sein Freund aus Ronda gesessen haben, erinnern die Besitzer seit kurzem an den berühmten Gast aus Übersee. Mit einem Zeitungsausschnitt, Fotos und einer Inschrift hat Tomás González diese Erinnerungsecke gestaltet.
Die Inhaberfamilie Sánchez, die das beliebte Restaurant an der Avenida de la Playa seit 1929 Jahren nun bereits in vierter Generation betreibt, zeigt sich stolz auf den prominenten Besucher von einst. Die volkstümliche Gaststätte, die in erster Linie zum Meer liegt, weckt die Erinnerung an den Schriftsteller zu neuem Leben. Erinnerungen, die vorher als Anekdoten von Generation auf Generation mündlich übertragen worden sind.
Die Tageszeitung Diario de Cádiz erinnert am 12. Juli 1961 an den Besucher des El Pasaje. Der Nobelpreisträger hat sich Tage zuvor in Ketchum das Leben genommen. Foto: W. Stock.
Im Jahr 1929 hat Diego Sánchez Moreno einen Ausschank in einer einfachen Hütte am Strand von Los Bateles in Conil de la Frontera eröffnet. Fast hundert Jahre später ist das El Pasaje ein gastronomisches Juwel, das aus Conil nicht wegzudenken ist. Die privilegierte Lage an der breiten Strandpromenade zieht Einheimische ebenso wie Touristen an.
José im Speisesaal und drei Köche im Küchentrakt legen Wert auf genussreiche Speisen und einen guten Service. Das El Pasaje steht für eine bodenständige Qualitätsküche, hochwertig, jedoch ohne abgehoben zu sein. Regionale Produkte werden mit einer innovativen Kulinarik verbunden. Vor allem die populären Fischspeisen aus Andalusien werden gerne bestellt.
Traditionelle Gerichte, ohne Schnickschnack, findet man auf der Speisekarte. Zu den Highlights gehört der
Der Fischfang prägt das Bild der weißen Stadt Conil de la Frontera in Andalusien. Foto: W. Stock, April 2023.
Am 5. August 1959 verfasst Ernest Hemingway auf dem pompösen Landgut La Cónsula in Málaga einen langen handschriftlichen Brief an seinen Sohn Patrick in Übersee. Dieses Schreiben sprüht nur so vor Heiterkeit, der Nobelpreisträger lebt auf in seinem Traumland Spanien. Mit den Freunden Antonio Ordóñez und Bill Davis ist der Amerikaner häufig unterwegs und erkundet den Süden der iberischen Halbinsel.
Der bärtige Schriftsteller schwärmt von Andalusien, besonders die Region um Cádiz hat es ihm angetan. Das ist eine Gegend, die ich noch nicht gekannt habe, und sie würde Dir sehr gefallen. In diesem Landstrich werden wir uns in einem Küstenort namens Conil etwas Land kaufen. Das ist noch alles so wie in den alten Tagen, bevor alles kaputtgemacht wurde. Ein prächtiger Strand, nette Leute, eine echt arabische Stadt und gute Fischer wie in Cojímar.
Mit dem Torero Antonio Ordóñez ist Ernest Hemingway im Juni 1959 in Conil gewesen. Der Stierkämpfer besitzt eine Farm in Medina-Sidonia, 40 Kilometer im Landesinneren, von dort sind es 40 Autominuten bis ans Meer. Conil de la Frontera, das Städtchen an der Küste, hat es dem Amerikaner, der auf Kuba lebt, besonders angetan. Es erinnert ihn an Cojímar, Ernesto liebt den genügsamen und geerdeten Alltag am großen Wasser.
In Conil de la Frontera am spanischen Atlantik leben heute 23.000 Personen, im Sommer steigt die Zahl an auf über 100.000. Es ist ein pittoreskes Fleckchen südlich von Cádiz, mit engen Gassen und bunten Patios. An der Costa de la Luz endend dieses Pueblo Blanco, eines jener weißen Städtchen, die so typisch sind für Andalusiens. Die Menschen in Conil, sie leben überwiegend vom Tourismus und dem Fischfang, haben sich eine unprätentiöse Gangart bewahrt.
Von den Phöniziern gegründet, erobern im Laufe der Jahrhunderte die Tartessos, die Römer, schließlich die Muslime den Ort am Meer. Jede Kultur hinterlässt in Conil de la Frontera ihre Spuren in der Form von Brunnen, Türmen und Gebetshäusern, manche sind noch heute zu bewundern. Architektonisch merkt man dem Dorf besonders seine arabische Tradition an. Der Stil der Mauren, der sich durch einfache Materialien und eine an die widrige Natur angepasste Bauweise auszeichnet, ist weiterhin präsent.
Conil de la Frontera – ein zu entdeckendes Juwel. Foto: W. Stock, April 2023.
Die Mauren gründen Schulen und fördern die Wissenschaft. In der Landwirtschaft führen die Araber Bewässerungssysteme ein, um das trockene Land fruchtbar zu machen. Ab dem 9. Jahrhundert entwickelt sich der Islam für 600 Jahre zur einflussreichen Religion in Spanien, doch Juden als auch Katholiken können in der convivencia ihrem Glauben nachgehen. In dieser Zeit des friedlichen Zusammenlebens bereichern sich die Religionen gegenseitig mit Ideen und Neuerungen.
Nach der Reconquista verschreibt sich Andalusien einem
Wir verwenden Technologien wie Cookies, um Geräteinformationen zu speichern und/oder darauf zuzugreifen. Wir tun dies, um das Surferlebnis zu verbessern und um (nicht) personalisierte Werbung anzuzeigen. Wenn du diesen Technologien zustimmst, können wir Daten wie das Surfverhalten oder eindeutige IDs auf dieser Website verarbeiten. Wenn du deine Zustimmung nicht erteilst oder zurückziehst, können bestimmte Funktionen beeinträchtigt werden.
Funktional
Immer aktiv
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt.Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.