Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Kategorie: Frauen Seite 2 von 5

Ernest Hemingway – Sex als Kontrapunkt

Ernest Hemingway in den 1930er Jahren: Ein Angler, der seine Angelrute oft und weit wirft. Credit Line: Public Domain.

Neben seiner krankhaften Alkoholsucht und seiner rastlosen Gier nach attraktiven Frauen treibt ihn vor allem der Gedanke an den Tod um. Die Beschäftigung mit dem eigenen Ende und der Geschlechtstrieb scheinen offensichtlich als seine stärksten Kräfte. Alles andere kommt in seiner Werte-Skala weiter hinten. Die platonische Liebe? Ein romantischer Trugschluss. Kinder? Nur wenn sie so werden wie er. Geld? Unwichtig. Das Saufen? Nötig, um die Angst, vor dem eigenen Tod halbwegs auszuhalten.

Eigentlich schreibt dieser Mann, weil er nicht sterben will und weil er von den Frauen geliebt werden möchte. Aber, diese Frage plagt ihn im Alter, was passiert, wenn er nicht mehr im Stande ist, zu schreiben? Und, genauso schlimm, was passiert, wenn dieser Angler seine Angelrute nicht mehr hochkriegt. Im Alter wird der Schriftsteller des Öfteren von Potenzstörungen geplagt und es fühlt sich für ihn genauso an, wie wenn er eine leere Seite nicht mit Wörtern und Sätzen füllen kann.

Das körperliche Verlangen wird für Ernest Hemingway eine der Energien, die ihn am Leben hält. Gleichzeitig spürt er die Faszination des Todes. Und vielleicht ist diese morbide Faszination noch stärker als der Liebestrieb. Ernest Hemingway möchte lieben und er möchte im gleichen Sinne über Leben und Tod bestimmen. Lieben und töten. Auch so erklären sich seine unkontrollierten Wutausbrüche gegenüber Frauen und Freunden, sein gelegentlicher Hass auf jedermann, den er liebt. Oder auch die Vernichtung von anderen Lebewesen, seien es die Fische, die Vögel oder die Stiere.

Manchmal wünscht sich Ernest Hemingway, beim Liebesspiel, genau auf dem Gipfel der Lust, rumms, mausetot umzufallen. Welch prachtvoller Exitus! Für Ernest Hemingway gehören Libido und Tod irgendwie zusammen. Der Gedanke an die Sexualität führt den Schriftsteller nicht gerade selten an den Gedanken des Todes. Und umgekehrt genauso. Vielleicht deshalb, weil beide Empfindungen zugleich als die beiden Pole seines Lebens wirken.

Körperliches Verlangen ist die Voraussetzung für die Entstehung neuen Lebens, und der Tod bildet den unumstößlichen Schlusspunkt desselben Lebens. Der Liebes-Trieb und der Todes-Trieb erweisen sich als die zwei Pole derselben Lebensenergie, als ein Anzünden und als ein Erlöschen der Dynamik allen Lebens. Und für Ernest Hemingway besteht eine emotionale Verbindung zwischen diesen beiden Polen.

Doch der Antrieb für seine sexuelle Rastlosigkeit sitzt tiefer: Ihn schmerzt, dass die Gestaltungsmöglichkeiten des Menschen so begrenzt bleiben. Der Sex lenkt ihn ab und tröstet ihn zugleich. Die körperliche Explosion ist so etwas wie der Kontrapunkt zum Tod. Nach dem Geschlechtsakt fühlt sich Ernest Hemingway oft wie neugeboren. Bei wirklich gutem Sex ist es, wie wenn sich der Geist vom Körper trennt. Ein kleiner Teil des Lebens muss erst absterben und Platz machen für etwas Neues.

Es ist ein kleiner Tod, den man stirbt, bei jedem guten Orgasmus. Aber jeder erfolgreiche Orgasmus erzeugt auch ein neues kleines Leben. Man kann diese Argumentation auch ein wenig wenden. Solange er zu solchen Gefühlsausbrüchen fähig ist, solange ist er

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Vor genau 100 Jahren: Ernest Hemingway trifft Gertrude Stein zum ersten Mal

Die Telefonkarte der Gertrude Stein in Paris.

Am 8. Februar 1922 besuchen Ernest Hemingway und seine Ehefrau Hadley Richardson die amerikanische Schriftstellerin Gertrude Stein, sie sind zum Nachmittagstee eingeladen. Das junge Ehepaar ist neu in Paris, mit einem Empfehlungsschreiben des Schriftstellers Sherwood Anderson werden dem unbekannten Journalisten die Türen zu der wohlhabenden Kunstsammlerin geöffnet.

Gegen 17 Uhr treffen die Hemingways in dem Apartment in der Rue de Fleurus 27 ein, wo Gertrude Stein mit ihrer Lebensgefährtin Alice Toklas lebt. Stein ist zu jenem Zeitpunkt 48 Jahre alt, Ernest Hemingway gerade mal 22. Es wird der erste Besuch von vielen, Gertrude Stein nimmt fortan die Rolle einer Mentorin ein für den jungen Mann aus Chicago, ein wenig vielleicht auch die Mutterrolle in der Fremde.

Gertrude Stein ist selbst eine Schriftstellerin, zwar mit mäßigem Erfolg, doch von ungeheuerem Fleiß und mit Mut zur Innovation. Sie veröffentlicht originelle Erzählungen und Bühnenwerke, auch der Umfang ihres Briefwechsels bleibt beachtlich. Mit ihrer experimentellen Erzählweise – wie in ihrem über tausend Seiten dicken Hauptwerk The Making of Americans. Geschichte vom Werdegang einer Familie – setzt sie sich über die üblichen grammatikalischen Konventionen hinweg, verzichtet weitgehend auf Satzzeichen und baut endlose Variationen und Satzwiederholungen ein.

Eine neue Welt für Ernest Hemingway. Eigentlich ziemlich grün hinter den Ohren, durchlebt der 22-Jährige während seiner sechs Jahre in Paris eine dreifache Wandlung. Er wird vom Amerikaner zum Weltbürger, er wechselt vom Journalismus zur Schriftstellerei und er wandelt sich vom Zyniker zum Romantiker. Die Metamorphosen des Ernest Hemingway haben vor allem mit den Menschen zu tun, die in Paris zu seinem Freundes- und Bekanntenkreis gehören.

In ihrem literarischen Salon schart Frau Stein die experimentierfreudigen Künstler jener Zeitepoche um sich, interessante Menschen mit spannenden Ideen. Die Maler Pablo Picasso, Henri Matisse und Georges Braque gehen bei ihr ein und aus, auch die Schriftsteller Ezra Pound, F. Scott Fitzgerald und James Joyce oder die Komponisten Darius Milhaud und Arthur Honegger. Zu ihnen gesellt sich ab Februar 1922 dieser unbekannte Journalist aus Chicago namens Ernest Hemingway, der hochgewachsene Korrespondent für die kanadische Tageszeitung Toronto Star fällt auf durch ein gesundes Selbstbewusstsein und höhere Ambition.

Die Mäzenin aus Pittsburgh ist eine Person von Einfluss und Erfahrung in den Pariser Künstlerkreisen, sie findet Gefallen an dem kernigen Kerl und fördert seine Begabung als Autor. Die bodenständige Hadley allerdings wird mit der eigenwilligen Künstlerin nicht warm und fühlt sich in deren Gesellschaft unwohl. Sprachlos reagiert sie, als Gertrude Stein vorschlägt, Hadley solle ihr schönes langes Haar doch kurz schneiden lassen. Ernest hingegen, in der Engstirnigkeit von Oak Park aufgewachsen, amüsiert die Blickerweiterung, auch die erotische, die Paris zu bieten hat.

Gertrude Stein wird zu einer klugen Lehrmeisterin für Ernest. Sie liest seine Entwürfe, korrigiert, regt Verbesserungen an. Als sie das Manuskript Up in Michigan durcharbeitet, bezeichnet sie es als unpublizierbar. Gertrude Stein hält Hemingways Schauplätze für passé, das meiste spielt sich in der Seenlandschaft des ländlichen Nordens seiner Heimatregion ab. Er möge doch nicht über Themen schreiben, die keiner lesen will. Vielmehr solle er sich mit dem Neuen befassen, das er im lebhaften Paris und in Europa vorfinde.

Darüber hinaus sensibilisiert sie Hemingway für die Wichtigkeit der Wörter, erklärt ihm die Bedeutung von Wortwiederholungen, drängt ihn zu einer minimalistischen Erzählweise, seine lakonischen Sätze zeigen ihren Einfluss. Ernest Hemingway lernt schnell, ab 1924 ist er nicht mehr auf die Ratschläge der Frau Stein angewiesen, seine Sicht der Dinge, seine Themenkreise und sein Stil beginnen sich zu festigen.

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Gertrude Stein mit dem Hemingway-Baby John, Paris 1924. Credit Line: Public Domain.

Privat vertieft sich die Freundschaft zunächst. Gertrude Stein und Alice Toklas werden Taufpatinnen von Sohn John, der 1923 geboren wird und in Paris aufwächst. Liebevoll kümmert sich das lesbische Paar um den Sprössling der Hemingways, geht mit ihm spazieren, besucht die Spielplätze und die Parks, wie den Jardin du Luxembourg, der von der Rue de Fleurus um die Ecke liegt.

Gertrude Stein erkennt klar und deutlich

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Vor genau 100 Jahren: Paris erobert Ernest Hemingway

Ein junger Journalist in Paris. Das Passport-Foto des Ernest Hemingway aus dem Jahr 1923. Credit Line: Public Domain.

Am 21. Dezember 1921 erreichen Ernest Hemingway und Hadley Richardson nach zwei Wochen auf dem französischen Atlantikdampfer Leopoldina, aus Hoboken bei New York kommend, die europäische Küste. In Cherbourg nimmt das Ehepaar den Nachtzug nach Paris. Wenige Monate zuvor, Anfang September, haben der 22-Jährige Ernest und die acht Jahre ältere Hadley in Horton Bay, in Michigan, im Familienkreis geheiratet.

Das junge Paar plant, sich für längere Zeit in Paris niederzulassen. Zunächst mieten sie das Zimmer mit der Nummer 14 im Hôtel Jacob et d’Angleterre in der Rue Jacob im Stadtteil Saint-Germain-des-Prés. Sogleich empfindet Ernest eine tiefe Verbundenheit mit seiner Wahlheimat. Er wird den Protagonisten seines ersten großen Romans – The Sun Also Rises aus dem Jahr 1926 – deshalb Jacob nennen, Jacob Barnes, mit Spitznamen Jake

Als Korrespondent der kanadischen Tageszeitung Toronto Star kommt Ernest nach Übersee, mit dem Auftrag, sich in Europa umzuschauen. Die alte Welt ist in jenen Jahren ein Kontinent in Aufruhr, mit Ländern, die nach dem Weltkrieg durchgerüttelt werden von politischen Konflikten und sozialen Erschütterungen. Der junge Journalist wird hineingeworfen in den alten Kontinent, es ist die Weihnachtszeit 1921 und er weilt weit von der Familie. Briefe dauern Wochen und ein Telegramm kostet einen Dollar pro Wort, ein kleines Vermögen.

Ernest spricht kein Französisch und es wird zwei Jahre dauern, bis er sich einigermaßen verständigen kann. Hadley ist flinker, sie erlernt schnell die fremde Sprache und es wird ihr obliegen, den Schriftverkehr mit den Behörden zu erledigen. Das Ehepaar findet schnell Anschluß an die Expat-Gemeinde in Paris. Gertrude Stein, Ezra Pound, Lewis Galantière und Sylvia Beach von der Buchhandlung Shakespeare and Company in der Rue l’Odéon werden zu guten Freunden. 

Frisch verliebt und voller Träume leben Ernest und Hadley von wenig Geld in der Hauptstadt Frankreichs. Als freier Korrespondent verdient er nicht gerade üppig, eine kleine Erbschaft von ihr hält beide über Wasser. Das Liebespaar verbringt unbeschwerte Monate in der so quirligen Metropole, sie sind arm, aber glücklich, wie Hemingway des Öfteren anmerkt. Es gibt nur zwei Orte auf der Welt, wo der Mensch glücklich sein kann. Die Heimat und Paris.

Das Le Pré Aux Clercs in der Rue Bonaparte, direkt um die Ecke vom Hotel, wird ihr neues Lieblingsrestaurant. Hadley entpuppt sich als Naschkatze, die das französische Gebäck und den köstlichen Kuchen nur so verschlingt. Auch ihr Ehemann wirkt, als lebe er im siebten Himmel. Für einen jungen Mann, der seiner rigiden Erziehung und der nüchternen Enge des Mittelwestens der USA entflohen ist, gleicht das Paris der 1920er Jahre einem

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Ernest Hemingway mit Pascin im Dôme

Jules Pascin: Ein Mann mit einem Glas Wein. In Paris. Aus dem Jahr 1923.

Paris in den 1920er Jahren ist für jemanden, der in der calvinistischen Enge des amerikanischen Mittelwestens groß geworden ist, ein himmelweites Paradies der Sinnenfreude. Während in der Heimat Wirtschaftskrisen, Mafia und Prohibition die gute Laune verderben, hockt der aus dem Land vertriebene Müßiggang im Café de Flore in Saint-Germain-des-Prés und nippt an einem Cabernet

Die französische Hauptstadt zieht all die jungen Frauen und Männer an, die auf Neues aus sind. Maler mit frischen Stilformen, Schriftsteller mit rasanten Texten, Komponisten, denen acht Töne nicht genügen. Ernest Hemingway wird hineingeworfen in diese quirlige Welt, er taucht ein, er lernt und er genießt die Unbeschwertheit und das Wohlbehagen an der Seine. 

Der junge Amerikaner, er ist Anfang 20, lernt die kulturelle Avantgarde jener neuen Zeitepoche kennen. Ernest Hemingway trifft auf Ezra Pound, James Joyce, Joan Miró, Pablo Picasso, Gertrude Stein, Ford Madox Ford, F. Scott Fitzgerald. Man nennt sie die lost generation, die verlorene Generation, weil nach dem schlimmen Krieg die Werte modrig geworden sind, und das Neue erst langsam an Kontur gewinnt.

An einem Abend trifft Ernest Hemingway im Café du Dôme am Boulevard du Montparnasse den bulgarischen Maler Jules Pascin. Der Expressionist, Jahrgang 1885, macht vor allem durch freizügige Frauenakte von sich reden. Hemingway gesellt sich zu dem Maler, der mit zwei bildhübschen jungen Frauen, seinen Modells vom Arbeitstag, an einem Tisch sitzt.

Im Laufe des Gesprächs fragt ein zunehmend betrunkener Pascin den US-Amerikaner, ob er nicht mit einer der beiden Frauen in Bett möchte. Und prompt macht sich dann eine der Schönen fordernd an den Schriftsteller heran, zeigt ihre Reize, Pascin bietet sein Atelier als Liebesnest an. Doch Ernest Hemingway löst sich aus der lasziven Situation, verabschiedet sich und geht nach Hause zu seiner Ehefrau Hadley.

Jules Pascin ist ein Ruheloser. Budapest, Wien, London, München, Berlin, die USA, der Bulgare reist viel. Dies hat er mit Hemingway gemein. Die beiden verstehen sich gut. Der Mann aus Chicago mag den Stil des Künstlers und seinen jovialen Charakter. Pascin war ein sehr guter Maler, und er war betrunken, ständig, vorsätzlich betrunken, aber bei klarem Verstand. In der Tat malt Pascin wie ein Besessener, Tausende Bilder und Skizzen.

Ein manischer Künstler, angetrieben von Rastlosigkeit und dem Alkohol. Im Grunde seines Herzens indes ein Romantiker. Hin und her gerissen zwischen Ehefrau, Geliebte und seinen Modells. Wenn er feiert, und er feiert jeden Tag, findet man ihn in den Bars und Restaurants von Paris, umringt von Freunden und koketten Frauen. Seine Bilder verkaufen sich gut, das schöne Geld fließt in den Wein.

Das Schicksal meint es nicht gut mit dem Maler. Früher hat er farbenprächtige Landschaften auf Kuba und in Mexiko gezeichnet, mit der Zeit werden seine Gemälde und Zeichnungen

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Paris – The Greatest Luck

„Wenn du soviel Glück hattest, als junger Mensch in Paris gelebt zu haben, dann bleibt die Stadt für den Rest deines Lebens bei dir, einerlei wohin du auch gehen magst. Denn Paris ist ein Fest fürs Leben.“

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Ernest Hemingway heiratet Mary Welsh

Mary Welsh fährt gerne mit ihrem Ehemann Ernest Hemingway auf der Pilar hinaus in den Golfstrom vor Kuba.

Ernest Hemingway und Mary Welsh lernen sich während des Zweiten Weltkriegs in London kennen. Beide sind anderweitig verheiratet, doch sogleich spüren beide Seiten eine magische Anziehung. Die Journalistin, sie arbeitet für das Nachrichtenmagazin TIME in der englischen Hauptstadt, ist eine starke Frau, die überaus erfolgreich im Berufsleben steht. Andererseits gefällt der neun Jahre jüngeren Frau das Werben des berühmten Schriftstellers.

Auch Ernest ist von der selbstbewussten blonden Frau begeistert und wirft den Flirt-Turbo an. Es dauert nicht lange und er macht ihr einen Heiratsantrag. Mary denkt im ersten Augenblick, er sei betrunken. Das ist er tatsächlich, doch der bärtige Autor meint es ernst mit seiner Heiratsabsicht. Sie ziert sich noch ein wenig, die Eskapaden des Schriftstellers sind gemeinhin bekannt, doch schon bald ist von einer gemeinsamen Zukunft auf Kuba die Rede.

Nach Ende des Krieges besucht Mary Welsh ihren Schwarm auf seinem Anwesen in San Francisco de Paula, er hat ihr zuvor fast täglich feurige Liebesbriefe geschrieben. Sie kommt in eine für sie fremde Welt, es ist ihr erster Besuch auf der karibischen Insel, sie ist des Spanischen nicht mächtig. Doch die kecke US-Amerikanerin ist sogleich angetan von Ernests kubanischem Garten Eden und von dem lässigen Leben auf der Finca Vigía.

Nach wenigen Wochen auf Kuba ist sie bereit, ihren Beruf in London aufzugeben und zu Ernest Hemingway in das tropische Abenteuerambiente zu ziehen. „Es hat viele Vorteile“, erklärt sie Lucy Moorehead, einer Freundin, „einfach eine Ehefrau zu sein und nicht eine gehetzte Karrierefrau im Konkurrenzkampf.“

Im Sommer fliegt die 37-Jährige zu ihren Eltern nach Minnesota und leitet die Scheidung von Ehemann Noel Monks ein. Das Ehe-Aus von Ernest mit Martha Gellhorn wird

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Miss Mary rackert wie eine Ziege

Mary Welsh, eine bezaubernde und selbstbewusste Mrs. Hemingway, in Cabo Blanco, Ende April 1956. Foto: Modeste von Unruh.

Die burschikose Mary Welsh in ihrem kurzärmeligen Hemd beeindruckt ihre Umgebung als kultivierte und patente Frau gleichermaßen. Die Ehepartnerin des Nobelpreisträgers weiß als Grande Dame mit betont guten Manieren zu überzeugen, gleichgültig an welchem Punkt dieses Erdballs. Die elegante Lady mit der kurzen Blondhaar-Frisur, die selbst in der Einöde von Cabo Blanco auf feinen Schmuck nicht verzichten mag, jedoch dezent getragen, wirkt bisweilen wie das glatte Gegenbild zu ihrem eher großkotzig auftretenden Ehemann.

Wenn Mary Welsh ihre Wayfarer-Sonnenbrille aufsetzt und sich auf der Terrasse des Cabo Blanco Fishing Clubs sonnt, dann steht die Ausstrahlung dieser aparten Frau in einem merkwürdigen Kontrast zu dem grauen und schroffen Landstrich Nordperus. Doch wenn man sie eine Weile beobachtet, fällt auf, wie wissbegierig und geradeheraus sich Mrs. Hemingway auf das Fremde einlässt.

Es ist vor allem Miss Mary zu verdanken, dass ihr Ehemann leidlich durch den Tag kommt, dass Ernest es mit dem Saufen nicht übertreibt und dass er zumindest ein wenig auf gesundes Essen achtet. Mary Welsh schützt ihren sprunghaften Gatten, auch wenn dieser es nicht so sehen wird, sie schirmt ihn ab vor den Widrigkeiten des Alltags und hauptsächlich schützt sie ihn vor sich selbst. Als Universaltalent beeindruckt sie den Schriftsteller immer wieder.

Miss Mary ist hartnäckig, verrät ein ausgelassener Ernest Hemingway freimütig in der US-Zeitschrift LOOK vom September 1956 über seine Ehefrau, sie ist darüber hinaus tapfer, charmant, witzig, es ist aufregend, sie anzusehen, ein Vergnügen mit ihr zu leben und sie ist eine gute Frau. Auch ist sie eine großartige Anglerin, ein anständiger Tonscheiben-Schütze, eine starke Schwimmerin, eine verdammt gute Köchin, sie hat viel Ahnung von Wein, ist eine exzellente Gärtnerin, eine Amateur-Astronomin, eine Studentin der Kunst, der Politik, des Suaheli, des Französischen und der italienischen Sprache. Und sie kann ein Boot auf Spanisch befehligen und einen Haushalt. Sie kann auch gut singen, mit einer klaren und reinen Stimme, sie kennt mehr Generäle, Admirale, Flugzeugmarschälle, Politiker und Berühmtheiten.

Die Lobeshymne mit der endlosen Aufzählung fällt denn doch ein wenig aus dem üblichen Stilduktus des Ernest Hemingway. Sei‘s drum, wenn er Gelegenheit findet, dann stimmt der Schriftsteller zumindest in der Öffentlichkeit das Hohelied auf seine Miss Mary an. Doch ganz so rosig sieht der Ehealltag hinter der Fassade nicht aus. Beide leiden. Ernest unter ihrer rigorosen Fuchtel und Mary unter seinen Alkoholexzessen und den unzähligen Seitensprüngen.

Drei turbulente Ehen hat Ernest Hemingway schon hinter sich. Das ist meine vierte und letzte Ehefrau, so stellt er die bezaubernde Blondine im Cabo Blanco Fishing Club vor. Der Nobelpreisträger lächelt dabei schelmisch und man darf raten, was er mit dem humorvollen Hinweis auf Mary als seine letzte Ehefrau denn meint. Ob er seiner Ehe eine lange Dauer gibt oder seinem Leben eine kurze.

Mary Welsh selbst findet rasch Gefallen an Cabo Blanco und an der harschen Gegend am peruanischen Pazifik. Sie bewegt sich selbstsicher auf dem ungewohnten Terrain und ist diejenige der amerikanischen Gäste, die am meisten mit den Einheimischen kommuniziert. Mrs. Hemingway interessiert sich für die regionalen Gepflogenheiten, für die Küche oder auch für die Geschichte ihres Gastlandes.

Dabei verreist Mary höchst ungern in die Ferne. Denn Ernest Hemingways Ehefrau leidet seit langem an…  (Anfang von Kapitel 16 der Neuerscheinung Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru. Eine weitere Leseprobe: hier klicken).

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Ernest Hemingway trifft auf Martha Gellhorn

Martha Gellhorn mit Ernest Hemingway 1937 im Spanischen Bürgerkrieg. Credit Line: Ernest Hemingway Collection. John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston

Der Schriftsteller lebt von 1931 bis 1939 mit seiner zweiten Ehefrau Pauline Pfeiffer und den beiden gemeinsamen Kindern Patrick und Gregory in dem herrschaftlichen Haus an der Whitehead Street von Key West. Eigentlich könnte Ernest Hemingway sein Leben genießen, er hat beruflich Erfolg, die Familie ist gesund und munter, er selbst befindet sich körperlich in einer guten Verfassung. Alles in allem sind es vergnügte Tage, Wochen und Monate in Südflorida.

We have a fine house here, and the kids are all well, schreibt er in einem Brief, das Haus sei schön und die Kinder wohlauf. Gleichwohl brodelt es in seinem Innersten: Er verhält sich zunehmend reizbar und wirkt angespannt, denn er fühlt sich nicht am Ziel. Freunde bemerken an ihm eine innere Getriebenheit und eine emotionale Ruhelosigkeit. Und auch die Ehe mit der bedrückten Pauline köchelt nur lau vor sich hin.

Ernest Hemingway, auf seinem luxuriösen Anwesen in Key West, will zur Jagd nach Wyoming aufbrechen. Doch zwei Begebenheiten werden die tropische Behaglichkeit ins Wanken bringen. Zum einen erreicht ihn die Nachricht, dass in seinem geliebten Spanien mit dem Putsch reaktionärer Offiziere der Bürgerkrieg ausgebrochen ist. Und zum anderen prallt er auf eine neue Frau, ach was, ein blonder Marschflugkörper auf zwei Beinen donnert auf ihn zu.

Eine wunderschöne 28-jährige Amerikanerin aus Missouri tritt zu Weihnachten 1936 in sein Leben. Martha Gellhorn, auf Urlaubsreise mit Mutter und dem Bruder Alfred in Miami, macht einen Abstecher mit dem Bus nach Key West. Am späten Nachmittag betritt die junge Frau das Sloppy Joe’s in einem schwarzen Kleid, das ihre langen goldblonden Haare noch mehr strahlen lässt. Martha, schlank, mit einem ebenmäßigen jugendlichen Gesicht, zieht sogleich die Blicke aller Männer in der Kneipe auf sich. 

Der Schriftsteller springt aus seinem Hocker an der Theke, nähert sich dem Tisch der Gellhorns, schnappt sich ungefragt einen Stuhl und setzt sich zu der Familie. Ernest Hemingway, stellt er sich vor, Sie müssen den doppelten Daiquirí probieren. Mutter Gellhorn nickt kurz. Vier Papa Dobles, ruft der Autor dem schwarzen Barkeeper Al Skinner zu. Zwischen Martha und Ernest knistert es, von der ersten Sekunde an.

Ein ungewöhnliches Pärchen hat sich da im Sloppy Joe’s gefunden. Hier die blassgesichtige und chic gekleidete Intellektuelle, dort der groß gewachsene sonnengebräunte Hallodri, dem das ungekämmte Haar wild über die Stirn ins Gesicht fällt und der seine Fischershorts mit einem einfachen Hanfstrick gebunden hat. Auf den ersten Blick sieht der wohlhabende Schriftsteller in seiner Kluft aus wie

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Marlenes Stimme bricht das Herz des Ernest Hemingway

Ernest Hemingway ist in Marlene Dietrich verschossen, in diese Frau mit den endlos schlanken Beinen. Der arme Mann wird überwältigt von ihrer Ausstrahlung. Über Jahre und Jahrzehnte bleibt sie seine Geliebte, wenn auch nur platonisch. Ernest dreht voll auf, wenn er an die blonde Schauspielerin aus Deutschland denkt. Du bist wunderschön, und ich bin hässlich, schreibt der sonst so selbstbewusste Schriftsteller der Schauspielerin im Jahr 1952.

Marlene Dietrich erwidert die Gefühle. „Der faszinierendste Mann, den ich kenne“, lässt die Hollywood-Schauspielerin über ihn verlauten und es klingt ganz so, als wüsste sie, wovon sie redet. Die beiden sind Bruder und Schwester im Geiste. Denn Papa, wie Ernest Hemingway sich von Freunden am liebsten rufen lässt, und die attraktive Berlinerin teilen eine verwandte Auffassung vom Leben.

Genauso wie der Mann aus Chicago liebt Marlene Dietrich die Unabhängigkeit, das Eigenwillige und das Abenteuer. Der Schriftsteller und auch die Schauspielerin benehmen sich ein wenig selbstverliebt, weil jeder im anderen wohl auch ein wenig sein Alter Ego sieht. Möglicherweise möchte Ernest sich über Marlene auch ein wenig mehr selbst lieben.

Die 1950er Jahre, der Höhepunkt ihrer Liebelei, werden zu einer triumphalen Dekade für Marlene. Nachdem ihre Karriere in Hollywood einen Knick erhalten hat, tritt die Berlinerin nun als Entertainerin im Sahara von Las Vegas auf. Sie beginnt die Zusammenarbeit mit dem jungen Burt Bacharach, einem genialen Komponisten und Arrangeur, der aus der Schauspielerin einen umjubelten Gesangsstar formt. 

Obwohl Marlene in Wirklichkeit gar nicht singen kann, sie besitzt eine nicht sehr tragende Stimme, die gerade einmal eine magere Halboktave ausfüllen kann. Wenn die Dietrich Moon River oder Ne me quitte pas singt, klingt es ähnlich wie bei der Weihnachtsfeier im Seniorenstift. Eine Stimme ohne Stimme, spotten die Musikkritiker. Das stimmt, doch es ist nur die halbe Wahrheit.

Ernest Hemingway, ein Gefühlsmensch durch und durch, ist entflammt von ihrer Stimme. Wer wäre das nicht? Ihre ganze Erscheinung, das grazile Auftreten, die betont laszive Garderobe und erst recht diese zerbrechliche Raucherstimme, ummanteln die Dietrich mit einer Aura, die in der Musikwelt ihresgleichen sucht. Als sie Pete Seegers Antikriegslied Where Have all the Flowers Gone mehr flüsternd und flehend als singend darbietet, läuft es selbst den Deutschen eiskalt über den Rücken.

Go ´Way from my Window, eigentlich ein mittelprächtiger alter Folksong von John Jacob Niles, singt Marlene Dietrich so hingebungsvoll, dass man

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Ernest Hemingway und der große Vogel

Was passiert, wenn er einmal nicht mehr seine Angelrute in Anschlag bringen kann? Ernest Hemingway mit Ehefrau Mary auf der Pilar. Foto: George Leavens.

In seinen Werken findet man die Erotik zwischen Mann und Frau in Hülle und Fülle, auch wenn Ernest Hemingway den Sex kunstvoll hinter den Zeilen verstecken muss, die Zeiten sind halt prüde. Wie in Über den Fluss und in die Wälder, als Contessa Renata und Colonel Cantwell zusammen sind und the great bird had flown out of the closed window. Der große Vogel ist plötzlich durch das geschlossene Fenster nach draußen geflogen. Ein flatternder Vogel, wen wundert’s, der für den Orgasmus steht.

Oder wenn ein Mann und eine Frau in Hemingways Erzählungen in trauter Zweisamkeit zusammen weilen, und es an der Oberfläche zwar merklich knistert, doch der Eisberg-Maestro sich wie üblich weitere Details verkneift. Wenn allerdings Ernest Hemingway anschließend seinen nächsten Satz mit einem Dann oder Danach einleitet, so ahnt der Kenner, dass es zuvor wohl heftig geklingelt hat.

Auch im Leben des Ernest Hemingway ist die Sexualität eine der maßgeblichen Triebfedern, der Schriftsteller fühlt sich zeit seines Lebens als körperlicher Mann. Viele Fotografien mit ihm, auch wenn sie scheinbar ein ganz anderes Thema abbilden, strotzen nur so vor unterschwelliger Erotik. In Liebesdingen verhält sich Ernest Hemingway wie ein nimmersatter Narzisst, der ohne körperliche Anerkennung nicht auskommen kann.

Denn die schnell entflammte Zuwendung einer neuen Eroberung lässt ihn spüren, dass es ihn als Mensch gibt und dass er lebt. Ein Nachlassen dieser Aufmerksamkeit vermag er nicht zu ertragen, denn es erinnert ihn an die eigene Begrenztheit. So wundert es nicht, dass besonders in gefahrvollen Ausnahmesituationen sein Bindungsbedürfnis besonders stark ausschlägt.

In die Krankenschwester Agnes von Kurowsky verliebt Ernest sich – schrecklich verwundet – während des Ersten Weltkriegs. Mit Martha Gellhorn turtelt er in Madrid und um ihn herum schlagen die Granaten des Spanischen Bürgerkrieges ein. Mary Welsh schließlich macht er den Hof, beide in der Uniform eines Kriegskorrespondenten, zwischen den Schlachten des Zweiten Weltkriegs.

Das körperliche Verlangen wird für Ernest Hemingway eine der Energien, die ihn am Leben hält. Gleichzeitig spürt er die Fesselung durch den Tod. Und zeitweise ist diese Faszination des Morbiden noch stärker als der Liebestrieb. Ernest Hemingway möchte lieben und er möchte im gleichen Sinne sich über Leben und Tod erheben. Auch so erklären sich seine unkontrollierten Wutausbrüche gegen seine Ehefrauen, sein gelegentlicher Hass auf jedermann, den er liebt. 

All die sexuellen Eroberungen plustern seine Allmacht auf und das solcherart gestärkte Ego lenkt Ernest Hemingway für eine Weile ab vor dem bedrohlichen Gedanken an die Endlichkeit des eigenen Lebens. Doch je mehr sein Ruhm wächst, desto dünnhäutiger wird er. Weil die Erfolge im Liebesleben – auch wegen seines Narzissmus –  sich nicht als besonders tragfähig herausstellen.

Dieser Mann fällt immer in das gleiche Muster: Wenn er das Gefühl hat, von seinen Ehefrauen gekränkt zu werden, in seinen Empfindungen verletzt zu werden oder nicht genug beachtet zu werden, dann reagiert er wie ein angeschossenes Raubtier. Ernest Hemingway kontert dann

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