Das Portal zu Leben und Werk von Ernest Hemingway

Autor: Wolfgang Stock Seite 67 von 68

Hemingway im El Floridita

Havanna, im April 1983;
Photo by W. Stock

Die nächste Kneipe. Ecke Obispo-Straße mit Monserrate im kolonialen Havanna findet sich eine prima Adresse für hohe Prozente. El Floridita.

Nicht nur unter Schnapsnasen genießt Klein-Florida einen exzellenten Ruf. Ebenso unter Literaten. Haben die schwarzen Barhocker doch mehr nobelpreisgekrönte Arschbacken erspürt als jeder Fauteuil der Bibliotheque Nacionale de Paris.

Den Daiquirí schlürfte im El Floridita die Verlorene Generation, jene desillusionierten Mannsbilder, die im Ersten Weltkrieg all ihre Ideale verloren hatten und nicht so recht wussten, wie es nun weitergehen sollte.

Und da hocken sie um die mahagonigetäfelte Bar mit ihrem dezent dunklen Interieur: der Sprachzauberer John Dos Passos ebenso wie der Weichzeichner Scott Fitzgerald. Der Dichtertitan Ezra Pound, später der schrullige Weltenbummler Graham Greene. Und natürlich auch der unverwüstliche Ernest Hemingway, der sich an diesem Orte bereitwillig dem Suff hingab.

Auch wir tauchen ein, in bester Absicht, und nähern uns schweren Schrittes dem Tresen. Die lange Mahagonitheke schimmert matt. Auf den schwarzen Holztruhen der Schankanrichte ist in stolzem Goldton Wiege des Daiquirí auf Spanisch und Englisch angebracht. Genosse Barkeeper, wo ist der Maestro?, fragen wir.

Hemingways zweites Stammlokal in Havanna kultiviert

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Im Cabo Blanco Fishing Club

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Ernest Hemingway auf dem Meer vor Cabo Blanco, im Mai 1956;
Photo by Modeste von Unruh.

Kaum ist Ernest Hemingway im Cabo Blanco Fishing Club angekommen, zieht der Amerikaner sein dickes Sakko aus, wirft die Krawatte in den Koffer, holt die weißen Shorts heraus, ein kurzärmeliges weites Hemd, dunkle Schlappen, packt seine Angelsachen und macht sich auf. Der Nobelpreisträger tritt aus seinem kleinen Zimmer, geht über die Veranda in Richtung Strand.

Cabo Blanco ist, neben Máncora, Punta Sal und Colán, eines der kleinen Seebäder, die sich an der Nordküste Perus wie eine Perlenkette aneinanderreihen. In dieser Gegend ist das Klima verdammt rau, die Sonne drückt, ein trockener Wind weht und das Meer zeigt sich ungebändigt. Wenn El Niño wütet, dann sucht er sich diesen spröden Landstrich vor der Wüste von Sechura aus.

Just vor Cabo Blanco fließen zwei Strömungen des pazifischen Ozeans zusammen, hier klatschen von Süden der kalte Humboldt-Strom und von Norden die warmen tropischen Gewässer Ecuadors zusammen. Eine wundersame Kapriole der Natur, die für krachende Brecher und reiche Fischgründe sorgt. Nur hier lassen sich die größten Marline dieses Erdballs fangen.

Bei Kilometer 1.137 an der Panamericana liegt Cabo Blanco, etwas versteckt und unscheinbar. Bei El Alto muss man in Richtung Westen abbiegen und die Serpentinen zur Küste hinunterfahren. In den 1950er und 1960er Jahren war das winzige Fischerdorf ein bekannter Treffpunkt der internationalen Hochsee-Angler gewesen. Heute wirkt der Ort verfallen und heruntergekommen, wie das ganze Land.

Doch wer in den guten alten Tagen nach Cabo Blanco kam, der stieg in diesem Cabo Blanco Fishing Club ab, einem exklusiven Klubhotel, das Kip Farrington und Tom Bates im Jahr 1951 in den herben Landstrich direkt an der Küste bauen ließen. Das Grundstück gehörte der Lobitos Oil Company, darauf wurde die zweistöckige Hotelanlage, ein eher schlichter Kubus-Bau, errichtet.

Verwalter war in jenen Tagen der exilierte Pole Zygmunt Plater, der zusammen mit seiner Frau den Betrieb aufrecht erhielt. Etwa 20 reiche Mitglieder, unter Präsident Enrique Pardo Heeren, leisteten sich das Hobby und hielten mit 10.000 Dollar Jahresbeitrag den exklusiven Club am laufen. Im Cabo Blanco Fishing Club fand

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Tropicana – fidel unter dem Vulkan

Tropicana KubaHavanna strahlt in diesen Tagen, wir schreiben den April 1983, den Charme einer verlotterten Stadt aus. Zerstörte Strassen, zerbröckelnden Hausfassaden, ärmlich gekleidete Menschen. Ein sympathischer Charme durchaus, auch deshalb, weil der Mangel und die Not mit einer spürbaren Lebensfreude einher gehen.

Im diesem tristen kommunistischen Alltag auf Kuba erwartet uns am Abend eine farbenprächtige Abwechslung. Wenn man einen guten Tag erwischt, so hat man uns gesagt, dann endet die Show des Tropicana weit nach Mitternacht.

Wie auch immer, der Ruf des Tropicana bleibt legendär. Der beste Nachtclub der Welt. Xavier Cugat und Nat King Cole haben auf der Bühne dieses Freiluftclubs gespielt und an den Tischen, dort wo wir sitzen werden, da saß einst auch Ernest Hemingway.

So nähern wir uns denn neugierigen Schrittes diesem gerühmten Club unter dem schwülen Sternenhimmel Havannas. Vor uns sehen wir ein weitläufiges Areal, das von weitem eher an ein schmuckes Farmhaus erinnert. Tropicana prangt mächtig und bunt im Halbkreis über dem Eingang.

Ein Tisch vor der breiten Bühne wird

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Ernest Hemingway und Heinrich Böll

Heinrich Böll, auf der Buchmesse, aus Pappe. Photo by W. Stock

Ernest Hemingway war der Autor meiner Jugend. Wir Jungs, mit vielen Fragen im Kopf und wenig Antworten im Leben, haben seine Werke verschlungen. Und da gab es dann noch andere Schriftsteller, die wir verehrten. J. D. Salinger beispielsweise, diesen skurrilen Kumpan der Jugend, oder Heinrich Böll, den rheinischen Moralist.

Letzterer, auch Nobelpreis-Kollege, ist heute literarisch fast vergessen. Zu sehr hat er für seine Zeit geschrieben und innerhalb seiner rheinischen Scholle gewirkt.

Hemingway ist da aus ganz anderem Holz geschnitzt: Die Jahre haben ihm literarisch wenig anhaben können, die große Welt war sein Revier. Im Gegensatz zu Böll, der durch den linkschristlichen Glauben geprägt war, hat Ernest Hemingway seine Weltanschauung daraus bezogen, dass er sich die Welt angeschaut hat. Er ist hinaus ins Getümmel, hat miterlebt und mitgefiebert. Der Amerikaner, kein Ideologe, stand mit beiden Füssen im Leben.

Merkwürdigerweise – diese Fussnote muss bei Hemingway, Salinger und Böll erzählt werden – schnitten sich die Lebenslinien der drei Autoren.

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Gregorio Fuentes, Hemingways alter Kapitän

Ein Besuch bei Gregorio Fuentes in Cojímar/Kuba, im April 1983; Photo by W. Stock

In Cojímar nahe Havanna, auf Kuba, im April 1983.

Wer sich denn in Sachen Hemingway am besten auskenne, frage ich den Wirt der Hafenkneipe, nachdem ich den Teller Linsen, das einzige Mittagsgericht im Lokal, aufgegessen habe. Hemingway?, hebt der dicke Gastwirt fragend die Augenbraue.

Ja, sage ich, el Maestro, der Meister aller Klassen, Don Ernesto, sage ich. Ach, sagt der unlustige Wirt, dann gehen Sie am besten zu Gregorio, der wohnt oben im Dorf. Ich zahle ein paar Pesos für die Linsen, Pfennigbeträge, und mache mich auf zu Gregorio.

In Sachen Ernest Hemingway ist Gregorio Fuentes in der Tat die beste Adresse in Cojímar. Vielleicht ist er – neben seinen Kindern – die beste Adresse weltweit. Der rüstige Gregorio wohnt mit seiner Frau in einem kleinen, blau gestrichenen Häuschen oberhalb der Dorfstraße. Den Gallego, den Galizier, nennen sie Gregorio in Cojímar, weil seine Vorfahren aus dem nordspanischen Galizien stammen. Übrigens wie Fidel Castros Vater, sagt Gregorio, der ist aus Lugo eingewandert.

Gregorio Fuentes trägt eine einfache Leinenhose und ein weißes Guayabera-Hemd, das man nicht in die Hose zu stecken braucht. Gregorio ist in Cojímar eine Berühmtheit. Von 1938 bis zu Hemingways Tod war er der Kapitän der Pilar. Eigens für den Schriftsteller war das Motorboot 1936 gebaut worden, und oft fuhren die drei – Gregorio, Hemingway und Ehefrau Mary Welsh – zur Fischjagd in den Golfstrom.

Der hagere Gregorio nannte

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Ernest Hemingway, der Autor des Jahrhunderts

HemingwayLife1Die Erinnerung an das 20. Jahrhundert der Menschheit fällt ein wenig zwiespältig aus. Es waren hundert Jahre, die zwei schreckliche Weltkriege erlebt haben, Hyperinflation und Depression, Grausamkeiten, ein Jahrhundert mit Verbrechern und Diktatoren aller Couleur. Aber auch die Erfindung einer langgestreckten Blechdose gab es zu vermelden, ein Mysterium, das mit 300 Menschen an Bord durch die Lüfte fliegt. Oder die Erfindung einer kleinen Box, die flinker rechnen kann als Albert Einstein, und die auch sonstige Wunderdinge vollbringen kann. Und es war ein Jahrhundert, das etwas schier Unglaubliches vollbracht hat, es hat einen Menschheitstraum Wirklichkeit werden lassen: Es hat den Mann im Mond gesehen.

Die vielfältigen Ereignisse, diese dunklen wie auch sonnigen Seiten der Historie dieses zwanzigsten Jahrhunderts vor Augen: Wer ist der Schriftsteller, der für diese hundert Jahre steht? Wer ist – aus Weltsicht – der Autor dieses Jahrhunderts? Thomas Mann? Wahrscheinlich der deutsche Meister. Kafka? Zu düster. Hesse? Eine Spur zu schrullig. James Joyce? Ein Eierkopf. Maxim Gorki? Zu russisch. Gabriel García Márquez? Zu lebendig. Nach ein wenig Grübeln bleibt da nur noch Old Hem übrig.

Hemingway beherrscht

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La Florida in Barcelona

La Florida

Das Hotel La Florida, hoch über Barcelona. Foto: Premsa La Florida

Im La Florida hat Ernest Hemingway gerne gewohnt. Mitte der 50er Jahre, als er in Spanien auf der Suche nach Toreros, nach Corridas und den Picadores war, aber auch um dem sterbenden Pio Baroja einen Besuch abzustatten.

Und ohne Zweifel ist das Florida das imposanteste und wohl auch faszinierendste Hotel der katalanischen Hafenstadt. Ramón Raventos hatte das Jugendstilgebäude 1925 entworfen und fortan traf sich hier, 500 Meter über der Stadt, die Oberschicht Barcelonas. Ernest Hemingway hat damals, so wie man es heute noch tun muss, das Stadtzentrum im Taxi Richtung Norden hinter sich gelassen, ist die engen und langen Serpentinen hinauf zum Tibidabo gefahren, um dort oben in dem luxuriösen Hotel dem Lärm der Stadt zu entfliehen.

Das fünfgeschossige Hotel mit dem

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Hemingways Notizbuch

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Moleskine heute, eine Kultmarke.  Photo by W. Stock

Dieses Notizbuch ist Kult. Retro. Gerade in den Zeiten der Digitalisierung, des iPads, der papierlosen Flüchtigkeit erlebt dieses Notizheft eine heftige Renaissance. Es ist ein wohlfeiles Statussymbol von Reflektiertheit und Nachhaltigkeit.

Und dieses Notizbuch has a story to tell. Es ist das Büchlein der Intellektuellen, der Schriftsteller und der Künstler. Ein Paris in der Westentasche.

In solch ein kleines schwarzes Lederbüchlein haben Bruce Chatwin, Pablo Picasso und auch Ernest Hemingway geschrieben. Mehr geht nicht. Das ist die Erhebung in den Adelsstand für ein stinknormales Notizbüchlein.

Was steckt hinter dem Erfolg des Moleskine? Die Ausstattung zeigt sich trotz kleinem Preis liebevoll: liniertes Papier, Lesebändchen, kräftiger Kartonumschlag, eine Falttasche am Ende, Fadenheftung und ein Gummiband zum Schließen. Das Format, robust und praktisch, besonders auf Reisen.

Der Moleskine ist eine Erfolgsgeschichte. In seinem Buch

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Die kürzeste Kurzgeschichte aller Zeiten

Die kürzeste Kurzgeschichte

Wir schreiben die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts. Drei Freunde sitzen beim Whiskey zusammen und frönen der Aufschneiderei unter angehenden Autoren.

Sie wollen wetten, eine literarische Wette, der Einsatz beträgt 10 Dollar.

Der junge Journalist und  Schriftsteller Ernest Hemingway aus Chicago wettet mit den Freunden, dass er eine Kurzgeschichte aus nur sechs Wörtern schreiben könne. Sechs Wörter. Kaum zu glauben!

Die Wette gilt. Natürlich gewinnt sie Ernest Hemingway. Wie lautet seine kurze Kurzgeschichte?

Hemingways Text:

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Acht Fragen an Ernest Hemingway

Ernest Hemingway nach der Landung in Talara, am 16. April 1956, mit den Journalisten Manuel Jesús Orbegozo, Jorge Donayre Belaúnde und Mario Saavedra-Pinón. Foto: Guillermo Alias

Hola, colegas! Ernest Hemingway grüsst gut gelaunt die Journalisten in Talara, gibt ihnen die Hand und umarmt Manuel Jesús Orbegozo, einen untersetzten Mestizen mit dicker schwarzer Hornbrille, der mehr als einen Kopf kleiner als Hemingway ist. Und dann umarmt er auch die anderen zwei, Jorge Donayre und Mario Saavedra, so als würde er sie ein ganzes Leben kennen. Und so wie in Südamerika ein abrazo unter Freunden üblich ist.

Und schon prassseln die Fragen der drei Reporter, noch auf dem Rollfeld, auf den Nobelpreis-Träger nieder:

Wie lange haben Sie gebraucht, um Der alte Mann und das Meer zu schreiben?

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