Das Portal zu Leben und Werk von Ernest Hemingway

Autor: Wolfgang Stock

Hemingway verliert seine Unschuld

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Fossalta di Piave, im September 2009;
Photo by W. Stock

In Mailand, im Hospital des American Red Cross in der Via Manzoni, wird er geröntgt und man entfernt ihm aus den Beinen 227 kleine Splitter – eigene, Hemingways Zählung. Manche Nerven bleiben taub für den Rest seines Lebens. Nur einem neuen Wundwaschverfahren hat er es zu verdanken, dass sein Bein nicht amputiert werden muss.

Hemingway hat dem Tod ins Angesicht geschaut. Fosslta war ein Wendepunkt in seinem Leben. Vielleicht weniger Wendepunkt, sondern mehr Verstärkungspunkt. Fossalta hat irgendetwas in ihm zerstört, etwas, von dem er ahnte, dass es irgendwann kaputt gehen würde. Du trägst den Tod auf den Schultern, das würde ihm später ein spanischer Freund sagen.

Denn die schlimmste Verletzung passierte nicht an Bein und Knie, sondern im Kopf. Die österreichische Granate hat seine heile Welt in Stücke gerissen, den jungen und gesunden Mann plagen in Folge nun Todesängste, Albträume, Schlaflosigkeit und Angstzustände.

Was als Abenteuer angelegt war, endet in einer

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Hemingway wird schwer verwundet

Fossalta di Piave

Das Denkmal des Ernest Hemingway in Fossalta di Piave, im September 2009: Photo by W. Stock

Dann kommt die schlimmste Nacht seines Lebens. Vom 7. auf den 8. Juli 1918 ist Ernest Hemingway auf Versorgungsfahrt in Fossalta an der Piave bei einer Stelle, die die Einheimischen als Buso de Burato, als Loch des Burato, bezeichnen.

Per Fahrrad soll er den in den Schützengräben liegenden Soldaten Lebensmittel überbringen. Und ein paar kleine Annehmlichkeiten, die die Last des Krieges mildern sollen: Zigaretten, Schokolade, Kaffee, Postkarten. Weil er nahe an der feindlichen Linie sein will, mag Hemingway diese Verpflegungsfahrten des Rolling Canteen Service.

Hemingway erreicht den nahen Damm, hinter dem italienische Soldaten in Stellung liegen. Auf der anderen Seite der Piave, in den östlichen Uferauen, liegen die österreichischen Truppen, die die Italiener unter Beschuss halten. Als Hemingway gegen ein Uhr nachts den Damm am Westufer der Piave erreicht, explodiert zwei Meter von ihm entfernt eine Mörsergranate. Plötzlich und mit einem riesigen Knall.

Die Granate, von einem Minenwerfer der Österreicher abgefeuert, ist

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Ein Junge zieht in den Krieg

Die Piave im Veneto, September 2009;
Photo by W. Stock

Die Piave fließt träge und trübe dahin, vielleicht auch arg verschmutzt durch die Industrie am Oberlauf, aber wie von unsichtbarer Hand nimmt der Fluss diese satte grüne Farbe der Vegetation an. Selbst im September kann es im Piave-Becken noch glutheiß werden und das Thermometer in dieser trockenen Luft schnell über 30 Grad steigen.

Der junge Ernest Hemingway hatte sich 1918 freiwillig als Fahrer des Red Cross Ambulance Corps gemeldet, nachdem die USA im April 1917 den Kriegseintritt beschlossen hatten. Hemingway wäre lieber als Soldat gekommen, aber bei der U.S. Army war er wegen seiner Sehschwäche durch die Musterung gefallen. Ende Mai 1918 war er mit 70 Kameraden per Schiff aus New York nach Europa gekommen.

Als Zivilist wird Ernest Hemingway nun der norditalienischen Front zugeteilt. Eine Frontlinie dieses sich dem Ende zuneigenden Krieges verläuft entlang der Piave, dort wo die Kämpfe zwischen italienischen und österreichischen Truppen toben.

Hemingway wird als Fahrer eingesetzt, bei Verpflegungsfahrten und im Ambulanzservice. Ernest ist noch ein Junge, er steht kurz vor seinem 19. Geburtstag, genau genommen ist er erst 18, aber schon ein Kerl wie ein Baum. Jemand, der vor Tatendrang und Lebenslust nur so sprüht, und er glaubt, diesem schmutzigen Krieg trotzen zu können.

Im Grunde genommen ist Hemingway

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Schmutziger Krieg in lieblichem Land

Hemingway in FossaltaBuch

Fossalta di Piave, im September 2009
Photo by W. Stock

Diese Landschaft ist zu schön zum Sterben. So lieblich dieses Fossalta am Ufer des Piave-Flusses ruht, so sollte sich in diesem Örtchen eine tragische Begebenheit im Leben des Ernest Hemingway abspielen. Hier wäre um Haaresbreite dem jungen Leben ein jähes Ende gesetzt worden. Auch wenn er hier knapp dem Tode entrann, die Geschehnisse in diesem Dorf sollten des Schriftstellers Leben – das literarische wie das persönliche – prägen wie kaum etwas anderes. Ohne Fossalta ist Ernest Hemingway nicht zu verstehen.

Die Piave ist ein idyllischer kleiner Fluss, der den Alpen entspringt und in scharfen Mäandern bei Jesolo in die Adria mündet. Das flache Delta des Veneto wird bestimmt vom Fischfang und Weinbau, entlang den engen Chausseen stehen die für diese Landschaft typischen Pinienbäume, deren Duft in der Luft verströmt. Eigentlich ist dies eine karge Landschaft mit nicht allzu viel Vegetation, doch das Grün blüht trotzig und das Blau des Himmels strahlt in jenem Azur, das zu Italien passt. An Herbsttagen erscheint dieses Idyll wie ein Paradies, blau und grün, und reich von der Sonne verwöhnt.

Bei klarer Sicht erkennt man

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Hemingways Uhr

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Seine Uhr, immer gut sichtbar. Cabo Blanco, im Mai 1956;
Photo by Modeste von Unruh, Collection WJS.

Auf zahlreichen Fotos sieht man Ernest Hemingway mit Armbanduhr. Meist ist die Uhr deutlich auszumachen und des öfteren scheint es, als wolle Hemingway sie auch demonstrativ zeigen. In manchen Fotos sieht seine Armhaltung gar ein wenig gezwungen aus, so als wolle er die Uhr partout in die Linse halten.

Solch ein Gedanke beschleicht mich zum Beispiel bei Betrachtung eines Fotos der Photographin Modeste von Unruh aus dem Mai 1956. Ernest Hemingway auf hoher See im peruanischen Cabo Blanco, wo er auf der Jagd nach dem schwarzen Marlin weilt.

Das Foto zeigt eine Uhr mit einem weißen Ziffernblatt, in goldener oder silbernen Einrahmung und mit einem schwarzen Lederarmband. Hemingway, auch das zeigen die Fotos, trägt seine Armbanduhr am linken Handgelenk.

Doch, um welche Uhr handelt es sich?

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Ernest Hemingway kommt nach Talara

Der Meister schwebt ein. Ernest Hemingway erreicht am 16. April 1956 peruanischen Boden in Talara. Photo: Mario Saavedra-Pinón

Am Morgen des 16. April 1956, gegen acht Uhr, landet Ernest Hemingway auf dem kleinen Flughafen von Talara, im Norden Perus. Eigentlich gehört der Flughafen, den die amerikanischen Marines gebaut haben, der Internacional Petroleum Company, die nahe Talara ein riesiges Erdölfeld unterhält. Eine vierpropellerige Douglas DC-7B der Fluggesellschaft Panagra hat die Hemingways in zwölf Stunden von Miami, Zwischenlandung in Panama, hierher gebracht.

Ein paar Tage zuvor hatte die US-amerikanische Nachrichtenagentur United Press International die Meldung verbreitet, dass der bekannte Schriftsteller nach Peru kommen werde, um Dreharbeiten zu dem Film Der alte Mann und das Meer zu überwachen. Die drei wichtigsten Tageszeitungen Limas – El Comercio, La Prensa und La Crónica – schickten daraufhin Reporter nach Nordperu.

Ernest, Ernest, Ernest, schallt es über

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Der General Franco mag Hemingway nicht – und umgekehrt

Hemingways Reportagen aus dem Spanischen Bürgerkrieg finden sich in der Sammlung 49 Depeschen.

Das ist eine meiner Lieblingsstellen. In den 49 Depeschen aus dem Spanischen Bürgerkrieg, wo Ernest Hemingway zwar auf der richtigen, aber dann doch verlierenden Seite kämpfte.

Gibt es eine sympathischere Ansprache an den Leser, als jene von Hemingway zu Abschluss seiner Reportage über den pfiffigen Chauffeur Hipolito, der den Autor wohlbehalten durch das Madrider Granatengewitter steuert? Sie können natürlich Ihr Geld auf Franco setzen, wenn Sie wollen, oder auf Mussolini oder Hitler. Ich setze auf Hipolito.

Als junger Student habe ich

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La Bodeguita del Medio

BodeguitaBlog

Havanna, im April 1983
Photo by W. Stock

Auch in diesem Jahr liegt auf Havanna jene seltsame Jahreszeit, die für die Karibik so typisch ist. Laue Luft, dünne Wolkenstreifen am blauen Himmel, ein warmer Wind aus Südwest, aus Richtung Yucatán. Brecher fegen über den Malecón hinweg und benässen übermütige Jugendliche. Wenn man Glück hat, zieht am Abend eine kühlende Brise über die Insel. Der  Wind hat sich gedreht und weht nun frisch von Florida.

Dämmerung. La Habana, das Herz der Revolution. Ein Herz, das stottert, das stolpert und nicht so recht in voller Taktung schlagen will. Wenn man durch die Strassen und über die Plätze dieser Stadt geht, dann scheint dieses Havanna wie ein Amphitheater aus verfallenen Prunkvillen und kargen Wohnsilos, alles zusammengehalten von Wäscheleinen mit abgetragenen Kleidungsstücken.

Links hinter der Kathedrale in der schmalen Seitengasse Calle Empedrado hinter der Nummer 207 liegt ganz

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Viel Rummel um den Meister

HemingwayKaffeebecherHemingway, so wurde man in der modernen Marketing-Sprache feststellen, Hemingway is a brand, der gute alte Hemingway ist ein Markenartikel. Und was für einer!

Wenn man Ernest Hemingway auf der Spur ist, dann kriegt man über die Jahre einiges in Sachen Merchandising zu sehen, was einem mitunter die Haare zu Berge stehen lässt: Wanduhren mit seinem Portrait, massenweise T-Shirts, Kaffeebecher, iPhone-Hüllen mit seinem Antlitz, Sonnenbrillen auf seinen Namen, Zigarettenetuis, Hemingway-Seife mit Tabak-, Rum- oder Zedernduft.

Die Liste nimmt kein Ende: Body Lotion, Krawatten, Schlüsselanhänger, Manschettenknöpfe, Sonnencaps mit Hemingway-Zitat, Küchenschürzen oder gleich eine ganze Küchenzeile, alles mit Hemingway dran, drin oder drauf. Dazu Münzen, Briefmarken, aus aller Welt, ungezählt.

Ich warte auf den Tag, an dem ein Hemingway in Form eines Autos auf unseren Strassen brettert. Es müsste natürlich ein wuchtiger Geländewagen sein à la Hummer, mit viel PS und leuchtendem Chrom. Hemingway, wem kommen da Zweifel, das ist ein Synonym für Lebensfreude und Abenteuergeist.

Oder, wieviele

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