Das Portal zu Leben und Werk von Ernest Hemingway

Autor: Wolfgang Stock Seite 59 von 68

Stephen Longstreet zeichnet Ernest Hemingway

Stephen Longstreet skizziert Ernest Hemingway

Stephen Longstreet skizziert Ernest Hemingway

Das Skizzenblatt ist Writers‘ Hangout, 1925, Paris – Ernest Hemingway überschrieben. Eine Szene aus Ernest Hemingways Tagen in Paris. Der junge Autor Stephen Longstreet hat ihn beobachtet und gezeichnet.

Wir sehen einen schlanken jungen Hemingway, mit Schnauzbart, auf dem Kopf eine Mütze. Der Schriftsteller als Bohemien mit Krawatte, stolz und adrett, in einem Pariser Café, im Hintergrund balanciert ein glatzköpfiger Kellner sein Tablett. Und man sieht die Gäste, Männer und Frauen, deren Blicke zu Hemingway schweifen.

Für Amerikaner glich Paris in den Zwanziger Jahren einem Traum. Hier fanden amerikanische Intellektuelle den Glanz und Glamour, jenen joie de vivre, den sie in der grauen Tristesse aus Wirtschaftsdepression und Prohibition ihrer Heimat so vermissten. Und so wurden die Künstler aus den USA zu Flaneuren, die in Buchhandlungen stöberten, durch den Jardin du Luxembourg zu bummelten oder als Müßiggänger im Café La Closerie des Lilas am Boulevard du Montparnasse sitzen, um Lebenslust und Frivolität an sich heran kommen zu lassen.

Die Amerikaner scharten sich in jenen Jahren um

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Alfred Eisenstaedt photographiert einen Stinkstiefel

Life Alfred Eisenstaedt

Alfred Eisenstaedt photographiert Ernest Hemingway für LIFE

Der große Alfred Eisenstaedt kommt nach Kuba um den großen Ernest Hemingway zu photographieren. Eisenstaedt, der Staatsmänner und auch allerlei Schurken wie Joseph Goebbels vor der Kamera hatte, gilt bei Kennern der Materie als der Aristokrat unter den Photographen. Weil der gebürtige Pole es so oft schafft, die Brennweite seiner Linse für die Ewigkeit zu stellen.

Ende der 20er Jahre lebt Alfred Eisenstaedt in Berlin, er arbeitet für das Berliner Tageblatt, und flieht 1935 vor den Nazis in die USA. Das Magazin LIFE wird seine neue berufliche Heimat. Eisenstaedts berühmtestes Photo gilt noch heute als ikonisch, es hängt als schwarz-weißes Poster an Tausenden Wänden: Im Freudentaumel nach dem Sieg über die Japaner am 15. August 1945 küsst ein Matrosen am Times Square eine überraschte Krankenschwester.

Und nun Ernest Hemingway. LIFE hat Alfred Eisenstaedt nach Kuba geschickt, um eine Titelstory für die September-Ausgabe des Jahres 1952 zu knipsen. Der Vorabdruck des Kurzromans Der alte Mann und das Meer wird just in jener Ausgabe erscheinen. Dazu braucht die Zeitschrift ein paar bunte Impressionen aus den Tropen.

Doch auf Kuba findet Alfred Eisenstaedt einen mürrischen, herrischen und wegen Kleinigkeiten aufbrausenden Mann vor. Einen alternder Mann, der irgendwie an einem Wendepunkt seines Lebens steht. Der 53-jährige Schriftsteller steckt in der Krise. Der Nobelpreis für Der alte Mann und das Meer ist noch nicht da, aber auch dieser sollte die Krise bestenfalls hinauszögern.

Alfred Eisenstaedt kriegt auf Finca Vigía tagelang den Stinkstiefel vorgeführt: Einen Angeber, den 

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Ernest Hemingway? Ernesto!

FiestaErnesto

Zaragoza, Oktober 1956. Von Ernesto Hemingway.

Ernest Hemingway hat Tausende von Büchern und Photos signiert. Und wenn er sich dabei in besonderer Laune befindet, oder gar in tropischen Breiten weilt, oder in Spanien, dann rutscht dem Ernest als Signatur oft ein Ernesto aus der Feder.

Sicher, dieser Ernest Miller Hemingway aus Oak Park bei Chicago ist ein US-Amerikaner, ein Gringo, aber irgendwie scheint er durch zu sein mit seiner Heimat. Auf Kuba hingegen, auf Finca Vigía, findet er sein Refugium.

Ernest Hemingway mag die Kubaner und die Kubaner mögen Ernest Hemingway. Auf der Insel, in Havanna, in San Francisco de Paula oder in Cojímar ist der Autor bekannt wie ein bunter Hund.

Wo immer Ernest auftaucht, er wird rasch von einer Menschentraube umringt und man hört die Menschen laut und heiter Papa, Papa rufen. Oder sie sagen zu ihm Mister Papa. Manchmal nennen sie ihn auch kubanisch verballhornt Mister Heminguey.

Egal wie man ihn nennt oder ruft, es endet in Liebe. Hemingway kann gut mit den einfachen Menschen, die entspannt und unbeschwert im hier und heute leben und nicht wie die Eierköpfe aus seinem Land alles hinterfragen und überdenken. Das Unverkrampfte und die Genügsamkeit des Alltags auf Kuba ziehen ihn an, denn es ist ihm ein Graus, viel nachzudenken, weil es am Leben hindert.

Ernest Hemingway mag die Kubaner und genauso mag der die karibische Lebensart. Auf Finca Vigía wird der bärtige Schriftsteller zu dem Menschen, der er immer sein wollte. Der Familienvater, der Frauenheld, der Freund des Meeres, der Lebemann, jedenfalls einer, der das Leben in vollen Zügen genießt.

Auf Kuba stolziert Ernest Hemingway nicht als gefeierter Autor durch den Tag, auch nicht als Nobelpreis auf zwei Beinen, sondern als einfacher Mensch. Auf Finca Vigía ist er der Mann, der sich mehr oder weniger als ein Kubaner fühlt, und den die Einheimischen wohl auch deshalb Don Ernesto nennen. Und dieses Ernesto, Hemingway weiß um die Kraft der Sprache, festigt sich über die Jahre mehr und mehr zum Glaubensbekenntnis. Beidseitig.

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Mr. Papa Hemingway, En Sus Manos

Mr. Papa Hemingway

Mr. Papa Hemingway bekommt Post von Roberto Herrera Sotolongo

Ein ziemlich altes Kuvert, von den vielen Jahren arg mitgenommen. Correo Aereo. Air Mail. Per Luftpost.

Ein grauer Briefumschlag, wahrscheinlich aus den 50er Jahren. Auch schon ein wenig eingerissen.

Auf der Rückseite des Umschlages steht die Postadresse. Kein Name. Sondern in versaler roten Druckschrift: Finca Vigía, San Francisco de Paula, Cuba. Auf Finca Vigia, der Farm im Süden von Havanna, hat er zwanzig Jahre gelebt.

Auf der Vorderseite des Briefumschlages liest man: Mr. Papa Hemingway. Darunter dann: E. S. M. Das ist im Spanischen die Abkürzung für En Sus Manos. Persönlich für ihn, bitte persönlich übergeben. Für Papa Hemingway.

Das Kuvert hat beschrieben

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Ernest Hemingway und Cojímars Fischer

HemDenkmalCojimarBlog

Das Hemingway-Rondell am Hafen von Cojímar. Kuba, im April 1983. Photo by W. Stock

Der Taxifahrer fährt uns die fünfzehn Kilometer aus Havanna heraus, Richtung Osten, wo das Fischerdorf Cojímar liegt. Ein saphirblauer Himmel, das türkishelle Meer und das strahlende Grün der Palmen heißen den Besucher willkommen. Es ist tropisch schwül hier an der karibischen See, und na ja, die Menschen halten ziemlich lange Siesta.

Vor der menschenleeren Hafenpromenade fällt ein sechspfähliges Rondell aus hellem Stein mit einer lebensgroßen Büste ins Auge. Hier sonnt sich Ernest Hemingway. Auf Betreiben des Schriftstellers Fernando Campoamor und mit Hilfe der Fischerkooperative von Cojímar wurde diese Büste, ein Werk des Bildhauers Boada, 1962 aufgestellt, lautet die Inschrift unter dem glänzenden Bronzestein. Ernest Hemingway, steht da, 1898 – 1961.

Hoppla, 1898 als Geburtsdatum, da lassen Cojímars Fischer ihren Don Ernesto allerdings ein Jahr zu früh auf die Welt kommen als in Wirklichkeit. Ein Jahr mehr. Es hätte diesen lebensfrohen Menschen erfreut. Des Dichters Blick zur unendlichen See ist durch die Erosion mit Meersalz leicht getrübt.

In der Nachbarschaft zum Rondell findet sich ein winziger Park. Ernest-Hemingway-Park, weist eine liebevoll angebrachte Widmung aus. Dem unsterblichen Autor von „Der alte Mann und das Meer“, eingeweiht am 21. Juli 1962, seinem 63. Geburtstag. In dankbarem Andenken. Die Bevölkerung von Cojímar.

An jener berühmtesten Erzählung Hemingways, dieser einfachen und ehrlichen Liebeserklärung an den Fischer und das Meer, ist nun wirklich alles kubanisch. Merkwürdigerweise nur

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Yousuf Karsh, der Meister des Lichts

Die Aufgabe eines Photographen ist, etwas aus dem Menschen heraus zu kitzeln. Etwas, das normalerweise unsichtbar bleibt. Am allerbesten hat das dieser Armenier Yousuf Karsh geschafft, der in Kanada lebt. Er wird im März 1957 nach Kuba kommen, Hemingway und er sind zuerst im Floridita, wo sie kräftig einen Daiquirí nach dem anderen heben.

Schnapsselig beginnen die beiden sich so etwas wie anzufreunden. Yousuf Karsh merkt rasch, wie verletzlich Ernest Hemingway hinter seiner rauen Fassade doch geworden ist. Jedenfalls meint der Photograph später, dieser Ernest Hemingway sei der schüchternste Mann gewesen, den er je portraitiert habe. Nach ausgiebiger Sauftour sollen die Aufnahmen dann am nächsten Morgen auf der Finca Vigía stattfinden.

Um neun Uhr morgens auf der Farm komplimentiert Yousuf Karsh dann Ehefrau Mary und seinen Assistenten aus dem Raum, denn der Photograph möchte mit Hemingway alleine sein. Derweil ruft Ernest Hemingway seinem Gast aus der Küche zu: Was möchtest Du trinken? Und der Photograph antwortet knapp: „Daiquirí, Sir!“ Hemingway kann es kaum fassen. Good God, Karsh, johlt der Schriftsteller, at this hour of the day!

Und Yousuf Karsh, der den Daiquirí und ihn so mag, gelingt an diesem Morgen in San Francisco de Paula das wohl schönste

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Lustig: Across the River and into the Trees

HemAcrosstheriverAls Across the River and into the Trees im Jahr 1950 erschien, da hielten viele Literaturkritiker das Werk für wenig gelungen. Die Enttäuschung war spürbar, man konnte mit dem Roman über Venedig und die Lagune wenig anfangen.

Insbesondere über diesen seltsamen Buchtitel wurde die Nase gerümpft. Across the River and into the Trees. Merkwürdig. Zu Deutsch: Über den Fluss und in die Wälder.

Die Auflösung findet sich im Buch. Wir wollen über den Fluss setzen und im Schatten der Wälder ruhen. Eigentlich ein schöner Satz des sterbenden Generals Thomas J. Jackson, den der Oberst Richard Cantwell in Hemingways Roman rezitiert.

Doch schnell schossen Parodien von Across the River and into the Trees ins Kraut. Hier die schönsten:

Frank Sinatra: Across the Street and into the Bar.

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Ernest Hemingway, der Twitter-Mann

HemTwitterEs gibt da einige merkwürdige Tweets, die jeden Tag und alle paar Stunden mit Textpassagen und Zitaten von Ernest Hemingway in den digitalen Orbit gezwitschert werden. „Age is my alarm clock,“ the old man said.

Oft ist es nur ein Satz. Zumal man bei Twitter so oder so auf 140 Zeichen limitiert bleibt. In diesem Sinne ist der alte Hemingway ein ziemlich moderner Autor.

Meist stammen die Zitate aus Der alte Mann und das Meer. Die Textausschnitte kommen knapp daher und lesen sich scheinbar banal. So wie etwa: “How old are you?”, the old man asked the bird.

Dank an diesen Twitterer. Denn er zeigt eindrucksvoll, wie kraftvoll die Prosa dieses Ernest Hemingway auf uns wirkt. “How old are you?”, the old man asked the bird. Ein Satz, schlicht und simpel, jedoch steckt mehr dahinter und darunter. Eine ganze Geschichte in einem Satz. Eine große Philosophie in ein paar kleinen Wörtern. Eisbergstil.

Ich muss exakt sein: Nicht

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Mary Welsh, der Glücksfall

Mary Welsh, Mai 1956; Photo by Modeste von Unruh

Mary Welsh, Mai 1956; Photo by Modeste von Unruh

Mary Welsh ist eine kleine aparte Frau mit kurzer Blondhaar-Frisur, eine Grande Dame, elegant zu jeder Tageszeit und mit betont guten Manieren. Diese hübsche Frau in dem kurzärmeligen, karierten Hemd, die ihren Schmuck nur dezent trägt, wirkt bisweilen wie das Gegenbild zu ihrem eher großkotzig auftretenden Ehemann.

Wenn Mary ihre Wayfarer-Sonnenbrille aufsetzt, ergibt die Ausstrahlung dieser feinen Frau einen merkwürdigen Kontrast zu diesen sonnenverbrannten und harschen Gegenden, wo sich Ernest Hemingway meist herumzutreiben pflegt. Irgendwie passt sie nicht so recht in die Tropen, zu Kuba, nach Afrika, aber andererseits merkt man, sie kommt hervorragend zurecht.

Mary Welsh ist Ernest Hemingways vierte Ehefrau. Man darf sie als Glücksfall für den Schriftsteller bezeichnen. Obwohl manche, gerade einige der kubanischen Angestellten der Finca Vigía, sie als kalt, herrisch und berechnend schildern. Zu vielen aus Hemingways Freundeskreis pflegt sie ein eher distanziertes Verhältnis.

Aber andererseits, wie will man es mit einem Kerl wie Hemingway aushalten, wenn man nicht andauernd auf Hab-Acht ist? Wäre es wirklich sinnvoll, an der Seite des quirligen Bauchmenschen Ernest einen weiteren Wirbelwind zu haben?

Im März 1946 heiratet Ernest Hemingway seine Mary Welsh auf Kuba. Mary nimmt sich in der Ehe mit Ernest sehr zurück, es macht ihr nichts aus, sich im Hintergrund zu halten. Gegen den gewaltigen Schatten dieses Ernest Hemingway gibt es kein Anleuchten, die schlaue Mary weiß das. Dafür waltet und schaltet sie zu Hause, kommandiert

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George Leavens fängt die Sekunde

Ernest Hemingway liest die New York Times, 1949, Finca Vigía, San Francisco de Paula, Kuba;
Photo by George Leavens

Ernest Hemingways Faible für gute Photos rührt daher, dass er als visueller Mensch durchs Leben geht. Erstaunlich für einen Autor, der sich doch eher mit der sprachlichen Abstraktion von Begebenheiten und Bildern beschäftigen sollte. Doch als der liebe Gott diesen Ernest Hemingway formte, da hat er eine schnelle Leitung vom Auge in den Bauch gelegt.

Bild zu Gefühl, so läuft das bei ihm. Die Leitung in den Kopf nutzt er auch ab und an, aber wer sich so zudröhnt wie er, der knipst an manchen Stellen auch gerne mal das Licht aus. Vom Auge in den Bauch, genauso arbeiten die Photographen, jedenfalls wenn sie gut sind und wenn auch ihre Photos gut werden sollen. Ernest mag deshalb die Zunft der Photographen, nicht nur weil sie seine Eitelkeit mästen.

Er sieht sie als Kollegen, auf Augenhöhe, als Künstler mit der gleichen Aufgabe, mit der gleichen Herausforderung und wohl auch mit den gleichen Zweifeln wie er. Viele Photographen lässt er deshalb nah an sich heran, mehr als vielleicht nötig, und auch mehr als vielleicht zuträglich. Doch oft lohnt es sich, die wirklich guten Photographen kitzeln dann noch etwas heraus aus ihm. Oder sie fangen die richtige Sekunde ein.

So wie dieser George Leavens, fast ein Kumpel, der auch auf Kuba wohnt und über die Jahre wundervolle Photos von der Insel und seinen Bewohnern geschossen hat. Ernest Hemingway mag

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