Das Portal zu Leben und Werk von Ernest Hemingway

Autor: Wolfgang Stock Seite 64 von 68

Cabo Blanco ist Hemingways Herbst

Jackegutlow

Cabo Blanco, im Mai 1956.
Photo by Modeste von Unruh. Collection WJS

Cabo Blanco, das sind 36 glückliche Tage im Leben des Ernest Hemingway. Peru bleibt das einzige Land Südamerikas, das er besucht. Er geht nicht in der Hauptstadt Lima oder nach Cusco, ins Andenhochland, sondern kommt hierher an die wilde Küste des Pazifiks, an den Nordzipfel, weit weg vom Gedröhn der Metropolen und der Blasiertheit der amerikanischen Kulturzirkel.

Er mag, so nahe am Meer zu sein. Wenn du am Meer bist, kannst du nicht lügen, sagt er. Cabo Blanco, das weiße Kap im Nirgendwo zwischen Meer und Wüste, das ist Hemingway-Land, ein Landstrich, wo Lebensfülle und Leere aneinander grenzen, wo Glück und Unheil sich vermischen und man schon genau hinschauen muss, um beides auseinander zu halten. Es ist Mai in Cabo Blanco und doch merkt der Mann, dass der Herbst langsam heraufzieht.

Ernest Hemingway, der Stier und Löwe, er kommt mehr und mehr an die Grenzen seiner Kraft. Seit einiger Zeit muss er ein Haarbüschel nach vorne kämmen, um eine immer größer werdende Glatze zu verbergen. „Du bist müde, alter Freund“, sagte er. „Du bist innen drin müde.“

Es geht ihm nicht gut, er merkt, die Sanduhr seines Lebens rieselte unaufhörlich herab. Im September 1955 hat er

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Ein Festtag in Cabo Blanco

Cabo Blanco, im Mai 1956

Cabo Blanco, im April 1956

Am letzten Abend in Cabo Blanco lädt Ernest Hemingway alle zu einem kleinen Fest im Club ein. Gregorio Fuentes, seine Freunde aus Kuba, Pablo Córdova, die Angestellten des Clubs und die einheimischen Fischer, die Filmleute sind längst wieder in Kalifornien.

Máximo Jacinto Fiestas, Rufino Tume und einige andere kommen, fein in Schale geworfen, alle mit ihren Frauen. Mercedes, Pablos Córdovas junge Ehefrau, sie haben erst vier Monate zuvor geheiratet, denkt, was für ein sympathischer Mann das ist, dieser Hemingway, und so intelligent, und trotzdem leicht im Umgang. Und dass er ihre Sprache spricht, dass er sich mit ihnen in Spanisch unterhält.

Ein menschlicher Herr, ein großer Herr, denkt Rufino Tume, so ganz anders als die normalen Gringos, die nach Cabo Blanco kommen. Wir haben viel getanzt, meint Jacinto Fiestas, und Hemingway hat eine Menge Whiskey getrunken. Er war eigentlich ein unkomplizierter Mann und gut zu den einfachen Menschen hier.

Die letzte Nacht in Cabo Blanco, Hemingway kommt von dem Fest, er ist müde und auch ein wenig durcheinander. Er geht, wie so oft, auf den kleinen Balkon, mit einem letzten Whiskey, er blickt hinaus durch die Dunkelheit auf das tosende Meer Er will noch einen Brief schreiben. An

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Il Veneto di Hemingway

Es war, kein Zweifel, Liebe auf Gegenseitigkeit. Venetien und Ernest Hemingway. Das Veneto, das Ernest Hemingway zeitlebens tief im Herzen trug. Und dieser italienische Landstrich, der sich des Schriftstellers noch heute erinnert.

Der 2011 bei antigaedizioni verlegte Bildband Il Veneto di Hemingway trägt einen reichen Schatz an Fotos von Hemingways Aufenthalten im Veneto zusammen. Der Amerikaner ist vernarrt in die flache Deltalandschaft rund um Venedig, er mag die lieblichen Felder mit den Pinien und er mag die kleinen Dörfer zwischen Dolomiten und Mittelmeer. Aber vor allem mag er die Menschen hier – und sie mögen ihn.

Zum ersten Mal kommt Hemingway als junger Mann dorthin, im dreckigen Jahr 1918, zu den Grabenkämpfen des Ersten Weltkriegs. Dann wieder 1948, das sind unbeschwerte Tage. Venedig, Torcello, Caorle – der Amerikaner lässt sich wochenlang Zeit, sein Paradies zu erkunden. Es sind dies vielleicht die glücklichsten Tage seines Lebens. Später, im Jahr 1954 kehrt er zurück nach Venedig, zum letzten Mal, in sein Gritti, in seine Stadt, zu seiner Liebe.

Doch da ist er schon

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An der Bar bei Pablo

Ernest Hemingway in Shorts an der Bar des Cabo Blanco Fishing Clubs. Hinter der Theke, der peruanische Barkeeper Pablo Córdova. Cabo Blanco, im April 1956.

Am ersten Abend im Cabo Blanco Fishing Club kommt Ernest Hemingway an die kleine Bar des Hotels. Eigentlich ist es der Speisesaal des Clubs, in dem abends gegessen wird, dort wo auch das Frühstück eingenommen wird und ein Raum, in dessen Ecke eben auch eine kleine Bar eingebaut ist. Die in rotbraun gehaltene gezackte Holzbar gibt gerade mal Platz für  vier, fünf Personen.

Links neben der Bar findet sich in Kopfhöhe die Holz-Replika eines 1.560 Pfund Marlin, denn der Fishing Club hält im Sportfischen etliche Rekorde. Nicht nur nationale Rekorde in Peru, sondern auch einige Weltrekorde. Und einige Rekorde für die Ewigkeit.

Unter dem silbern angemalten Holzfisch findet sich der offene Kamin, der an kalten Abenden ein wenig Wärme spendet. Rechts von der Bar geben bodentiefe Fenstertüren den direkten Blick auf die Terrasse, den Strand und das Meer frei.

Ernest Hemingway setzt sich auf einen der einfachen, mit einem braunen Lederpolster bezogenen Barhocker und fragt den Barkeeper, wie er heiße. Pablo Córdova Ramírez, entgegnet der 22-Jährige. Pablo Córdova ist verblüfft, denn er ist es nicht gewohnt, sich mit Gästen zu unterhalten.

Und nun sollte Hemingway

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Ernest Hemingway mag Peru

Cabo Blanco, im Mai 1956 Photo by Modeste von Unruh

Ernest Hemingway, der Mann des Meeres, auf dem peruanischen Pazifik. Cabo Blanco, im April 1956. Photo by Modeste von Unruh

Als die Dreharbeiten zu Der alte Mann und das Meer sich dem Ende zuneigen, nimmt Ernest Hemingway den einheimischen Bootskapitän Jesús Ruiz zur Seite. Am liebsten würde ich noch sechs Tage länger bleiben, Jesús, sagt der Schriftsteller.

Vamos, Don Ernesto, entgegnet Jesús Ruiz, da draußen springen noch so viele Marline im Wasser, die nur auf uns warten. Und Ernest Hemingway entschließt sich, noch eine Woche länger in Cabo Blanco zu bleiben.

Auch Mary Welsh, Hemingways Ehefrau, findet Gefallen an der Zeit in Peru. Sie mag die peruanische Küche, den Lomo saltado, ein typisch peruanisches Mittagsgericht. In Scheiben geschnittenes Fleisch der Schweinelende, mit Zwiebeln und Tomaten, der mit weißem Reis serviert wird. Mary mag den Lomo saltado so sehr, dass sie sich das Rezept in ihr Tagebuch schreibt. Die Crew und die Angestellten im Hotel beschreiben Mary als feine und gebildete Dame, die auf Manieren zu achten pflegt.

Auch Ernest mag die peruanische Küche. Gerne isst er einen pescado encebollado, einen mit Zwiebeln angereicherten Fisch, einen Festtagsschmaus, den man in diesen Breiten gerne am Sonntag serviert. Dazu lässt er sich ein kühles Bier servieren. Mit den Peruanern trinkt er gerne den einen oder anderen Pisco Sour, das Nationalgetränk Perus.

Die Journalisten haben Hemingway

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Was sucht Ernest Hemingway in Acapulco?

Acapulco, 1982 Photo by W. Stock

Der mexikanische Badeort Acapulco. Photo by W. Stock, 1982.

Ernest Hemingway und Acapulco? Ja, das passt schon. Acapulco ist ein Fleckchen nach Hemingways Gusto. Zudem ein Paradies für Sportangler. Ganzjährig ist das Brandungsangeln in den ausgedehnten Buchen vor Acapulco möglich.

Seit seinen Kindertagen, der Vater hat es ihm beigebracht, mag Ernest das Sportangeln. Als beste Angelzeit gilt in Acapulco die Abenddämmerung und die Nacht bei auflaufender Flut. Dann können Fische wie der Yellowtail, Hornhechte oder Seebarsche gefangen werden. Auch ist Acapulco für seine wuchtigen Segelfische berühmt, die man draußen auf hoher See sieht, und in den aussichtsreichsten Fangzeiten, von Oktober bis Januar, kommen die Sportangler in Scharen hier an den Pazifik.

Vielleicht soll dieses Acapulco, wir schreiben das Jahr 1958, eine Vitaminspritze für Ernest Hemingway sein. 1954, vier Jahre zuvor, ist sein Schicksalsjahr gewesen. Im Januar hat er die zwei Flugzeugunglücke in Afrika knapp überlebt, er ist schwer verletzt, so ganz soll er sich nicht mehr erholen. Und im Oktober bekommt er den Nobelpreis für Literatur. Auch davon wird er sich nicht mehr erholen. Wie ein Damoklesschwert schwebt das Gewicht dieser Auszeichnung über seinem Kopf, er wird danach zu seinen Lebzeiten kein Buch mehr veröffentlichen.

Es geht ihm nicht gut, er merkt, die

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Das tropische Paradies des Ernest Hemingway

Finca Vigía; Kuba, April 1983 Photo by W. Stock

Finca Vigía; Kuba, April 1983
Photo by W. Stock

Dem Haus der Hemingways angeschlossen ist der dreistöckige Turm. Er ist 1947 angebaut worden, damit der Autor dort auf der obersten Etage in aller Ruhe Schreiben kann. Jedoch nicht nur das. Aber dies soll später hier erzählt werden.

Beim Schreiben jedenfalls – sein Arbeitszimmer liegt in der Spitze dieses weißen Turmes – steht er meist in seinen übergroßen Sportschuhen auf dem abgeschabten Fell einer von ihm erlegten Kudu-Antilope. Erzählende und beschreibende Partien seiner Werke schreibt er hauptsächlich mit dem Bleistift, für die Dialoge, die ihm flotter von der Hand gehen, nimmt er die Schreibmaschine.

Täglich registriert der Schriftsteller seine Schreibleistung: Der Durchschnitt liegt bei 500 Wörtern pro Tag. Wenn er einen Tag auf dem Meer oder mit den Kindern verbringen will, so gleicht er den literarischen Produktionsausfall mit verdoppeltem Worte-Ausstoß in den Vortagen aus.

Aber der Turm dient nicht nur der Literatur. Der Turm ist zugleich sein Liebesrefugium. Hier schließt er sich ein, um, ähem, zu „arbeiten“. Denn ab und an nimmt er eine Frau mit, die nicht die eigene ist. Vorzugsweise die junge

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Gonzo-Meister schreibt über Nobel-Meister

HunterSThompsonTheGreatSharkHuntWarum Ketchum? Warum verbrachte Ernest Hemingway seine letzten Tage in Ketchum, weit weg in den Bergen Idahos?

Zu dieser Frage gibt es eine lesenswerte Geschichte aus der Feder von Hunter S. Thompson. Erstmals erschien seine Story in der Wochenzeitung National Observer, am 25. Mai 1964. Thompsons Artikel trägt die Überschrift What Lured Hemingway to Ketchum? Was hat Hemingway nach Ketchum verschlagen? Nachzulesen in dem Sammelband The Great Shark Hunt. Übrigens, welch ein großartiger Buchtitel! Er hätte dem Meister gefallen.

Hunter S. Thompson ist nicht irgendein Schreiber, sondern ein Großmeister. Er hat in den späten 60ern ein neues journalistisches Genre begründet, den Gonzo-Journalismus. Und auch sonst war er eine verdammt durchgeknallte Type. Gonzo, das ist ein New Journalism kalifornischer Art, ziemlich durchgedreht und abgefahren. Strange Tales from a Strange Time. So sah Hunter S. Thompson sein Amerika, und so unrecht hatte der Journalist da ja nicht.

Kurz gesagt, ohne den einen Meister wäre der andere Meister nicht zu denken. Thompson fragt in seinem Artikel nun, warum es Ernest Hemingway bloß nach Ketchum verschlagen hat. So richtig weiß er keine Antwort darauf. Irgendwie, so der Gonzo-Meister, passe dieses lausige 800-Seelen-Kaff doch nicht zum Nobel-Meister. Wobei Hunter verschweigt, dass San Francisco de Paula, Hemingways vorheriger Wohnort auf Kuba, auch ein ziemliches Nest ist. Aber Hunter S. Thompson kriegt es nicht auf die Reihe: kleines Kaff, großer Meister. Damit hat er so seine Schwierigkeiten.

Hunter beschreibt den Ernest Hemingway in Ketchum als einen

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Ernie, let’s go loco in Acapulco

Acapulco, 1992 Photo by W. Stock

Die Bucht Puerto Marqués bei Acapulco. Photo by W. Stock, 1992.

Ernest Hemingway in Acapulco. Doch merkwürdigerweise ohne eine literarische oder persönliche Spur zu hinterlassen. Kein Denkmal, das ihn zeigt, kein Hotel, das mit ihm angibt, keine Straße, die sich nach ihm nennt, nichts, nada, gar nichts, noch nicht einmal eine klitzekleine Gedenktafel.

Auch in dieser Hinsicht dürfte Acapulco einmalig sein. Aber vielleicht liegt die Ignoranz auch daran, dass diese Pazifikstadt seine Berühmtheiten und Notabeln in Tausenden zählt. Doch zunächst, was macht diese lebenslustige Stadt am Meer für jemanden wie Ernest Hemingway so anziehend? Warum fühlen sich auch Intellektuelle hier wohl?

Das Wetter, na klar, die Hitze und Glut, und besonders dieser erhaben blaue Himmel. Denn an Mexikos Pazifikküste herrscht ewiger Sommer. Herbst und Winter sind unbekannte Phänomene. Der Frühling findet an einem Märznachmittag statt, und dann ist Hochsommer bis hinein ins nächste Jahr.

Diese wuchtige Schwüle der Tropen drückt auf die ganze Stadt, ihre Bewohner und dann auch auf die Besucher. Dieser Ort besitzt aphrodisierende Wirkung, weshalb auch immer, es ist so, und so lässt sich manch einer zu

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Ernest Hemingway bleibt in Venedig

Photo by W. Stock

Das Veneto von Ernest Hemingway.  Photo by W. Stock

Venedig, Anfang September 2011

Ein Bummel durch das einzigartige Venedig. Kurz vor dem Canal Grande kommen wir zum Mercato di Rialto mit der Pescheria, dem riesigen Fischmarkt der Stadt.

Der Fischmarkt an der Rialto-Brücke ist der größte in Venedig, manch einer sagt, ein wenig sei er auch das Herz, oder sollte man besser sagen, der Bauch dieser Stadt. Seit dem 9. Jahrhundert wird hier am Rialto, dem rivo alto, am hohen Fluss gehandelt, und von hier aus begann sich die Stadt in der Lagune zu besiedeln.

Am südlichen Eingang der antiken Markthalle komme ich an einem mannshohes Plakat vorbei. Il Veneto di Ernest Hemingway. In 90 Fotografie. Das Venetien von Ernest Hemingway. Eine Ausstellung in 90 Photographien.

Die Ausstellung im Palazzo Loredan im Campo Santo Stefano legt Zeugnis davon ab, wie sehr Ernest Hemingway dieses Veneto liebte, und wie sehr das Veneto diesen Ernest Hemingway verehrt. Auch heute noch.

Das Foto des Ausstellungsposters zeigt Hemingway, im bequemen Tweed Sakko, vor vollen Fischkisten, wie er einen jungen Fischer befragt. Der junge Mann, ein Kopf kleiner als der Schriftsteller, findet sichtlich Gefallen, sich mit dem Schriftsteller zu unterhalten. Er lächelt. Hemingway seinerseits, notiert fleißig in sein Notizbuch.

Hemingway hat die morbide Schönheit dieser Stadt begriffen. Über den Fluss und in die Wälder heißt seine Liebeserklärung an die Stadt. Die Kunst bestand darin, vom Gritti aus über das Fondamente Nuovo ohne Fehler an den Rialto zu gelangen. Dann konnte man die Brücke erklimmen, sie überqueren und auf den Fischmarkt hinuntergehen. Den Markt mochte er am liebsten. Denn dieser quirlige Fischmarkt kam dem Amerikaner vor wie ein lebendiges Museum.

Warum prangt ausgerechnet hier das Hemingway-Plakat? Zumal die Ausstellung bereits im Mai 2011 geendet hat. Nun ist September. Ist dies dem,

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