Das Portal zu Leben und Werk von Ernest Hemingway

Autor: Wolfgang Stock Seite 18 von 68

Ernest Hemingway: Wem die Stunde schlägt

Ernest Hemingway: Wem die Stunde schlägt. Erstmals 1940 veröffentlicht.

Im Herbst 1937 trifft Ernest Hemingway in Madrid den jungen ungarischen Fotografen Robert Capa. Der Schriftsteller und Capa werden zu Brüdern im Geiste, der eine an der Schreibmaschine, der andere an der Fotokamera. Robert Capa verrät dem Amerikaner das Geheimnis eines guten Reportagefotos: Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran.

So hält es auch Ernest Hemingway mit seinen Texten. Er muss immer nah genug herangehen, damit er zufrieden ist. Wiedersehen werden sich der Autor und der Fotograf im Dezember, in Teruel, einer kleinen Stadt zwischen Saragossa und Valencia. In Teruel verläuft nun die Front, hier wird gestorben, ganz grässlich gestorben. Zunächst ist Ernest Hemingway angewidert von der Brutalität der Schlacht, gleichzeitig scheint da auch immer etwas zu sein, was auch immer, das ihn fasziniert.

Der Schriftsteller aus Key West geht im Spanischen Bürgerkrieg von Anfang an nahe dran. Ernest Hemingway zieht es von Madrid an die Frontabschnitte, der berühmte Autor wird von den republikanischen Behörden mit einem Auto, genügend Benzin und einem Chauffeur ausgestattet, alles knappe Güter in diesem Krieg. Der Amerikaner soll den Kampf um die gerechte Sache in aller Welt publik machen.

Dieser Spanische Bürgerkrieg ist so etwas wie der erste Medienkrieg überhaupt, der weltweit renommierte Ernest Hemingway wird hofiert wie ein Fürst. Die Schilderungen des Schriftstellers aus Madrid und von den Frontkämpfen wirken realistisch wie eine Wochenschau. Alles in Ernest Hemingways knappem und sprödem Stil, gepaart mit einer messerscharfen Beobachtungsgabe.

Der Leser merkt schnell, Ernest Hemingway ist mit dem Herzen dabei. Gibt es eine sympathischere Ansprache, als jene zum Abschluss einer Reportage über seinen pfiffigen Chauffeur Hipolito, der den Autor wohlbehalten durch das Madrider Granatengewitter steuert? Sie können natürlich Ihr Geld auf Franco setzen, wenn Sie wollen, oder auf Mussolini oder Hitler. Ich setze auf Hipolito.

Als Ernest und seine Geliebte Martha Gellhorn im November 1938 ein letztes Mal in das Spanien des Bürgerkrieges zurückkehren, sind die meisten republikanischen Frontabschnitte zusammengebrochen und in die Hand der Nationalisten gefallen. Der Sieg der Putschisten um den General Franco bleibt nur eine Frage der Zeit, ein desillusionierter Schriftsteller kehrt in die USA zurück. Ende Januar 1939 fällt Barcelona, im März Madrid, und auch Ernest Hemingway persönlich hat nun diese grausame Schlacht in Spanien verloren.

Noch im März geht der Amerikaner nach Havanna und mietet im Hotel Ambos Mundos ein kleines Zimmer mit drei Fenstern im fünften Stockwerk. In dem einfachen Zimmer, das heute die Nummer 511 trägt, beginnt Ernest Hemingway mit der

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Reicht Ernest Hemingways Kraft für Cabo Blanco?

Ernest Hemingway im April 1956 auf dem Pazifik vor Cabo Blanco.

Der Kalender zeigt den 15. April 1956, das Datum, an dem Herr und Frau Hemingway in Miami ein Flugzeug besteigen, das sie über Nacht nach Peru bringen wird. Genauer gesagt nach Talara im Norden des Andenlandes. Von dort aus fahren sie mit dem Auto über die Panamericana nach Cabo Blanco, einem kleinen Fischerdorf am Pazifik. Cabo Blanco, ein fischreicher Küstenabschnitt südlich des Äquators, gilt unter Hochseefischern als legendäres Ziel.

Ernest Hemingway, seine Frau Miss Mary und einige Freunde werden 36 Tage und Nächte lang – vom 16. April bis 22. Mai 1956 – im Cabo Blanco Fishing Club wohnen, ganz nah am Meer. Der Schriftsteller wird in diesen fünf Wochen sein pazifisches Nest kein einziges Mal verlassen – außer für seine täglichen Angelausflüge.

Obwohl Ernest Hemingways Leben bis in den kleinsten Winkel ausgeleuchtet wird, ist über die Peru-Episode nicht viel bekannt. Seine Wochen am Cabo Blanco, wenn sie denn überhaupt Beachtung finden, bleiben in den Biografien und Abhandlungen über den bärtigen Autor seltsam konturlos. Vielleicht, weil das Schicksal ihn dieses Mal weit von der Öffentlichkeit wegbringt.

Der prominente Buchautor ist dafür bekannt, dass er mit großem Tamtam durch die Welt reist. Das Deux Magots in Paris, die Lagune in Venedig, die Sanfermines in Pamplona, die Steppen Ostafrikas, alles mit großem Bohei. Doch Cabo Blanco? Was um alles in der Welt macht der Nobelpreisträger, dieser forsche Abenteurer und unermüdliche Frauenheld, in einem abgelegenen Kaff wie Cabo Blanco?

Dieser Aufenthalt in Cabo Blanco wird für den Schriftsteller von großer Bedeutung sein. In seinem Buch Gefährliche Sommer gibt er seinen Lesern einen Hinweis. Der Mann in den Fünfzigern hat Peru als seinen

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Gabriel García Márquez über Ernest Hemingway

Gabriel García Márquez
Gabriel García Márquez, Hundert Jahre Einsamkeit.

Faulkner is a writer who has had much to do with my soul, but Hemingway is the one who had the most to do with my craft – not simply for his books, but for his astounding knowledge of the aspect of craftsmanship in the science of writing.

Gabriel García Márquez

Faulkner ist ein Schriftsteller, der viel mit meiner Seele zu tun hatte, aber Hemingway ist derjenige, der am meisten mit meinem Handwerk zu tun hatte – nicht nur wegen seiner Bücher, sondern wegen seines erstaunlichen Wissens über den Aspekt des Handwerks in der Wissenschaft des Schreibens.

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Faulkner est un écrivain qui a eu beaucoup à faire avec mon âme, mais Hemingway est celui qui a eu le plus à faire avec

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Ernest Hemingway: Schreiben wie ein Maler

Vincent van Goghs Schlafzimmer im Gelben Haus von Arles. Aus dem Jahr 1888.

Sobald er neu in eine europäische Stadt kommt, besucht Ernest Hemingway vor allem Kunstgalerien und Museen, den Prado in Madrid, die Accademia in Venedig, die Galerie Flechtheim in Berlin. In Paris, er hat von 1921 bis 1928 in der Stadt an der Seine gelebt, streunt er stundenlang durch den Louvre. Besonders fasziniert wird der US-Amerikaner von der Kunstfertigkeit der französischen Impressionisten.

Wenn er gefragt wird, welchem Beruf – außer Schriftsteller – seine Leidenschaft gilt, antwortet der junge Autor wie aus der Pistole geschossen: der Malerei. Der Arztsohn aus dem Mittleren Westen ist ein großer Bewunderer der bildenden Kunst. Er verfügt nicht nur eine erstaunlich sichere Urteilskraft zu Gemälden, sondern kennt viele Maler zudem persönlich.

In Paris kommt Hemingway mit den großen Künstlern der Avantgarde zusammen, lange vor deren Weltruhm. Der Autor aus Oak Park schließt Freundschaft mit Pablo Picasso. Joan Miró, Paul Klee, Juan Gris – für viel Geld erwirbt der junge Kerl einige Bilder der aufstrebenden neuen Malergeneration. Der bodenständige Amerikaner Waldo Peirce wird zeit seines Lebens ein enger Kumpel. 

Ernest Hemingways nachgelassener Roman Der Garten Eden versteckt eine aufschlussreiche Hommage an seinen Lieblingsmaler. Die Akteure seiner erotisch knisternden Erzählung reisen nach Südfrankreich, ans Mittelmeer bei Le Grau-du-Roi. Das Zimmer, in dem sie wohnten, sah aus wie das Gemälde von Van Goghs Zimmer in Arles, nur dass es ein Doppelbett und zwei große Fenster hatte und man über das Wasser, den Sumpf und die Wiesen auf die weiße Stadt und den hellen Strand von Palavas blicken konnte.

Vor allem zwei Großmeister haben es ihm angetan. Neben Vincent van Gogh mag er besonders den Franzosen Paul Cézanne. Ich möchte so schreiben können, wie Cézanne malen kann, sagt er des Öfteren. Der Maler aus Aix-en-Provence zeichnet mit Vorliebe Motive aus der Natur, Landschaften und Gärten, Lichtungen und Blumenfelder, farbenfroh und ausdrucksstark mit einem Blick für die zarten Feinheiten. 

Die Malerei hilft ihm, seine Prosa zu entwerfen. Denn auch die Sprache eines guten Schriftstellers braucht visuelle Kraft und Klarheit. Das Ziel, sagt Ernest Hemingway im Gespräch mit Edward Stafford, ist es, dem Leser jede Empfindung, jeden Anblick und jedes Gefühl zu vermitteln. Als Autor müssen Sie mit dem Wort zeichnen, damit der Leser sieht, was Sie gesehen haben, und fühlt, was Sie gefühlt haben.

Seine Annäherung an die Maler und die Erforschung ihrer Werke sind für Ernest Hemingway ein wesentlicher Bestandteil des Lernprozesses als Schreiber. Beobachten und entdecken, fühlen und erspüren – die impressionistischen Gemälde bilden eine seiner Inspirationsquellen. Der spätere Nobelpreisträger nutzt schon in seinen ersten Erzählungen die Visualität, um mit den Landschaftsbeschreibungen den Handlungsrahmen zu setzen. Für die szenische Spannung wiederum ist meist der dramatische Tonfall seiner Dialoge zuständig.

Die Betrachtung der Werke von Cézanne lehrt den Amerikaner, wie er seine modernen Kurzgeschichten mit Hilfe einer einfachen und emotionalen Technik neu aufbauen kann. Jedes Element im künstlerischen Prozess der Entstehung wirkt zweckdienlich und erfindungsreich sogleich. Die stimmige Farbgebung bei Cézanne wie auch die genaue Wortwahl bei Hemingway schaffen innere Struktur und Dichte.

Wie Cézanne setzt der Neuerer Ernest Hemingway vor allem auf die Landschaft, auf das Motiv und auf die Anordnung, um Eleganz und Vorstellungskraft zu erzeugen. Die Flüsse, das Gebirge, die Hügel, der Wald mit den grünen Bäumen, die Inseln und vor allem das Meer blühen nicht nur auf in einer neuen Visualität, sondern führen im Ergebnis zu einer anregenden Vielfalt an Emotionen.

Diese neue Ästhetik des Erzählens, die klassische und moderne Elemente vereint, arbeitet mit Empfindungen und Symbolen. Der Maler und der Schreiber öffnen beide den Raum und den Blickwinkel für die Imagination des Betrachters und Lesers. Ernest Hemingway beschreibt insofern keine Landschaften, er erschafft diese Landschaften. Ganz wie Cézanne. 

Als Liebhaber der Malerei hat Ernest Hemingway immer versucht, das Herzstück eines Gemäldes zu entdecken. Er ist stets auf der Suche gewesen nach dem reinen Gefühl, wie er es nennt. Maler besitzen all diese großartigen Farben, mit denen sie arbeiten können, meint der Nobelpreisträger. Ich muss es auf der Schreibmaschine vollbringen oder mit meinem Bleistift in Schwarz und Weiß.

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Hemingway y el Mar – ein Aufbruch in Conil de la Frontera

Conil de la Frontera 
Hemingway
Hemingway y el Mar. Im April 2023 in Conil de la Frontera.

In diesem Jahr feiert Spanien das 100. Jubiläum. Im Mai 1923 besucht der 23-jährige Korrespondent des Toronto Star zum ersten Mal das iberische Land. Madrid, Aranjuez, Sevilla, Ronda und Granada sind damals seine Ziele. Um daran zu erinnern findet ab 19. April 2023 an fünf Tagen in Conil de la Frontera, an der Südspitze Spaniens, eine in  mehrfacher Hinsicht aufschlussreiche Konferenz über Ernest Hemingway statt. 

Die Halbinsel im Südwesten Europas ist in jenen Tagen nicht wie heute ein allseits bekannter Touristenmagnet, für den Rest der Welt eher eine Terra incognita. Jenseits der Pyrenäen gingen damals die Uhren anders, der Sprung in die Moderne ließ auf sich warten. Bei Corridas oder während der Semana Santa wurden Bräuche gepflegt, die sich seit dem Mittelalter nicht groß verändert hatten.

Den Mann aus Chicago faszinierte diese retardierte Welt. In seiner Heimat schlug die Industrialisierung voll an, doch Spanien blieb ein Landstrich von Latifundistas und mittellosen Bauern, von klerikalen Bräuchen und sozialen Kämpfen. Neugierig nähert sich der junge Amerikaner dem Land und seiner eigenwilligen Kultur. Besonders die Fiestas mit ihrer überschäumenden Lebensfreude haben es ihm angetan.

Spanien wird zur Insel seines Herzens und seiner Seele. Es wird auch das letzte Land sein, an das er sich klammert, im Spätsommer 1960, einige Monate vor seinem Tod. Ein Jahr zuvor hat er die Costa de la Luz bereist, die Küste nördlich von Cádiz. Dort wird er im Juni 1959 bezaubert von der Kleinstadt Conil de la Frontera, die als letzte der weißen Städte Andalusiens am Meer endet.

Diesem Besuch zu Ehren veranstaltet die Gemeindeverwaltung von Conil diese Hemingway-Tagung, und feiert

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Die Sonne des Ernest Hemingway

Ken Kesey Ernest Hemingway

Whether you like him or not, Hemingway was the sun that all of us revolved around.

Ken Kesey, 1935 – 2001,

Ob man ihn nun mag oder nicht, Hemingway war die Sonne, um die wir uns alle drehten.

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Ernest Hemingway – übermütig auf den Marquesas Keys

Ernest Hemingway USA Key West
Ernest Hemingway, Bra Saunders und Waldo Peirce auf dem Meer vor Key West, 1928. Photo Credits: Ernest Hemingway Collection of the John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

Von Key West brechen Mitte Mai 1928 Ernest Hemingway und ein paar Freunden mit einem Boot auf zu den Marquesas Keys. Die Marquesas Keys sind eine zu Florida gehörende Gruppe aus zehn kleinen unbewohnten Inseln, die etwa 30 Kilometer westlich von Key West liegt. Zur Ausflugstruppe des Schriftstellers gehören der Maler Waldo Peirce und Bill Smith und Bra Saunders aus Key West.

Wenn das Wetter mitspielt, will man weiter zu den Dry Tortugas schippern, die nochmals die gleiche Stecke westlich liegen, eine Bootsstrecke für die man zehn Stunden braucht. Seit einigen Wochen ist Ernest Hemingway wieder in den USA, nach sieben Jahren in Paris. Es hat ihn ans Meer verschlagen, das er so sehr liebt.

Nach den Jahren in Europa hat Ernest Hemingway vor, mit seiner zweiten Frau Pauline am südlichsten Zipfel der USA Wurzeln zu schlagen. Die im achten Monat schwangere Pauline ist zu ihren Eltern nach Piggott in Arkansas gefahren, 2.000 Kilometer mit dem Zug, einen Monat später wird der Sohn Patrick zur Welt kommen.

Das intellektuelle Klima in der Stadt an der Seine hat ihn geprägt, doch nun will der erdige Bursche mit Freunden mal wieder auf den Putz hauen. Der Erfolg seines Erstlings – The Sun Also Rises – zwei Jahre zuvor und sein Durchbruch als Autor stacheln ihn zusätzlich an. Die jungen Männer wollen die unbewohnten Inseln mit ihren weißen Stränden und den Mangroven-Wäldern erkunden und im Golf von Mexiko ausgiebig fischen.

Im Golf lassen sich große Schwertfische, Segelfische, Tarpune und Marline fangen. Der Mob oder the Family, wie Hemingway den Freundeskreis nennt, fischt und abends wird der Fang auf offenem Feuer zubereitet. Dazu gibt es Makrelen und Muschelsalat. Zwei weitere Mitglieder des Mob, Burge Saunders und Charles Thompson, sind mit einem größeren Motorboot nachgekommen und lassen die Männergruppe auf sechs anwachsen.

Die Heimfahrt gestaltet sich dann allerdings schwierig. Die Ausflügler werden von schlechtem Wetter überrascht, ein starkes Sturmtief zieht auf, und alle müssen über Nacht auf den verlassenen Inseln verbleiben. Doch davon lassen sich die Kerle nicht die Laune vermiesen.

Die Freunde machen, fernab der Zivilisation, eine Menge Quatsch. Jenen Unsinn, den Männer halt machen, wenn sie unter sich sind. Besonders der 28-jährige Ernest ist für jeden Spass zu haben. Aufgekratzt toben die Kerle außer Rand und Band umher, voller Übermut drehen

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‚Hemingways Welt‘: eine faszinierende Reise in 500 Etappen

Hemingways Welt
Ernest Hemingway
Eine Wegmarke. 500 Artikel zu Ernest Hemingway. Und es gibt genug Material für die nächsten 500 Themen.

Ein Jubiläum steht mit dieser Veröffentlichung an: Sie lesen das 500. Posting auf hemingwayswelt.de. Eine lange und fesselnde Reise durch das Werk und das Leben des Ernest Hemingway. 500 Beiträge. Wer hätte dies beim Start vor 10 Jahren geahnt?

Es hat sich als ein Mammut-Projekt herausgestellt: Allein die Recherche ist aufwändig. Aufenthalte in Paris, Venedig und Barcelona. Feldforschungen in Andalusien, im Schwarzwald und in der Türkei. Fernreisen nach Kuba, in die USA und Peru. Der Besuch seines letzten Wohnortes Ketchum in den entlegenen Rocky Mountains.

Doch es sind nicht nur die Orte, sondern vor allem die Menschen. Das Zusammentreffen mit Zeitzeugen, die ihn noch erlebt haben. Mit Journalisten, die Ernest interviewt haben und mit Fotografen, die ihn abgelichtet haben. Dazu ein Gespräch mit Jack Hemingway, dem ältesten Sohn. Ich hatte das Glück, über die Jahre sieben, acht Frauen und Männer ausfindig zu machen, die mir von ihm aus erster Hand berichten konnten.

Und das Schöne: Hemingways Welt wird gelesen. Von 3.000 Besuchern jeden Monat, von Hemingway-Aficionados und von Literaturfreunden. Von Menschen, die zufällig auf dieses Portal stossen und von Stammlesern, die regelmäßig vorbeischauen. Der Rekord liegt bei 8.000 Besuchern an einem Tag.

Solcher Zuspruch zieht Kreise: Einladungen zu Vorträgen an Universitäten und Lesungen in Buchhandlungen trudeln ein. Lange Artikel in Tageszeitungen, Interviews in Radio und Internet. Man befindet sich auf interessanten Pfaden.

Wenn man 500 Artikel zusammen bekommt, dann zeugt dies von

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Dios mío, Hemingway!

Hemingway
Schreibmaschine
Eine Schreibmaschine, um mit dem Unergründlichen in Kontakt zu treten?
Foto: Stephen Warren.

Dios mío! Mein Gott, Hemingway!  Man will es laut in die Welt hinaus schreien. Übersetzt bedeutet dieses Dios mío! als Ruf des Erstaunens eigentlich so viel wie Ach du liebe Güte!, Um Gottes Willen! oder Allmächtiger! Damit nähern wir uns einem spannenden Thema. Wie hält es der Atheist Ernest Hemingway mit dem katholischen Glauben?

Eigentlich scheint die Sache klar, auf den ersten Blick. Der Leser staunt, wie harsch Hemingway die Religion von sich weggeschoben hat. Er hat sich lustig gemacht über Gott und den Glauben, er hat gelästert und gespottet. Doch ein ätzender Tonfall ist Indiz dafür, dass ihm etwas nahegeht. Und tatsächlich, auf den zweiten Blick stellt sich die Sache als vielschichtig heraus.

Auf Kuba, einer Insel mit einem tiefen Gottesglauben, lässt der bärtige US-Amerikaner sich für 20 Jahre nieder. Es ist schon merkwürdig, dass mit Spanien und Italien zwei erzkatholische Länder zu seinen Lieblingszielen zählen. Angetan hat es ihm vor allem das südspanische Andalusien. Ein Landstrich, der während seiner Semana Santa die Leidensgeschichte Jesu in einer religiösen Frömmigkeit zelebriert, als befänden wir uns im 16. Jahrhundert.   

Auch in seinen Werken schreibt dieser Schriftsteller andauernd von Gott. Nicht expressis verbis, er benutzt andere Begriffe. Ernest Hemingways Romane himmeln auf jeder Seite das Göttliche an. Die Berge, die Wälder, die Seen und Flüsse. Vor allem das Meer. Man braucht nur einen wachen Blick auf seine Buchtitel zu werfen.

Die Natur als die Allgewalt. Sie bildet den Rahmen des Lebens und seiner Literatur. Es fehlt dieser armen Kreatur namens Ernest Miller Hemingway lediglich ein wenig Mut. Jener Mut, die Quelle dieser überwältigenden Schöpfung zu benennen. Gott mag er nicht sagen. Er brüstet sich als Atheist und wehrt sich mit Händen und Füssen. Als Abwehr lässt er ziemlich Gotteslästerliches verlauten, nicht nur einmal.

Möglicherweise in Frontstellung zum bigotten Elternhaus, das ihm jene Demut ausgetrieben hat, die es braucht, um zu glauben. Vielleicht auch, weil seine Erziehung in Oak Park zu sehr verbunden ist mit dem calvinistischen Ethos der strebsamen Einwanderer. Oder vielleicht – es wäre die unschönste aller Erklärungen – weil dieser Egomane niemanden über sich akzeptieren will. 

Man achte auf seine Prosa. Sein Opus magnum Der alte Mann und das Meer liest sich stellenweise wie ein Kapitel aus der Bibel. Im Inhalt und vor allem im Stil. Die Erzählung handelt von dem alten Fischer Santiago und dem Marlin, von Sieg und Verlust, von Hoffnung und Enttäuschung. Wer in den Zeilen und dazwischen zu lesen vermag, der findet in dem Werk manche Botschaft jenseits des rationalen Denkens.

All das tummelt sich in dieser Novelle: Das Vaterunser, das Kraft geben soll im Kampf. Der Rosenkranz, der gebetet werden soll, um Hoffnung zu erwecken. Die Pilgerfahrt, die bei Erfolg versprochen wird. Und Jesus Christus. Dieses Buch von 100 Seiten lässt sich in Passagen lesen wie  ein Gebet an Gott. Oder sagen wir es säkularisiert: Der alte Mann und das Meer ist der Versuch einer Zwiesprache mit dem Göttlichen. Hemingway, der Grüblerische, will mit der übergeordneten Macht in Kontakt treten.

Bis zum Kern des Glaubens mag er nicht vorstoßen, da steht er sich selbst im Weg. Jedoch wimmelt es in seinen Werken nur so von religiösen Andeutungen. In der allegorischen Grundierung seiner Erzählungen finden sich

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Der steinige Weg zu ‚Paris – Ein Fest fürs Leben‘

Paris 
Ein Fest fürs Leben
Ernest Hemingway: A Moveable Feast. Zu Deutsch: Paris – Ein Fest fürs Leben.

Dieses Buch von Ernest Hemingway ist eines der bekanntesten und wohl auch eines der schönsten Werke. A Moveable Feast. In der Übersetzung: Paris – Ein Fest fürs Leben. Der deutsche Titel scheint mir gefühlvoller als das englische Original. Ein beweglicher Festtag. Es hört sich, in beiden Sprachen, dann doch etwas sperrig an.

Was viele Leser nicht ahnen: Dieses Buch ist nicht durchkomponiert von seinem Autor, es wird aus einem Fragment erschaffen. Aus dem Nachlass des 1961 verstorbenen Nobelpreisträgers wird es von den Erben hervorgekramt und dann im Jahr 1964 bei Charles Scribner’s Sons in New York veröffentlicht. Das Werk und vor allem seine Entstehung, es bleibt unter Kennern nicht unumstritten. Über die Qualität hingegen bestehen keine Zweifel.

Zumindest ist der Weg zu diesem Buch überaus steinig und holprig. Im Jahr 1956 macht der Direktor des Pariser Luxushotels Ritz den auf Kuba lebenden Ernest Hemingway darauf aufmerksam, dass noch zwei Reisekoffer auf Abholung warten. Der Schriftsteller hat diese 1928 in den Kellergewölben einlagern lassen, kurz bevor er mit seiner zweiten Frau Pauline Pfeiffer die Metropole an der Seine verlassen hat.

Der Inhalt beider Koffer besteht aus Manuskriptseiten und Notizbüchern mit Material zu Hemingways erstem Roman The Sun Also Rises, aus Büchern, aus Aufzeichnungen und aus Zeitungsausschnitten. Diese Erinnerungsstücke an die schönen Anfangsjahre bilden wohl der endgültige Anlass, sich heranzutrauen an die Pariser Skizzen, wie der Nobelpreisträger seinen Arbeitstitel wählt. Doch Ernest tut sich schwer damit, aus verschiedenen Gründen.

Zwar schreibt er voller Zartheit über die fantastischen Aufbruchsjahre in Paris, von 1921 bis 1928 lebt Hemingway mit Ehefrau in der französischen Hauptstadt. Neben dem Savoir-vivre in den Bistros und Restaurants ist diese Zeit jedoch auch mit schmerzlichen Erinnerungen verbunden. Oft erscheint der Mittzwanziger aus Chicago nicht im besten Licht. Ernest lästert über Freunde und Förderer, er spuckt ziemlich große Töne und er klettert auf ein hohes Roß.

Doch das Allerschlimmste: Mit voller Absicht setzt er seine Ehe mit der wunderbaren Hadley in den Sand. Kein Wunder, dass sich der alternde Autor in seinem letzten Wohnort Ketchum monatelang durch die Entwürfe quält. Bis zu seinem Tod im Juli 1961 sitzt er an dem Manuskript, ohne die Kraft, es zu einem Ende zu bringen.

Er möchte sich an die schöne Zeit in Paris klammern, er will die aufopferungsvolle Liebe von Hadley nochmals spüren, er will jung und kraftvoll in die Welt treten, wie damals. Als Schriftsteller hat er alles erreicht, was es zu erreichen gibt. Als Mensch, nun ja, es pflastern zu viele Niederlagen seinen Weg. Und wenn er ehrlich zu sich ist, in der Liebe, da ist er gescheitert. 

Ernest vermag nicht, die Pariser Skizzen zu vollenden. Es fängt schon beim Titel an. Seine Titelvorschläge hält er auf einer Liste fest, die er im April 1961 an seinen Verleger übermitteln will, doch er

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